Chancen für Start ins Berufsleben erhöhen

(Schweizer Sozialversicherung/Ass. Sociale Suisse)

Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Einschränkungen sind im Fokus der aktuellen IV-Revision. Ihre frühzeitige Invalidisierung soll verhindert werden. Die Weiterentwicklung der IV unterstützt gezielt diese Versicherten, vom Vorschulalter über die Schulzeit und die Berufsbildungsphase bis ins Erwerbsleben.


Stefan Ritterlic. phil.,Vizedirektor, Leiter des Geschäftsfeldes Invalidenversicherung im Bundesamt für Sozialversicherungen

 

Die Invalidenversicherung ist erfolgreich auf dem Weg von der Renten- zur Eingliederungsversicherung. Die Auswertungen der IV wie auch ein Bericht der OECD von 2014 zeigen aber, dass die Versicherung bei bestimmten Zielgruppen noch viel bewirken kann, damit Menschen nicht frühzeitig invalidisiert und von einer Rente abhängig werden. Dies gilt vor allem für Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Einschränkungen sowie Junge und Erwachsene mit psychischenBeeinträchtigungen. Daher unterstützt die Weiterentwicklung der IV gezielt diese Versicherten.Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass die IV-Stelle die Versicherten und ihr Umfeld intensiver begleitet und betreut.

Stagnierende Neurentenzahl bei jungen Versicherten fordert IV heraus

Jugendliche und junge erwachsene Versicherteim Alter von etwa 13 bis 25 Jahren stellen die IV vor eine besondere Herausforderung. Bei den jungen Erwachsenen sprechen die IV-Stellen seit 2008 jährlich zwischen 1700 und 2100 Versicherten dieser Alterskategorie neu eine Rente zu (linke Skala in der Grafik Neurenten Schweiznach Alter). Seit 2011 liegt der Anteil der 18- bis24-Jährigen, die eine Rente beziehen (Renten-quote, Skala rechts), höher als bei den 25- bis 65-Jährigen.


Neurenten von jungen Erwachsene

 

Liste der anerkannten Geburtsgebrechen wird aktualisiert und modernisiert

Für die IV-Stellen ist es von entscheidender Bedeutung, so früh wie möglich auf eine positive gesundheitliche Entwicklung Einfluss zu nehmen. Schon früh müssen daher die verschiedenen Akteure gut zusammenarbeiten, wenn ein Kind unter einem Geburtsgebrechen leidet oder wenn bei ihm Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung festgestellt werden, die ein Invaliditätsrisiko enthalten.

Wie kann die IV die Chancen dieser Kinder für den späteren Schritt ins Berufsleben erhöhen? Eine der drei Zielgruppen der Weiterentwicklung der IV sind darum die Kinder ab Geburt bis zum Alter von etwa 13 Jahren.

Die Massnahmen der Gesetzesrevision zielen hier hauptsächlich darauf ab, die Liste dervon de IV anerkannten Geburtsgebrechen zu aktualisieren und zu modernisieren sowie die Kriterien für die Übernahme von medizinischen Massnahmen durch die IV besser an jene der Krankenversicherung anzupassen, um die beiden Systeme besser zu koordinieren. Auf Verordnungs- und Weisungsebene wird die Fallführung gestärkt und Beratung und Begleitung der betroffenen Kinder und ihrer Eltern werden ausgebaut.

Gezielte Hilfe bei den Übergängen SchuleAusbildung – Arbeitsmarkt

Wie kann die IV vermeiden, dass Junge als Rentner ins Erwachsenenleben starten? Die zweite Zielgruppe der Gesetzesrevision stellen die Jugendlichen und junge psychisch erkrankte Versicherte dar. Die Übergänge von der Schule zur Berufsbildung und später in den Arbeitsmarkt stellen Jugendliche mit psychischen oder anderen Erkrankungen vor besonders grosse Herausforderungen (siehe Grafik). Hier muss die IV gezielt ihre Hilfe und die Koordination mit kantonalen Instanzen (Case Management Berufsbildung) ausbauen, damit die jungen Versicherten diese Übergänge auf ihrem Lebensweg erfolgreich meistern.

Im Gesetz wird der Grundsatz verankert: Je jünger eine Person ist, desto intensiver müssen die Anstrengungen sein, sie einzugliedern. Die Eingliederungsmassnahmen werden zudem dem Entwicklungsstand und den Fähigkeiten einer jungen Person entsprechend zugesprochen.Sie können, falls erforderlich, auch wie-derholt werden. So wird sichergestellt,dass eine allfällige (Teil-)Rente nur dann zugesprochen wird, wenn das Eingliederungspotenzial vollständig ausgeschöpft wurde und die Eingliederung aus gesundheitlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt unmöglich ist.

Mit der Gesetzesrevision erhält die IV die dafür nötigen Eingliederungsinstrumente, die ihr heute noch fehlen.


Massnahmen zur besseren Eingliederung von Kindern und Jugendlichen ins Erwerbsleben

 


Zeitplan

Die Vorlage befindet sich zurzeit in der parlamentarischen Beratung.Der Nationalrat hat sie am 7. März 2019 gutgeheissen, der Ständerat am 19. September 2019. In der Frühjahrssession 2020 haben die beiden Räte schliesslich alle Differenzen bereinigt. Der Parlamentsbetrieb wurde allerdings wegen der Coronakrise vor der Schlussabstimmung unterbrochen.