Fünf Tage Vorsprung bei der Stellenbewerbung

(Tages-Anzeiger)

Arbeitsmarkt Der Inländervorrang solle auch für Menschen mit Behinderungen gelten, fordern 30 Ständerät.

Seit Sommer 2018 erhalten Arbeitslose einen zeitlichen Vorsprung bei der Bewerbung auf bestimmte Stellen. Die Arbeitgeber müssen den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) offene Stellen für Berufsgruppen mit hoher Arbeitslosigkeit fünf Arbeitstage vor der öffentlichen Ausschreibung melden. Ziel ist es, dass möglichst viele Stellen durch inländische Arbeitskräfte besetzt werden.

Für Tausende Stellensuchende mit gesundheitlichen Problemen oder einer Behinderung gilt dieser Inländervorrang jedoch nicht. Diese Menschen würden heute kategorisch vom Inländervorrang ausgeschlossen, kritisiert SP-Ständerätin Pascale Bruderer. Dabei seien Menschen mit Behinderungen doppelt so oft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wie solche ohne ein Handicap. Bruderer verlangt deshalb mit einem Vorstoss, dass die IV-Stellen künftig zeitgleich Zugangzu den bei den RAV gemeldeten Stellen erhalten. «Denn es darf keine Rolle spielen, weshalb jemand auf Stellensuche ist. Auch die IV-Stellensuchenden müssen vom Inländervorrang profitieren.» Bruderers Motion wurde am Donnerstag eingereicht und von 30 Mitgliedern des Ständerats unterschrieben. Die Annahme der Motion durch beide Räte ist deshalb so gut wie sicher.Die IV versucht jährlich mehrere Zehntausend Menschen mit gesundheitlichen Problemen in den Arbeitsmarkt zu bringen oder ihren Arbeitsplatz zu erhalten.Das Prinzip lautet «Eingliederung vor Rente». Die IV verfügt dazu über eine eigene Arbeitsvermittlung. Sie hilft bei der Erstellung eines Bewerbungsdossiers oder bei der Vorbereitung auf Einstellungsgespräche.

2018 gelang es der IV, rund 21000 Personen im Arbeitsmarkt einzugliedern. Allerdings handelt es sich in zwei Drittel der Fälle um den Erhalt eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses, das aufgrund gesundheitlicher Probleme gefährdet war. An knapp 7000 Personen konnte die IV eine Stelle in einem neuen Unternehmen vermitteln.

Für Bruderer ist offen, wie die zeitgleiche Information der IV-Stellen künftig gewährleistet wird. Die beste Möglichkeit sei,dass die IV Zugang zu den Stellenplattformen der RAV erhalte und diese auf geeignete Stellen für ihre Klienten absuche. Die geltende Regelung sieht vor, dass die RAV den Arbeitgebern innert dreier Tage für die gemeldeten offenen Stellen Dossiers von Arbeitslosen zustellen.Die Arbeitgeber müssen dann «geeignete» Kandidaten zum Vorstellungsgespräch einladen. Bei Verstössen drohen Bussen von bis zu 40 000 Franken.

37 000 offene Stellen

Der Schweizerische Arbeitgeberverband begrüsst die Ausweitung des Inländervorrangs auf die IV-Stellensuchenden. Diesen biete sich so eine zusätzliche Chance auf einen Arbeitsplatz.Zudem könne ein wichtiges Potenzial ausgeschöpft werden,um den aufgrund der demografischen Entwicklung drohen den Arbeitskräftemangel zu reduzieren, sagt Martin Kaiser vom Arbeitgeberverband.

Ende Februar waren bei den RAV 37 000 offene Stellen gemeldet. Davon unterstanden 23 000 der Meldepflicht. Es handelt sich vor allem um Stellen in der Gastronomie und Hotellerie so wieder Baubranche. Zurzeit müssen offene Stellen für Berufsarten gemeldet werden, deren Arbeitslosenquote über 8 Prozent liegt.

Ab nächstem Jahr liegt dieser Schwellenwert bei 5 Prozent. Den sogenannten «Inländervorranglight» hat das Parlament zur Umsetzung der Zuwanderungsinitiative der SVP beschlossen. Wie erfolgreich die RAV bei der Vermittlung der inländischen Stellensuchenden sind, dazu liegt noch keine Auswertung vor.


Pascale Bruderer, AargauerSP-Ständerätin. Foto: Keystone