ETH muss Behindertem 10000 Franken zahlen

(20 Minuten Zürich)


Die ETH wollte Jürg Brechbühl erst nicht zulassen. KEYSTON

 

Jürg Brechbühl musste sich die Zulassungan die ETH juristisch erkämpfen. Nun muss die Hochschule dafür zahlen.

Jürg Brechbühl ist Invalide. Bei einem fremdverschuldeten Autounfall erlitt er 1995 eine Hirnverletzung. Nach jahrelanger Rehabilitation schaffte der 55-Jährigeeinen Diplomabschluss als Biologe an der Universität Bern. Doch als er sich 2018 für ein Masterstudium ander ETH anmeldete, verweigerte sie ihm die Zulassung. «Ich fiel aus allen Wolken. Das ist diskriminierend. Die ETH verstösst bewusst und geplant gegen das Behindertengleichstellungsgesetz», sagt Brechbühl. Nun hat er einen Sieg er-rungen: Die ETH-Beschwerde-kommission entschied, dass die ETH ihn zum Studium zulassen und ihm 10 000 Franken Entschädigung bezahlen muss.Seit einigen Tagen ist Brechbühl immatrikuliert.

Über den Entscheid ist er froh: «Nicht jeder 2o-Jährige hat Geld für die Anwalts- und Verfahrenskosten oder Zeit, um sich das Studium zu erkämpfen. Ich will, dass es Jüngere leichter haben als ich.» Die ETH hatte die Ablehnung gegenüber der Kommission damit begründet, dass ein älteres Arztzeugnis Brechbühl nur eine Studierfähigkeit von zo Prozent zugestehe. Das Studium dauere damit länger als die Regelstudienzeit. Diese Prognose akzeptierte die Kommission nicht.

Die ETH hält trotz Urteil ander Argumentation fest, dass Brechbühl zu lange für das Studium hätte. Den Entscheid anfechten will sie aber dennoch nicht. Dass die ETH Behinderte diskriminiere, stimme nicht,sagt Sprecherin Franziska Schmid: «Die Vorwürfe sind haltlos.» Die Hochschule ermögliche vielen Menschen mit einer Behinderung ein Studium.
JENNIFER FURER/STEFAN EHRBAR


Jürg Brechbühl (55).

 

«Menschen Potenzial abzusprechen, ist falsch»

Herr Alijaj, was halten Sie vom Vorgehen der ETH?
Sie verletzt das Behindertengleichstellungsgesetz und handelt gegen die UNO-Behindertenrechtskonvention. Es liegt nicht an der Schulleitung zu entscheiden, was Studierende mit Behinderungen können. Es ist die Pflicht von Hochschulen,Rahmenbedingungen für den Nachteilsausgleich zu schaffen.

Ist das ein Einzelfall?
Nein. Hochschulen haben insbesondere mit gewissen Behinderungen in Kombination mit dem Alter der Studierenden ihre Mühe. Grundsätzlich einem Menschen Potenzial abzusprechen, ist falsch.

Was müssen Behinderte tun?
Sie müssen die Möglichkeiten einfordern. So müssen Hochschulen wie die ETH Flexibilität schaffen. Das kostet sie nicht sausser einem Eingeständnis.JEN/EHS
Islam Alijaj arbeitete am HGO-Bericht zur UNO Behindertenkonvention.