Behindertenichtbehindern

(Der Bund)

Ergänzungsleistungen Die neue Regelung für Beiträge an die Miete trifft IV-Rentner zum Teil hart.

Andrea Fischer

Behinderte nicht behindern

Jeder darf seine Lebensform frei wählen. Das gilt auch für Menschen mit einer Behinderung. So verlangt es die UNO Behindertenrechtskonvention, welche auch die Schweiz ratifiziert hat. Doch mit der Umsetzung dieses Grundrechts tut sich die Politik oft schwer. Das zeigt sich gerade jetzt wieder. IV-Rentnerinnen und rentnern drohen drastische Kürzungen bei den Beiträgen für die Miete. Betroffen wären all jene, die auf Ergänzungsleistungen (EL) angewiesen sind und in Wohngemeinschaften leben.

Zwei alleinstehende EL-Bezüger, die sich eine Wohnung teilen, sollen künftig höchstens noch 1620 Franken statt wie bisher 2200 Franken für die Miete bekommen. Sie würden damit gleich behandelt wie Ehepaare, obwohl diese weniger Wohnraum benötigen. Noch schlechter sieht es für grössere Wohngemeinschaften aus. Vier IV-Rentner, die heute für eine gemeinsame Woh-nung maximal 4400 Franken ausgeben können, müssen sich künftig mit 1960 Franken begnügen. Dass sich damit in grossen Städten kaum eine passende
Wohnung finden lässt, ist jedem klar, der die Mietpreisentwicklung der letzten Jahre auch nur am Rande verfolgt hat.

Die Kürzungen sind Teil der EL-Reform. Der Bundesrat erhofft sich davon Einsparungen von fünf Millionen Franken, der Ständerat hat dies abgesegnet. Erklärtes Ziel der Reform ist es aber auch, die Wohnbeiträge für bedürftige Rentnerinnen und Rentner so anzupassen, dass damit die gestiegenen Kosten auf dem Wohnungsmarkt ausgeglichen werden. Diese Absichtdroht sich nun für einzelne Gruppen von EL-Bezügern ins Gegenteil zu drehen.

Zugegeben, die heutige Regelung ist recht grosszügig. Eine angemessene Kürzung wäre verkraftbar. Die vorgesehenen Reduktionen gehen aber zu weit und sind nicht gerechtfertigt. Werden sie umgesetzt, wird das Leben in Wohngemeinschaften unerschwinglich. Diese sind aber für immer mehr Behinderte eine ideale Alternative zum Heim oder zum Leben allein: Sie können sich im Alltag gegenseitig unterstützen.

Der Nationalrat hat es nun in der Hand, die Kürzungen zu reduzieren. Einsparungen wären trotzdem möglich, wenn auch geringer. Aber das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit einer Behinderung darf nicht eingeschränkt werden