Ein Teil landet in der Sozialhilfe

(Tages-Anzeiger / Fernausgabe)

Von Markus Brotschi

Jedes Jahr werden fast 2000 unter 30-Jährige mit psychischen Diagnosen wie Persönlichkeits- störungen, ADHS oder Schizophrenie zu IV-Rentnern. Oft haben sie bereits eine jahrelange Behandlungskarriere hinter sich. Die Invalidenversicherung versucht, mit Ausbildungen und Integrationsmassnahmen einen Teil wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Doch die Erfolge halten sich in Grenzen, weil die IV mehr tun könnte und sich für Junge mit psychischen Störungen schwer Stellen finden lassen.

Doch nun wollen bürgerliche Sozialpolitiker solchen unter 30-Jährigen keine IV-Rente mehr gewähren. Ziel dieses radikalen Schnitts sei die Integration in den Arbeitsmarkt, statt diese Menschen lebenslang mit einer Rente abzuspeisen. Tatsächlich bietet eine Rentnerkarriere keine erbauliche Lebensperspektive. Die Zielsetzung ist also richtig. Das Problem ist aber, dass das Ziel – wenn überhaupt – nur mit einem gigantischen Betreuungsaufwand zu erreichen ist. Die Betroffenen müssen nicht nur einige Jahre, sondern allenfalls ein Jahrzehnt begleitet, geschult und mit Taggeldern versorgt werden, was für die IV viel teurer ist als die Berentung. Für die IV zahlt es sich nur aus, wenn die Integration im grossen Stil gelingt.

Doch ob die Nationalräte zu einem solch teuren Investitions-programm bereit sind, ist fraglich. Denn die gleichen Politiker fordern, dass die IV weiter sparen müsse. So lehnt etwa die SVP nur schon bescheidene zusätzliche IV-Integrationsmassnahmen für Junge ab. Aber auch die Wirtschaft müsste ihre Bereitschaft erhöhen, angeschlagene Menschen anzustellen. Falls das Parlament den Rentenausschluss für unter 30-Jährige beschliesst, drohen jährlich Hunderte junge Erwachsene zur Sozialhilfe abgeschoben zu werden. Dort gehören sie nicht hin.

Denn die Sozialhilfe verfügt nicht über Instrumente, um sie in den Arbeitsmarkt zu bringen. Zudem würden Kantonen und Gemeinden noch höhere Soziallasten aufgebürdet, als sie heute schon haben, weil auch Ältere, körperlich Angeschlagene und Niedrigqualifizierte auf dem Arbeitsmarkt schlechte Chaticen haben.