Konflikt um barrierefreies Bad

(Thurgauer Zeitung)

Rorschach Die gehbehinderte Ruth Brunner parkiert seit 28 Jahren vor der Badhütte. Damit ist sie nicht allein. Die Stadt toleriert das nicht. Deswegen überlegt sich die 72-Jährige rechtliche Schritte. Helfen kann auch Procap nicht.


Wer nicht gut zu Fuss unterwegs ist, schätzt die kurzen Wege zwischen WC, Garderobe und Seeeinstieg. Bild:Reto Martin (7. August 2015)

 

Jolanda Riedener
jolanda.riedener @tagblatt.ch.ch

Die Stadt Rorschach macht keine Ausnahme mehr für gehbehinderte Personen, die vor der Badhütte parkieren: Auf der Seepromenade, die ausschliesslich Velofahrern und Fussgängern dient, gilt Fahrverbot. Lediglich mit einer Bewilligung, wie sie Zulieferer des Seecafes Arion oder der Badhütte erhalten, ist die Zufahrt erlaubt. Eine an Multiple Sklerose (MS) erkrankte Frau, die während über zehn Jahren regelmässig die Badhütte besuchte, äusserte sich darauf gegenüber unserer Zeitung (Ausgabe vom 9.August).

Bisher sei es ihr möglich gewesen, ihr Auto dort für wenige Stunden abzustellen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Dies auch, weil sich die frühere Pächterin für sie eingesetzt habe. Marialuisa Togni leitete die Badhütte während zwölf Jahren. Die Rorschacherin ist passionierte Schwimmerin und ebenfalls an MS erkrankt.

Sie selber könne den Weg zur Badhüte zu Fuss mit Krücken bewältigen. Für die neue Handhabe der Stadt zeigt sie aber kein Verständnis: «Das Wasser ist ein Geschenk, man fühlt sich schmerzfrei und kann sich unbeschwert bewegen», sagt Togni. Dank eines Sponsors hätte sie sogar einen Sitzlift für Gehbehinderte in der Badhütte bauen können. Der Denkmalschutz sei involviert gewesen. «Der Sponsor hätte 50 000 Franken gezahlt, für die Stadt wären keine Kosten entstanden.» Diese habe das Angebot aber abgelehnt, in Sorge darum, dass mehrere Fahrzeuge vor der Badhütte parkieren würden.

Eine weitere gehbehinderte Badhütte-Besucherin ist die 72-jährige Ruth Brunner. Sie wohnt eben falls in Goldach. Ihre rechte Körperhälfte ist gelähmt. Im Gegensatz zur MS-kranken Besucherin sei sie bereits im Juli 2017 von der Stadt in einem Schreiben darüber informiert worden, dass sie nicht mehr vor der Badhütte parkieren dürfe. Im besagten Schreiben an Ruth Brunner heisst es, dass die Parkierungserleichterung für Gehbehinderte auf der Promenade nicht gelte, wie weitere Abklärung bei der Kantonspolizei St. Gallen zeigten.

Soziale Kontakte in der Badhütte pflegen

Nach 28 Jahren, in denen die 72-Jährige die Badhütte besuche, habe sie den Entscheid der Stadt nicht akzeptieren können. «Ich kann besser Schwimmen als laufen», sagt Brunner. Sie wolle, so gut es geht, selbstständig bleiben. Die Badhütte sei der einzige Ort, wo das möglich sei und sie schwimmen könne. «Im Wasserfühle ich mich so wohl und frei», sagt die Goldacherin. In der Badhütte habe sie auch ein soziales Umfeld: «Wir sind eine grosse Familie.»

Deshalb habe sie sich mit der Stadtverwaltung in Verbindung gesetzt. Ein Bekannter habe sie dabei unterstützt. Aus Brunners Sicht verlief das Gespräch mit einem Vertreter der Stadt ergebnislos. Der Stadtpräsident habe sie gar nicht erst anhören wollen.Deshalb habe Brunner erwähnt, dass sie allenfalls rechtliche Schritte unternehmen wolle.

«Die Haltung des Stadtrats ist klar», sagt Stadtpräsident Thomas Müller. Daran würden auch Drohungen nichts ändern. Wir können die Zufahrt sowie das Parkieren vor der Badhütte nicht tolerieren», sagt Müller. Ausserdem gebe es Alternativen. Selbst Behindertenorganisationen würden Verständnis für die Situation und den Entscheid der Stadt Rorschach zeigen.

Ruth Brunner kontaktierte schliesslich im September 2017 Procap, den grössten Mitglieder-verband von und für Menschen mit Behinderungen der Schweiz. Dieser habe anschliessend die rechtliche Situation vor Ort geprüft und trat mit der Stadt in Kontakt. «Juristisch ergab sich keine Möglichkeit, gegen den Entscheid der Stadt Rorschach vorzugehen», bestätigt Geschäftsleiter Hansueli Salzmann. Dies habe sein Vorgänger Roland Eberle Ruth Brunner damals mit-geteilt. «Wir bedauern das sehr», sagt Salzmann.

Ruth Brunner kann sich nicht vorstellen, wer sich daran störe, wenn sie ab und zu für ein paar Stunden ihr Auto vor dem historischen Bad parkiere. Schliesslich habe sie in denvielen Jahren stets darauf geachtet, den Durchgang für andere Fahrzeuge freizuhalten. Brunner und ihr Bekannter hätten sich immerhin einen Kompromiss oder einen Runden Tischerhofft. Ihre Kolleginnen treffe sie seither nicht mehr häufig. «Alle fragen mich: »