Arbeitsmarkt statt 1V-Rente für Junge

(Tages-Anzeiger/Fernausgabe)

Unter 30-jâhrige psychisch Kranke sollen arbeiten, statt von der Invalidenversicherung abhângig zu sein.

Keine Rente unter 30, so lautet die Forderung der Soziaikomraission des Nationalrats. Diese hat von Bundesrat Alain Berset fur Mitte Mai konkrete Gesetzesformulierungen und ein Konzept verlangt, damit unter 30-jàhrigen psychisch Kranken kûnftig keine IV-Rente mehr zugesprochen wird. Stattdessen soll die Invalidenversicherung (IV) die Betroffenen in den Arbeitsmarkt integrieren. Zurzeit erhalten pro Jahr fast 3000 unter 30-jâhrige neu eine IV-Rente, von ihnen zwei Drittel wegen psychischer Leiden. Zudem stagniert die Zahl der Neurenten bei den 18- bis 24-Jâhrigen seit Jahren, wâhrend sie bei allen anderen Altersgruppen stark zurückging.

Sollte die Kommission dem Rentenstopp fûr unter 30-Jâhrige zustimmen, hat dies im Nationalrat gute Chancen auf eine Mehrheit. Denn neben SVP und FDP unterstützen auch Vertreter der CVP das Anliegen. Die Befurworter betonen, ihnen gehe es nicht ums Sparen bei der IV. Ziel sei die Intégration in den Arbeitsmarkt. Weiterhin eine Rente bekommen sollen Junge mit Geburtsgebrechen und jene, die nach einem schweren Unfall erwerbsunfâhig werden. Die Linke glaubt den Beteuerungen jedoch nicht. SP-Nationalrâtin Silvia Schenker wirft den Bürgerlichen vor, ih¬nen gehe es nicht um die Intégration der jungen psychisch Kranken, sondern um einen erneuten Abbau bei der IV. Wollten sie Ernst machen mit der Intégration, erfordere dies derart teure Eingliederungsmassnahmen, dass es die IV mehr koste als die heutigen Renten. Schenker befürchtet, dass die Jungen künftig bei der Sozialhilfe landen. Auch die Behindertenverbânde wehren sich. «Eine generelle Alterslimite wàre für die meisten jungen Menschen mit Behinderungen existenzbedrohend», sagt Marc Moser von Inclusion Handicap.

Der Arbeitgeberverband, der das Konzept in die Kommission eingespeist hat, wehrt sich gegen den Vorwurf, junge IV-Rentner in die Sozialhilfe verschieben zu wollen. «Das ist keine plumpe Sparmassnahme», sagt Martin Kaiser. Mindestens die Halfte der jâhrlich 3000 Neurentner unter 30 habe gemâss Experten das Potenzial zur Intégration in den Arbeitsmarkt. Künftig solle von Beginn weg in die berufliche Eingliederung investiert werden statt In Renten. «Die entsprechenden Massnahmen erfordem von der IV zunàchst tatsachlich Investitionen in ein geeignetes
Setting.» Renten sollten erst gewâhrt werden, wenn sich die Intégration dauerhaft als unmoglich erweise.