«Für Blinde ist das ein Desaster»

(Basellandschaftliche Zeitung)

Gleichstellung Caroline Hess-Klein von Inclusion Handicap über den Centralbahnplatz VON JONAS HOSKYN

Der Behindertendachverband Inclusion Handicap hat Einsprachegegen die Umbaupläne beim Basler Bahnhofsplatz erhoben. Was sinddie Gründe dafür?

Caroline Hess-Klein: Der Umbau berücksichtigt die Anliegen von Menschen mit einer Behinderung zu wenig.Bestehende Probleme werden nicht gelöst undes entstehen neue Benachteiligungen. Für die Betroffenen sind die Mängel gravierend,vor allem für Personen, die stark sehbehindert sind oder eine Gehbehinde-rung haben. Für eine blinde Person ist die Situation am Centralbahnplatz schon jetzt gefährlich und es bessert sich gar nichts.

Was konkret stimmt aus Sicht derBehindertenverbände nicht?

Wir kritisieren drei Punkte: So entspricht das Leitsystem für blinde Menschen, also die Markierungen am Boden, nicht den heutigen Standards, es hat Lücken. Der Übergang vom Perron zur Strasse ist mit einem Blinden stock nicht ertastbar. Dies ist sehr gefährlich.Dieses Problem gibt es bereits jetzt, gemäss den Plänen würde es auch nicht behoben. Weiter hat der geplante Um bau der Perrons zur Folge, dass beim langen Flexitytram bei der ersten und der letzten Türe der Abstand zum Perron deutlich zu gross und zu hoch ist.

Kann man sich da nicht auf den Standpunkt stellen, dass es genügend andere Türen gibt, die behindertengerecht sind?

Die eine Tür ist genau dort, wo blinde Personen warten. Das Aufmerksamkeitsfeld, mit denen sie sich mit dem Blindenstock orientieren, führt sie direkt zur Tür mit dem breiten Spalt.Kommt hin zu, dass man von den klaren Vorgaben des Behindertenrechtsohnehin nur abweichen darf, wenn überwiegende Gründe dafür sprechen.Etwa wenn es technisch nicht machbarist. Es ist uns bewusst, dass die Situa-tion mit den Tramkurven am Central-bahnplatz diese Abstände erschwert.

Aber es ist überhaupt nicht klar, ob die Verantwortlichen überhaupt nach Lösungen gesucht haben. Wir sind der Ansicht, dass hier noch Spielraum vorhanden ist, um die Situation zu verbessern.

Wie gravierend sind diese Kritik-punkte?
Muss man nun in Baselnochmals ganz von vorne anfangenoder lässt sich das ohne grössereUmstände anpassen?

Die Massnahmen, die wir in unsererEinsprache fordern, sind mit verhältnismässig einfachem Aufwand zu realiseren. Die Verbesserungen für Blindesind alles Punkte, die man problemlos anpassen kann, ohne dass das Projekt verzögert wird. Die Einsprache ist vielmehr die Konsequenz, dass man sich bisher zu wenig mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat. Aber ich bin zuversichtlich, dass man nun eine pragmatische und gute Lösung findet.

In Basel hofft man offenbar darauf,dass man noch rechtzeitig eine Einigung findet und Inclusion Handicapdie Einsprache zurückzieht. Wie sehen Sie das?

Wenn Lösungen in verbindlicher Form auf dem Tisch liegen, gibt es für uns keinen Grund mehr, die Einsprache aufrechtzuerhalten. Im Moment ist das noch nicht passiert. Aber der Wille beiden BVB ist offenbar da.

Die Verantwortlichen in Basel, namentlich das Bau- und Verkehrsde-partement und die BVB, betonen regelmässig, dass sie im Austauschmit den Behindertenverbänden stehen. Warum wurden diese Fragennicht früher geklärt?

Wenn ich mir das vorliegende Projekt anschaue, ist klar, dass keine Fachleute aus dem Behindertenwesen ernsthaft miteinbezogen worden sind. Sonst hätte man nun sicher das Desaster mit den fehlenden Markierungen für sehbehinderte Personen nicht.


Hätte man eine Lösung finden kön-nen, wenn man früher auf Sie zugekommen wäre?

Ganz klar. Hätte man uns zu einem frühen Zeitpunkt kontaktiert, hätten vielePunkte problemlos berücksichtig werden können, wegen denen wir nun Ein-

BAUBEWILLIGUNG

Bund fordert Antworten vom Kanton

Das Bundesamt für Verkehr(BAV) will vom Tiefbauamtund den BVB Antworten zuderen Praxis im Zusammenhang mit Bauarbeiten am Tramnetz und der Infrastruktur. Bis anhin wurden in Basel Bauprojekte, welche den Ersatz der Tramschienen und die Anpassung derHaltestelle an das Behindertengleich-stellungsgesetz betrafen, mit einer kantonalen Baubewilligung und auch ohne kantonale Planauflage bewilligt. Entsprechend gab es für Betroffenekeine Möglichkeit für Einsprachen. Beim Grossprojekt Centralbahnplatz aber intervenierte das Bundesamt für Verkehr und verlangte ein Plangeneh-migungsverfahren. Nun will das BAV die Basler Praxis überprüfen und abklären, ob weitere Tramhaltestellen ohne korrekt ausgestellte Baubewilligung umgebaut wurden. «Falls dem sowäre, würde das BAV die weiteren Schritte abklären», so ein Sprecher.Grundsätzlich sei für Arbeiten im Bereich Tram eine Plangenehmigung des BAV notwendig. Wenn der nicht-eisen-bahnrechtliche Teil überwiegt, könneaber auch der Kanton die Bewilligungausstellen. (HYS)