Den Klang beschreiben, das Gesagte zeigen

(srf.ch)

Auch für Menschen mit Behinderungen ist Kunst, Konzert und Theater erlebbar – wenn die Institutionen in Sachen Inklusion umdenken.
Autor: Jenny Berg

In der Schweiz leben 1,7 Millionen Menschen mit Behinderungen , in einem neuen Fenster– das sind rund 20 Prozent der Bevölkerung. Viele von ihnen haben wenig Zugang zu kulturellen Institutionen.

Damit sich das ändert, hat Pro Infirmis, die Fachorganisation für Menschen mit Behinderungen, das Label «Kultur Inklusiv», Link öffnet in einem neuen Fenster ins Leben gerufen.

Seit 2016 werden damit Kulturinstitutionen ausgezeichnet, die ihr Angebot barrierefrei anbieten – mittlerweile sind das 80 Museen, Theater und Festivals.

Nur rollstuhlgerecht reicht nicht

Doch was heisst das genau: barrierefrei? Belinda Schweizer, Projektleiterin der inklusiven Angebote am Theater Basel, sagt: «Das Haus und seine Angebote müssen möglichst für alle Menschen zugänglich sein.»


Auch viele Museen bieten Führungen für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. «Ich seh’s anders!» heisst ein Vermittlungsprojekt im Museum Haus Konstruktiv in Zürich. Es führt erwachsene Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Museum Haus Konstruktiv / Peter Baracchi

 

Ein rollstuhlgerechter Zugang und ein Behinderten-WC allein sind dafür aber nicht ausreichend. «Die inhaltlichen Angebote des Theaters müssen für Menschen mit unterschiedlichen Formen von Beeinträchtigungen zugänglich sein – also für Menschen mit einer Seh- oder Gehör-Einschränkung genauso wie für Menschen mit einer kognitiven Behinderung.»

Mit dem Kopfhörer in die Oper

Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen etwa bietet das Theater Basel spezielle Ballett-Workshops an. Für Menschen mit Hör-Beeinträchtigung gibt es Aufführungen, bei denen am Bühnenrand eine Gebärden-Dolmetscherin live den Text des Schauspiels in Gebärdensprache übersetzt. Und für Menschen mit Seh-Behinderung gibt es einzelne Opernaufführungen mit Live-Audiodeskription.

Bühnen-Dialoge in Gebärdensprache übersetzen: Das macht auch der Westschweizer Verein «Sourds & Culture», hier bei einer Inszenierung in Morges. Sylvain Chabloz

 

Dafür sitzen zwei Sprecher in einer Tonkabine mit Sicht auf die Bühne und beschreiben während der Aufführung alles, was auf der Bühne gesagt oder getan wird. Dabei müssen sie genau abwägen, was wichtig für das Verständnis der Handlung ist, und wo die Musik frei erklingen muss.

Diese Live-Audiodeskription wird über WLAN an Audiogeräte ausgespielt, mit denen die Nutzerinnen und Nutzer im Zuschauerraum sitzen. Mit akustisch durchlässigen Kopfhörern können sie der Musik und der Live-Audiodeskription zeitgleich folgen.
Inklusion ist für alle gut

Das noch junge Angebot wird an verschiedenen Schweizer Theatern genutzt – doch im Vergleich zum Behindertensport ist die Nutzergruppe noch verschwindend klein. Zu viele Jahre lang lag dieses Thema brach – und es nicht einfach, diejenigen Menschen mit Behinderung zu erreichen, die sich für Kultur interessieren.

Dabei lohnt es sich für sämtliche Kulturinstitutionen, in Barrierefreiheit zu investieren. Von flexiblen Sitzgelegenheiten im Konzertsaal profitieren etwa auch Familien mit Kindern. Ermöglicht ein Museum Skulpturen zum Anfassen und Audioguides in Leichter Sprache, so erleichtert dies den Zugang auch für fremdsprachige oder bildungsferne Bevölkerungsgruppen.

Inklusion und Barrierefreiheit ermöglicht also die kulturelle Teilhabe für alle Menschen – und leistet einen wichtigen Beitrag zum gleichwertigen Leben in unserer Gesellschaft.