Die inklusive Perspektive ohne Barrieren

(Sponsoring Extra)

Die Stimmen der Menschen mit Behinderungen sollen gehört werden. Dazu will die OrganisationInclusion Handicap ab dem kommenden Jahr das neue Projekt «Reporter/innen ohne Barrieren»lancieren: Die Reporterinnen und Reporter sollen an Veranstaltungen teilnehmen, darüberberichten und so ihre vielfältigen Perspektiven in aktuellen Diskursen einbringen.


von Marc Moser
Kommunikations-verantwortlicher Inclusion Handicap
marc.mosereinclusion-handicap.ch

 

Die Powerpoint-Präsentation aus der Perspektive einer blinden Person? Das Networking beim Stehlunch für eine Rollstuhlfahrerin? Das Management-Seminar aus Sicht des depressiven Managers? Das Referat für eine gehörlose Person ohne eine Übersetzung in Gebärdensprache? Das sind weitgehend unbekannte Perspektiven, wenn man selbst nicht von einer Behinderung betroffen ist. Aber auch die inhaltliche Perspektive der Menschen mit Behinderungen geht viel zu häufig vergessen. Dabei muss die Hindernisfreiheit in jedem Verkehrskonzept, die inklusiven Schulen in jedem Bildungsgesetz oder die Barrierefreiheit bei jeder erbrachten Dienstleistung mitgedacht werden. Die «Reporter/innen ohne Barrieren» wollen sich und ihre Perspektive einbringen – ein Projekt von Inclusion Handicap, dem Dachverband der Behindertenorganisationen Schweiz.

Inclusion Handicap will das Projekt ab dem kommenden Jahr lancieren, wenn der Dachverband der Behindertenorganisationen zusammen mit der Juristischen Fakultät der Universität Basel und dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) die alljährliche Tagung zum Behindertengleichstellungsrecht organisiert.

Fokus auf Gleichstellungsrecht und Sozialversicherungen

Behindertengleichstellungsrecht ist,neben den Sozialversicherungen, ein Schwerpunkt von Inclusion Handicap. Der Dachverband der Schweizer Behindertenorganisationen wurde 2015 gegründet, nachdem diverse Fachstellen unter einem Dach zusammengeschlossen worden sind. 20 Behindertenorganisationender Selbst- und Fachhilfe sind Mitglied des Dachverbandes. Dazu gehören einerseits behinderungsübergreifende Organisationen wie Procap oder Pro Infirmis, andererseits behinderungsspezifische Verbände zu den einzelnen Behinderungsarten, wie etwa die Vereinigung Cerebral, die Paraplegiker-Vereinigung, die MS-Gesellschaft, der Blinden- und Sehbehindertenverband, der Gehörlosenbund oder die Stiftung Pro Mente Sana, die sich für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung einsetzt. So ist Inclusion Handicap die vereinte Stimme der 1,7 Millionen Menschen mit Behinderungen in der Schweiz.

Sie fragen sich vielleicht: «1,7 Millionen Menschen mit Behinderungen in unserem Land?» Richtig. Diese Zahl weist das Bundesamt für Statistik aus. Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Personen, die langfristige Beeinträchtigungen haben, die sie im Alltag einschränken. Dies können körperliche Behinderungen sein (etwa Paraplegie, eine Muskelkrankheit oder Parkinson), psychische (etwaschwere Depressionen, Schizophrenie oder bipolare Störung), geistige (etwa durch Down-Syndrom oder andere kognitive Einschränkungen) oder Sinnesbehinderungen, wie etwa Blindheit oder Gehörlosigkeit. Aufgrund ihrer Behinderung treffen sie auf die unterschiedlichsten Barrieren. So zum Beispiel:

  • die Stufen oder die zu steile Rampe für Rollstuhlfahrer
  • der nur in gedruckter Form und in komplizierter Sprache vorhandene Vertrag
  • grundsätzliche Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt: Menschen mit Behinderungen sind deutlich häufiger erwerbslos als Menschen ohne Behinderungen
  • das mühsame Vertuschen des Klinikaufenthalts wegen einer depressiven Episode, da berufliche Konsequenzen drohen
  • das Verweigern elementarer Grundrechte wie die Niederlassungsfreiheit oder die freie Wahl der Wohnform, was vor allem Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung betrifft

Die externen Hindernisse und Barrieren für Menschen mit Behinderungen sind ebenso vielfältig und nicht immer sichtbar, wie es die diversen Beeinträchtigungen selbst sind.

Für den Abbau dieser vielfältigen Barrieren und damit für eine inklusive Gesellschaft, in der jede und jeder selbstverständlich teilhaben kann, setzt sich Inclusion Handicap auf politischem und rechtlichem Weg ein, in allen Lebensbereichen: Bildung, Arbeit, Wohnen,Zugang zu Dienstleistungen, ÖV, Kultur, Sport und vieles mehr. Dies fordert die UNO-Behindertenrechtskonvention(BRK), die in der Schweiz seit 2014 in Kraft ist und die bei Weitem noch nicht umgesetzt ist.Inclusion Handicap ist die Stimme der Menschen mit Behinderungen auf dem politischen Parkett, um die Umsetzung voranzutreiben. Aber sie ist auch die Stimme auf rechtlicher Ebene.

Inclusion Handicap bietet Menschen mit Behinderungen und ihren Angehörigen unentgeltliche Rechtsberatung und-vertretung in den Bereichen Gleichstellung und Sozialversicherungen. Viele Ratsuchende wenden sich wegen Fragen zur Invalidenversicherung an die erfahrenen Juristinnen und Juristen. Unter-stützung suchen sie aber auch, wenn sie sich wehren müssen, weil ihr Kind nicht in die Regelschule darf, wenn ungerechtfertigte, behinderungsbedingte Gebühren erhoben werden oder wenn eine Dienstleistung nicht zugänglich ist. Die Nachfrage nach einem niederschwelligen Zugang zur Rechtsberatung ist ausserordentlich gross und kann leider aus Mangel an Ressourcen nicht vollständig gedeckt werden.

Menschen mit Behinderungen eine Stimme geben

Inclusion Handicap gibt den Menschen mit Behinderungen eine Stimme auf politischer Ebene, und manchmal auch vor Gericht. Betroffene werden auch im Jahr 2020 noch viel zu wenig gehört. Hier setzt das eingangs erwähnte Projekt der «Reporter/innen ohne Barrieren» an: Die Stimmen der Menschen mit Behinderungen sollen gehört werden. Denn die Reporterinnen und Reporter sollen an Veranstaltungen teilnehmen, darüber berichten und so ihre vielfältigen Perspektiven in aktuellen Diskursen einbringen. Inclusion Handicap will dieses Projekt anstossen – als Dachverband, der alle Behinderungsarten abdeckt. Genauso sollen alle Behinderungsarten bei den Reportern ohne Barrieren vertreten sein und die vielfältigen Stimmen den öffentlichen Diskurs mitprägen.

Ab kommendem Jahr wird im Rahmen des Projekts «Reporter/innen ohne Barrieren» also ein vielfältiger Pool von Reportern mit unterschiedlichen Behinderungen und mit unterschiedlichen Landesprachen sowie in Gebärdensprache aufgebaut. Die Reporter ohne Barrieren sollen geschult werden und zunächst von politischen und gesellschaftlichen Anlässen berichten. Gerade der politische Diskurs hat die Stimmen dringend nötig; im Parlament gibt es mit Nationalrat Christian Lohr nur gerade eine einzige Person, die zur Gruppeder 1,7 Millionen Menschen gehört odersich zumindest öffentlich dazu bekennt.Viele Behinderungen sind bekanntlich nicht sichtbar.

Auch deshalb will Inclusion Handicap mit dem Projekt Menschen mit Behinderungen mit joumalistischem beziehungsweise kommunikativem Interesse fördern. Auf der anderen Seite sollen Menschen ohne Behinderungen sensibilisiert werden: Reporter ohne Barrieren sollen an Veranstaltungen präsent sein und ihre Sichtweise einbringen. Man denke an ein Podiumsgespräch oder ein Referat, bei dem zwar munter über gesellschaftliche Entwicklung gesprochen wird, aber die Perspektive von Personen mit Beeinträchtigungen fehlt. Hier können künftig die Reporter ohne Barrieren diese zusätzliche Sichtweise einnehmen und über einen Event berichten, falls nötig auch kritisch.Der Projektplan sieht vor, dass «Reporter/innen ohne Barrieren» künftig für Events aller Art gebucht werden können.

Das Projekt ist noch in der Planungsphase und die Finanzierung noch nicht vollständig gesichert. Die Idee ist, ab dem Frühsommer 2021 erste Schulungen durchzuführen. Partnerschaften oder ein Patronatskomitee sollen ebenfalls aufgebaut werden. Es ist zu hoffen, dass in rund zwei Jahren, wenn Veranstalter ihren nächsten Event planen, sie ihre «Reporter/innen ohne Barrieren» buchen können – als Berichterstatter mit der zusätzlichen Perspektive.


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