Reform der Ergänzungsleistungen

(Wohnwirtschaft HEV Aargau)

Die zunehmende Lebenserwartung und die steigenden Kosten für Pflege und Betreuung älterer und behinderter Menschen haben dazu geführt, dass die Zahl der Bezüger von Ergänzungsleistungen zwischen 2000 und 2018 um rund 60 Prozent gestiegen ist und die Ausgaben sich mehr als verdoppelt haben, auf jährlich fünf Milliarden Franken.


Roger Seiler Rechtsanwalt und Notar, Fricker Seiler Rechtsanwälte.Wohlen und Muri

 

Aufgabe der Ergänzungsleistungen ist die Existenzsicherung für Personen, die eine AHV- oder eine IV-Rente beziehen und ihren Lebensunterhalt nicht mit eigenen Mitteln bestreiten können. Gedeckt wird die Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben zur Deckung eines minimalen Lebensunterhaltes und den anrechenbaren Einnahmen, wobei auch das Vermögen berücksichtigt wird. Die Ergänzungsleistungen sind Teil des Versicherungsschutzes aus den AHV/IV-Lohnabzügen und klar zu unterscheiden von Sozialhilfe.Dem Grundsatz nach sind Ergänzungsleistungen deshalb auch nicht zurückzubezahlen.

Wichtigste Massnahmen

Unter den aus der Rente zusammen mit den Ergänzungsleistungen zu deckenden Grundbedarf fallen natürlich die Wohnkosten. Die maximal zu berücksichtigenden Mietzinsen werden den heutigen Gegebenheiten angepasst und es werden neu gesamtschweizerisch drei Regionen (Grosszentren, Stadt und Land) unterschieden. Diesem Leistungsausbau stehen neu geringere Beiträge für Kinder und eine höhere prozentuale Anrechnung des Einkommens des nichtrentenberechtigten Ehegatten gegenüber. Weiter werden nur noch die effektiven Krankenkassenprämien und die effektiv in Rechnung gestellten Heimtaxen berücksichtigt, unabhängig von Durchschnittswerten. Ein zentrales Anliegen der Reform liegt schliesslich darin, das eigene Vermögen des Versicherten noch stärker zu berücksichtigen bzw. anzuzapfen.

Vermögen stärker berücksichtigt

Künftig sollen nur noch Personen miteinem Vermögen von weniger als
Fr. 100’000.- Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben. Für Ehepaare liegt diese Schwelle bei Fr 200’000.-.für Waisen bei Fr. 50’000.-. Dabei wird der Wert von selbstbewohntem Wohneigentum ausdrücklich nicht berücksichtigt.

Abgesehen von dieser Vermögensschwelle,über der jeglicher Anspruch auf Ergänzungsleistungen ausgeschlossen ist, wird bei der Berechnung des tatsächlichen Anspruchs auf EL das Vermögen herangezogen. Dabei wird vom Versicherten erwartet,jährlich einen Fünfzehntel (Invalidenrentner) bzw. einen Zehntel (Altersrentner)seines Vermögens zu verbrauchen. Für Personen, die im Heim oder Spital leben, kann dieser Vermögensverzehr vom Wohnkanton sogar auf einen Fünftel des Nettovermögens erhöht werden. Ausgeklammert wird dabei ein Freibetrag, der mit der Reform ebenfalls reduziert wird, nämlich auf Fr. 30’000.- für Alleinstehende bzw. aufFr. 50’000.- für Ehepaare. Um Wohneigentum zu schützen, wird zudem für selbstbewohnte Liegenschaften ein Freibetrag von Fr 112’500.-.gewährt, wenn ein Ehegatte im Heim oder Spital und der andere im Eigenheim lebt sogar Fr. 300’000.-.

Gerade bei der Überlegung, ob Wohneigentum lebzeitig auf Nachkommen übertragen werden soll, gilt es zu beachten, dass auch ein freiwilliger Vermögensverzicht zu einer Rentenkürzung führen kann. Wer Vermögenswerte ohne Rechtspflicht oder ohne gleichwertige Gegenleistung veräussert, dem wird der Wert dieser Schenkung als Reinvermögen angerechnet, so dass dann massive Kürzungen bei einem Ergänzungsleistungsanspruch resultieren können. Neu wird der Begriff des Vermögensverzichts zudem auf Fälle ausgedehnt, in denen ein grosser Teil des Vermögens innerhalb von kurzer Zeit verbraucht worden ist. Gibt eine Person mit einem Vermögen über Fr. 100’000.- nämlich innerhalb eines Jahres mehr als 10 Prozent dieses Vermögens aus, so gilt der Betrag,der diese 10 Prozent übersteigt, als Vermögensverzicht. Liegt das Vermögen unter Fr.100’000.-, so gelten Auslagen über Fr. 10’000.- pro Jahr als anrechenbarer Vermögensverzicht. Schon wer sich ein neues Auto oder einen Küchenumbau leistet, riskiert also, Kürzungen bei den Ergänzungsleistungen hinnehmen zu müssen.

Auch die Erben sind betroffen

Unter dem Titel Rückerstattung rechtmässig bezogener Leistungen sieht das revidierte Ergänzungsleistungsgesetz vor,dass nach dem Tod der Bezügerin oder des Bezügers Ergänzungsleistungen aus deren Nachlass zurückzuerstatten sind. Dabei wird ein Freibetrag von Fr. 40’000.- gewährt und bei Ehepaaren gilt die Rückerstattungspflicht erst im Nachlass des Zweitverstorbenen.

Diese Regelung geht sehr weit, können doch damit rechtmässig ausgerichtete Versicherungsleistungen zurückgefordert werden und zwar für die letzten zehn Jahre vor dem Tod. Betroffen ist das gesamte Erbe, as den Sockelbetrag von Fr. 40’000.-übersteigt. Immerhin kann diese Bestimmung also nicht dazu führen, dass die Erben eine überschuldete Erbschaft antreten.Zudem wird der Anspruch bis zum Tod des überlebenden Ehegatten gestundet, so dass niemand aus dem Nachlass des verstorbenen Ehepartners Ergänzungsleistungen zurückerstatten muss.

Inkrafttreten und Übergangsfrist

Der Bundesrat hat beschlossen, die EL-Reform auf den 1. Januar 2021 in Kraft zu setzen. Wer durch die Neuerungen eine Kürzung des Anspruchs erleidet, dem wird für eine Übergangsfrist von drei Jahren der bisherige Betrag ausbezahlt. Rückerstattungspflichtig sind die Erben für Ergänzungsleistungsbezüge ab 2021 und ab diesem Datum gelten auch die verschärften Bestimmungenzum Vermögensverbrauch. Wer EL bezieht und eine grössere Investition plant, sollte dies also noch im laufenden Jahr tun.