Gratislieferungen durch Freiwillige

(Neue Zürcher Zeitung)

Um Risikogruppen zu versorgen,gehen Detailhändler neue Wege

NATALIE GRATWOHL

Ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen sollten daheimbleiben.Andere stehen unter Quarantäne oder können aus gesundheitlichen Gründen das Haus nicht verlassen. Für manche kaufen Familie, Freunde und Nachbarn ein. Die Lebensmittel zu bestellen, ist für die Betroffenen kurzfristig keine Alternative. Die Online-Shops haben massive Lieferschwierigkeiten.

Wie gehen Online-Shops wie Le-Shop, Coop@home oder Farmy vor, damit die Risikogruppen trotzdem mit Lebensmitteln versorgt werden? Farmy bietet für besonders gefährdete Menschen zusätzliche Liefertermine an. Um sicherzustellen, dass die priorisierten Liefertermine tatsächlich nur von Kunden genutzt werden, die einer Risikogruppe angehören, muss ein Nachweis erbracht werden. Das können Bilder sein, ein Ausweis oder andere Erklärungen. Die Belege werden laut Farmy streng vertraulich behandelt und nicht lokal gespeichert. Für die Migros und Coop kommt ein solches Vorgehen dagegen nicht infrage. Coop verweist darauf, aus Personenschutzgründen keine Informationen über den
Gesundheitszustand einzuholen. Bei der Migros heisst es, das Alter wäre zwar technisch prüfbar, aber für alle anderen Risikogruppen und Personen in Quarantäne sei dies unter anderem aus Überlegungen des Datenschutzes nicht möglich. Die Online-Shops decken in der Schweiz nur einen kleinen Anteil des Umsatzes mit Lebensmitteln ab. 2019 waren es weniger als 3%.

Junge sind gefragt

Um die Versorgung von Risikogruppen sicherzustellen, arbeitet im Tessin der kantonale Krisenstab mit Organisationen wie Pro Senectute, dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK), Pro Infirmis,der Spitex, Nachbarschaftshilfen und Gemeinden zusammen. «Diese Zusammenarbeit funktioniert sehr gut», sagt Peter Burri Follath, Leiter Kommunikation bei Pro Senectute Schweiz. Ähnlich funktioniert die Zusammenarbeit in anderen Kantonen. Viele Organisationen stehen dabei vor einer grossen Herausforderung. Rund ein Drittel derjen-gen, die bisher Freiwilligenarbeit geleistet hätten, seien selber im Pensionsalter,sagt Thomas Hauser, Geschäftsleiter der Dachorganisation der Benevol-Fachstellen für freiwilliges Engagement. Gefragt ist deshalb die Unterstützung durch die Jungen. «Viele junge Menschen, besonders jene, die derzeit keine Arbeit haben,melden sich freiwillig», sagt Hauser.

Daneben sind zahlreiche Initiativen entstanden und haben zum Teil grossen Zulauf. Sie organisieren sich über Facebook-Gruppen, Whatsapp-Chats oder sonstige Online-Plattformen. Zentral ist dabei allerdings, dass die Zielgruppe von den Angeboten erfährt. Deshalb haben auch im Internetzeitalter Aushänge im Quartier nicht ausgedient.

Initiativen der Grossverteiler

Die Grossverteiler Migros und Coop setzen ebenfalls auf Freiwillige und haben entsprechende Initiativen für Gratislieferungen an Risikogruppen ins Leben gerufen. Bei Coop können Kunden ab 65 Jahren Lebensmittel und Hygieneprodukte bestellen, die ihnen freiwillige Helfer des SRK und anderer Partner kostenlos nach Hause liefern. Diese Dienstleistung gibt es vorerst in Bern,Olten, Zürich und Lausanne.

Die Migros bietet seit dieser Woche in Zusammenarbeit mit Pro Senectute kostenlose Lieferungen für Risikogruppen an. Nicht nur Ältere, sondern auch Menschen mit Vorerkrankungen oder Personen, die sich momentan in Quarantäne oder Selbstisolation befinden, können Bestellungen aufgeben. Freiwillige,die sich auf der Plattform registrieren,bringen ihnen die Waren nach Hause.Dafür lässt die Migros die Technologie von Amigos aufleben. Der Heimlieferdienst war 2019 eingestellt worden.