INCLUSION HANDICAP: WILLKÜRLICHE IV-GUTACHTEN STOPPEN

(Forte / Schweizerische MS-Gesellschaft)

 

Marc Moser, Kommunikationsverantwortlicher von Inclusion Handicap, spricht Klartext:«Die Missstände bei den medizinischen Gutachten der Invalidenversicherung (IV) sinderheblich, die Qualität vereinzelt schludrig». Der Verband Inclusion Handicap, in dem auch die MS-Gesellschaft Mitglied ist, hat eine Meldestelle für Opfer von willkürlichen IV-Gutachten eingerichtet. Im folgenden Artikel nimmt er Stellung.

Medizinische Gutachten sind wichtige Instrumente, um den Anspruch auf IV-Leistungen abzuklären. Nur teilweise stellt die IV auf die Einschätzung der behandelnden Ärztinnen ab,die ihre Patienten seit Jahren betreuen und gut kennen. In vielen anderen Fällen holt sie externe medizinische Gutachten ein,um abzuklären, wie hoch die Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person ist. Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden. Nur sieht die Realität auch mit Gutachten nicht immer objektiv und unabhängig aus. Denn immer wieder erhalten dieselben Institute und Ärztinnen von der IV Aufträge in Millionenhöhe zugeschanzt. Der Verdacht liegt nahe, dass diese als «Gegenleistung» die Arbeitsfähigkeit der Versicherten systematisch zu hoch einschätzen. Schliesslich muss die IV sparen. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) hat gar mit einigen IV-Stellen Ziele vereinbart, damit die Anzahl ausbezahlter Renten gesenkt werden oder zumindest nicht steigen sollen. Diese Quotenziele widersprechen eklatant dem Versicherungsprinzip: Es wird nicht mehr immer seriös geprüft, ob jemand Anrecht auf die Versicherungsleistung hat.

Keine Transparenz und willkürliche IV-Guthaben

In der täglichen Arbeit der Rechtsberatung von Inclusion Handicap fallen schon seit einiger Zeit zweifelhafte und tendenziöse Gutachterinnen und Gutachter auf. Immer wieder gelangen auch einzelne Fälle an die Öffentlichkeit. Ende 2019 machte der «Blick» einige haarsträubende Machenschaften publik:

– Ein Gericht stellte bei einem Gutachter «gewisse Fehlleistungen» fest. Er erhielt jedoch weiterhin Aufträge von der IV über insgesamt 3.1 Millionen Franken.

– Ein Gutachter hat in 16 Gutachten identische Texte verwendet und dabei jeweils 100 Prozent Arbeitsfähigkeit attestiert.

– Ein Gutachter schreibt Patienten trotz schweren Depressionen zu 100 Prozent arbeitsfähig. Eine Patientin begeht späterSuizid. Der Gutachter erhielt von der IV Aufträge über insgesamt 1.9 Mio. Franken.

– Ein Gutachter glaubt nach eigenen Angaben an Wunder heilung, erhält aber dennoch immer wieder Aufträge vonder IV. Für das Verfassen der Gutachten lässt er sich mehr Zeit als erlaubt. Die Patientin und ihre Familie kommen infinanzielle Nöte.

Licht ins Dunkle bringen

Bundesrat Alain Berset hat daraufhin angekündigt, die Missstände untersuchen zu lassen. Inclusion Handicap unterstützt dies. Der Dachverband hat am 28. Februar eine Meldestelle eingerichtet. Damit soll das Bild geschärft werden, welche Probleme wie häufig vorkommen. Hat der Gutachter etwa eine Diagnose nach 20 Minuten gestellt? Unterschied sie sich von derjenigen des behandelnden Arztes? Hat der Gutachtersich für die Anforderungen an den Beruf oder die letzte Stelle interessiert? Die Erkenntnisse sollen in die politische Arbeit einfliessen, mit dem Ziel, die Situation zu verbessern.

Wichtiger Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass die Meldestelle keine rechtliche Beratung ist. Rechtskräftig beurteilte Fälle können in der Regel nicht wiederaufgerollt werden. Sofern Sie eine Rechtsberatung wünschen, kann die MS-Gesellschaft Ihnen die Adressen geeigneter Rechtsanwälte und Rechtsdienste vermitteln.

Text/Bild: Marc Moser,Kommunikationsverantwortlicher Inclusion Handicap