Kinderrente soll sinken-und den Namen verlieren

(Tages-Anzeiger)

Bürgerliche verlangen eineUmbenennung in «Zusatzrente für Eltern».
Fabian Renz

Um die Kinderrente in der Invalidenversicherung (IV) wird gleich auf mehreren Ebenen gestritten.Da geht es einmal um konkrete Beträge. Wer Geld von der IV er-hält und ein Kind grosszieht, hat heute Anspruch auf einen Zustupf in Höhe von 40 Prozent der Rente. Der Nationalrat will diesen Anteil nun auf 30 Prozent herunterkürzen. Bei einer vollen IV-Rente entspricht dies einem Rückgang von 948 auf 711 Franken. Den entsprechenden Entscheid traf der Nationalrat im März, der Ständerat lehnte die Kürzung später allerdings ab.Nun geht der Zwist in eine neue Runde: Die Sozial- und Gesundheitskommission (SGK) des Nationalrats hält am Sparkurs fest,wie sie diesen Freitag mitteilte.

Gestritten wird aber auch darüber, ob die Kinderrente weiterhin Kinderrente heissen soll. Die bürgerliche Mehrheit wünscht sich nämlich eine Umbenennung:«Zusatzrente für Eltern» soll der neue Name sein, wie es in der SGK-Mitteilung heisst. Hinter der vorgeblichen Formalie versteckt sich ein durchaus politischer Disput. Denn sollte irgendwann einmal das Volk über die Rentenkürzung entscheiden müssen, könnte der Name abstimmungstaktisch bedeutsam werden. «Kinder stossen in der Bevölkerung immer auf besonders viel Verständnis»,sagt Alex Fischer von der Behindertenorganisation Procap. «Die Vermutung liegt deshalb nahe,dass mit der Begriffsänderung der Boden für eine Kürzung dieser Renten gelegt werden soll.»

Weg mit Emotionen?
Die Basler SP-Nationalrätin Sil-via Schenker vermutet dasselbe.Sie führt die linke Minderheit inder SGK an, die sich gegen die Umbenennungwehrt.«Die Massnahme würde einen unglaublichen Aufwand verursachen», sagt Schenker. «Jede Pensionskasse müsste ihr Reglement ändern, jedes Merkblatt, jede Website zu diesem Thema müsste angepasst werden – ohne dass irgendein ausgewiesener Nutzen ersichtlich wäre.» Der Antrag werde ausgerechnet von jenen unterstützt, die sich sonst stets gegen Bürokratie wehrten, kritisiert Schenker. Sie sieht dafür nur ein plausibles Motiv: Die Bürgerlichen wollten die Kinder-rente «ent-emotionalisieren»,indem sie dieser einen technokratischen Namen verpassten.

Thomas de Courten, Baselbieter SVP-Nationalrat und SGK-Präsident, widerspricht dem Vorwurf. «Es geht nicht um Abstimmungstaktik,sondernm um begriffliche Kohärenz.» Der Titel Kinderrente sei irreführend: Es handle sich nicht um eine Rente für behinderte Kinder, sondern für IV-berechtigte Eltern. Überdies komme der Begriff Kinderrente auch in anderen Zusammenhängen vor, etwa im AHV-Gesetz. Die Umbenennung der IV-Kinderrenten mache daher auch Sinn, um ein begriffliches Durcheinander zu vermeiden.

Hoffen auf den Ständerat
Der Nationalrat hatte sich bereits im März für eine Namensänderung ausgesprochen: «Zulagen für Eltern» war damals der neue Vorschlag. Der Ständerat verwarf die Umtitulierung aber ebenso wie die Kürzung der Beträge. Da der Begriff «Zulage» aus verschiedenen Gründen als ungeeignet erachtet wird, rückt nun auch die nationalrätliche SGK davon ab. An einem neuen Namen hält die Kommission aber fest.Ob «Zusatzrente für Eltern» mehrheitsfähig ist, wird sich erst im neu gewählten Parlament zeigen. Bei Procap hofft man, dass zumindest der Ständerat auf Kurs bleibt und sowohl die Sparmassnahmen wie auch die Umbenennung verwirft. «Wenn der Nationalrat eine semantische Diskussion führen will, dann müsste man auch über Begriffe wie Invalidenversicherung und Invalidenrente diskutieren», sagt Procap-Mitarbeiter Fischer.