Ausbildung von behinderten Jugendlichen in Gefahr?

(Luzerner Zeitung)

Gleichstellung Der Bundesrat will die Dauer der beruflichen Grundbildung für Jugendliche mit Beeinträchtigungenkünftig selber festlegen. Der Verband Insos, der solche Ausbildungen anbietet, befürchtet eine Verkürzung.

Tobias BärVor bald fünf Jahren ist die Schweiz der Behindertenrechtskonvention der UNO beigetreten.Seither steht sie in der Pflicht,Menschen mit Behinderung Hin-dernisse aus dem Weg zu räumen, sie vor Diskriminierung zu schützen und ihre Gleichstellung zu fördern. Gestern haben der Branchenverband Insos,der Heimverband Curaviva sowie der Fachverband VAHS dargelegt,welchen Beitrag sie zur Umsetzung der Konvention leisten wollen. Die Verbände wollen sich inden kommenden fünf Jahren unter anderem dafür einsetzen,dass Jugendliche mit Beeinträchtigungen einen guten Zugang zur beruflichen Grundbildung haben. Genau diesen Zugang sieht Insos durch die laufende Revision der Invalidenversicherung(IV), die heute im Nationalrat debattiert wird, in Gefahr.

Es geht um die zweijährige praktische Ausbildung, die von der IV finanziert wird und die junge Menschen mit einer Lernbeeinträchtigung auf eine berufliche Grundbildung oder auf das Arbeitsleben vorbereitet. Heute finanziert die IV diese Ausbildungen grundsätzlich für zwei Jahre.Zwischen 2011 und 2016 wurden lediglich die Kosten für ein Jahr übernommen. Das zweite Ausbildungsjahr wurde nur bezahlt,wenn gute Aussichten auf eine künftige Erwerbsfähigkeit im regulären Arbeitsmarkt bestanden.Das Bundesgericht schob dieser Praxis mit Verweis auf die fehlende gesetzliche Grundlage dannr einen Riegel vor.

Bundesrat will Dauerder Ausbildung festlegen

Bei der aktuellen IV-Revision will der Bundesrat nun eine gesetzliche Grundlage schaffen, mit derer die Dauer und den Umfang der Kostenzusprache selber festlegen könnte. Insos wehrt sich gegen diese Änderung, wie Sprecherin Barbara Lauber sagt: «Damit erhält der Bund die Möglichkeit,die Berufsbildung für junge Menschen mit Lernbeeinträchtigung erneut auf ein Jahr zu reduzie-

Barbara Lauber
Insos Schweizren.» Eine einjährige Ausbildung sei aber schlicht zu kurz. Lauber verweist auf die Erfahrungen von vor dem Bundesgerichtsurteil:«Die IV sparte zwar Geld. Gleichzeitig waren aber jedes Jahr über200 Jugendliche gezwungen,ihre Ausbildung vorzeitig abzubrechen.»

CVP-Nationalrat Lohrwill IV-Vorlage anpassen

Der CVP-Nationalrat ChristianLohr (TG) ist gleicher Meinung.«Wenn man von den Jugendlichen mit Beeinträchtigung verlangt, dass sie sich um eine Integration in den Arbeitsmarkt bemühen, dann muss man ihnen auch die dafür nötigen Rahmenbedingungen bieten.» Lohr hat einen Antrag eingereicht mit der Forderung, dass die niederschwellige Ausbildung zwei bis vier Jahre dauern soll – gleich lange wie die reguläre berufliche Grundbildung. Auch der Dachverband der Behindertenorganisationen, Inclusion Handicap,setzt sich für eine mindestens zweijährige Ausbildung im geschützten Rahmen ein. Eine kür-zere Ausbildung erfülle die Vor-gaben der UNO -Behindertenrechtskonvention.

Die Hauptziele der IV-Revision unterstützt Inclusion Handicap aber. Eine positive Wirkung verspricht sich der Dachverband unter anderem von den Massnahmen für Jugendliche mit einer psychischen Beeinträchtigung:Die Vorlage des Bundesrates sieht vor, dass künftig auch Jugendliche und junge Erwachsene ein Anrecht auf Integrationsmassnahmen haben. Dabei werden etwa soziale Grundfähigkeiten eingeübt oder die Arbeitsmotivation gefördert. Heute sind solche Massnahmen den Erwachsenen vorbehalten.