Etappensieg für die Gehörlosen in der Schweiz

(Solothurner Zeitung)

In der Schweiz leben rund 10 000 gehörlose Menschen. Eine Million ist leicht- bis hochgradig schwerhörig. Diese Menschen stossen im Alltag auf viele Hürden. Es geht beispielsweise um die Frage, ob die Invalidenversicherung die Kosten für Gebärdendolmetscher übernimmt, wenn Gehörlose etwa für Weiterbildungen oder am Arbeitsplatz auf solche angewiesen sind. Oder darum, dass gehörlosen Personen bei medizinischen Notfällen ein solcher Dolmet-scherzur Verfügung steht.«Stellen Sie sich vor: Sie sind im Spital und alle um Sie he-um sprechen Chinesisch» – so fasst der Schweizerische Gehörlosenbund die Situation zusammen.

Eine Verbesserung erhofft sich der Verband von der rechtlichen Anerkennung der drei Gebärdensprachen, die hierzulande existieren: Der Deutschschweizer Gebärdensprache,der Langue des Signes Française und der Lingua dei Segni Italiana. Heute wird die Gebärdensprache nur in den Kantonsverfassungen von Genf und Zürich erwähnt, eine Anerkennung auf nationaler Ebene kennt die Schweiz noch nicht – als eines der letzten Länder in Europa, wie der Gehörlosenbund festhält.

Dreimal häufiger arbeitslos

Parlamentarier von den Grünen, der SP und der CVP haben die Forderung des Gehörlosenbunds aufgenommen und im Juni gleichlautende Vorstösse eingereicht. Darin fordern die Politiker den Bundesrat auf, Möglichkeiten für eine rechtliche Anerkennung der drei Gebärdensprachen aufzuzeigen. An seiner vorletzten Sitzunghat der Bundesrat seine Bereitschaft dazu signalisiert.Er empfiehlt die Vorstösse zur Annahme – zur Freude des Gehörlosenbundes. Man hoffe nun auf eine Mehrheit im Nationalrat, damit die rechtliche Anerkennung und damit die bessere Integration der Gehörlosen Realität werde, sagt Sprecherin Sandrine Burger. Heute seiendie Lese- und Schreibkompetenzen der gehörlosen Personen aufgrund der Kommunikaionsbarrieren wesentlich niedriger als in der Gesamtbevölkerung – mit der Konsequenz, dass sie dreimal häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Im jüngsten Bericht des Bundesrates zur Situation von Menschen mit Behinderung ist von Verbesserungen in den letzten Jahren die Rede. So unterzeichnete die SRG 2017 eine Vereinbarung mit den Verbänden für sinnesbehinderte Menschen: Das Angebot an untertitelten Sendungen soll bis 2022 schrittweise auf 8o Prozent ausgebaut werden. Zu den konkreten Massnahmen, die mit der rechtlichen Anerkennung einhergehen müssten, gehören gemäss Gehörlosenbund-Sprecherin Sandrine Burger ein angepasster Empfang im Spital, Dolmetscher in der Schule oder politische Infor-mationen in Gebärdensprache.«Wir wollen einfach nicht, dass die Gebärdensprache offiziell anerkannt wird und sich danach im Alltag nichts ändert -wie das in manchen Ländern leider der Fall ist», sagt Burger.
Tobias Bär