Es geht um das Machbare

(Handicap Forum)

Das neue Rahmengesetz, das die Regierung des Kantons Basel-Stadt ausgearbeitet hat, könnte die Umsetzung der Behindertengleichstellung vorwärts bringen. Die Fortschritte lösen aber auch Ängste.

bim. Im September 2017 ist die Initiative für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung den Regierungen von Basel Stadt und Basel-Landschaft überreicht worden. Sie verlangt, dass die Kantone ihre Verfassungen so anpassen, dass Behindertengleichstellung tatsächlich umgesetzt werden kann. Anfang 2016 hatte der Grosse Rat bereits eine Motion überwiesen, die ein kantonales Rahmengesetz fordert, das die Autonomie und Partizipation von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen sicherstellt. Nun hat die Basler Regierung einen Gegenvorschlag ausgearbeitet und in die Vernehmlassung geschickt. Er hat – unter Mitwirkung von Rechtsexperten, aber auch von Menschen mit Behinderungen und ihren Vertretungen – ein Rahmengesetz ausgearbeitet, das die bisherigen gesetzgeberischen Lücken schliesst. Die Umsetzung gleichberechtigter Teilhabe sowie die Beseitigung von Benachteiligungen sollen damit ermöglicht werden. Es geht also nun nicht mehr darum, sich zu allgemeinen Grundsätzen zu bekennen, sondern um konkrete Ansprüche, die auch durchgesetzt werden können und um die Festlegung von Massnahmen, mit denen die Ziele erreicht werden sollen. Durch das vorgeschlagene Rahmengesetz könnte sich eine Verfassungsänderung – und damit eine Volksabstimmung – erübrigen, wenn die Initiative zurückgezogen wird. Die Initiantlnnen sind über die bisherige Entwicklung erfreut. «Das geht in richtige Richtung», meint Georg Mattmüller, der als Geschäftsleiter des Behindertenforums hinter der Gleichstellungsinitiative und der grossrätlichen Motion steht. Auch im Kanton Baselland wird die Initiative zurzeit in der Regierung ernsthaft diskutiert und das weitere Vorgehen besproche.

Neuland

Das vorgeschlagene Rahmengesetz heisst «Behindertenrechtegesetz». Es bildet, wie der Name sagt, den Rahmen, das heisst, es regelt die Umsetzung der kantonalen Behindertenpolitik durch allgemeinen Bestimmungen, durch die Festlegung der materiellen Grundsätze sowie der Rechtsansprüche. Es wird ergänzt durch konkrete Änderungen in den Bestimmungen der Spezialgesetzge. Inhaltlich orientierte man sich an den Vorgaben der Uno-Behindertenrechtkonvention, den Berichten zu deren bisherigen Umsetzung sowie den Gesprächen mit Behindertenorganisationen und Betroffenen. Dass Menschen mit Behinderung auf diese Weise mitbestimmen, ist noch Neuland. Ähnlich wie bei der Einführung des Frauenstimmrechts, werden viele Befürchtungen laut. Sogar von «Vorrechten» ist die Rede, obwohl es im besten Fall nur um gleiche Rechte geht.

Verhältnismässigkeit

Bei den Vorbehalten im Zusammenhang mit finanziellen Belastungen, werden immer wieder mögliche Forderungen aufgezählt, die von nun an vermeintlich durchgesetzt werden könnten. Die Verhältnismässigkeit resp. die wirtschaftliche Zumutbarkeit werden aber sowohl im lnitiatvtext als auch im Rahmengesetz explizit erwähnt. Nein, nicht jedes Restaurant muss eine Speisekarte in Braille-Schrift vorlegen und nicht jeder Coiffeur muss eine Gebärdedolmetscherin haben. Nebst der wirtschaftlichen Zumutbarkeit spielen u.a. auch die Grösse des Betriebs, die Art der angebotenen Leistung und die Ausweichmöglichkeit auf andere vergleichbare Leistungen eine Rolle. Menschen mit Behinderungen – und viele andere – werden barrierefreie Orte und zugängliche Einrichtungen nutzen und schätzen. Wer meint denn, sie würden die Altstadt einebnen lassen und einen gläsernen Lift auf den Münsterturm einfordern? Es geht um das Machbare und es geht vor allem um die Bereitschaft und die Offenheit, damit Ausgrenzung ein Ende nimmt und Inklusion möglich wird.