Schwierige Voraussetzungen für barrierefreie Fern-und Reisebusanlagen

(Strasse und Verkehr)

Die Barrierefreiheit ist auch bei Fern- und Reisebusanlagen ein intensiv diskutiertes Thema.Doch mit deren Umsetzung steht die Schweiz noch am Anfang – obwohl der Fernbusverkehr grundsätzlich dem öffentlichen Verkehr gleichgesetzt ist und somit die Bestimmungen des Schweizer Behindertengleichstellungsgesetzes(BehiG) erfüllen müsste.

Eigentlich ist kaum eine Reise- oder Fernbusanlage in der Schweiz barrierefrei ausgerüstet. Deshalb müsse die Umsetzung der Barrierefreiheit von Reise- und Fernbusanlagen von allen beteiligten Akteuren vorangetrieben werden, forderten an der VSS-Fachtagung verschiedene Referenten. Das wird eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, zumal der Fernbusverkehr zum konzessionierten öffentlichen Verkehr zählt und deshalb hohe Anforderungen an die Umsetzung der Barrierefreiheit erfüllen muss. Deshalb muss bei der Anlagenplanung zwischen den Marktsegmenten Reisebus- und Fernbusverkehr unterschieden werden, da die rechtlichen Vorgaben unterschiedlich sind. Kommt hinzu, dass im Fernbusverkehr zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben des Bundesamts für Verkehr der Einsatz von Niederflurfahrzeugen erforderlich ist. Derzeit werden jedoch mehrheitlich Hochflurfahrzeuge mit Hublift eingesetzt. Zudem ist es aufgrund der örtlichen Platzverhältnisse oft sehr schwierig, jede Haltekante barrierefrei auszurüsten. Für Fahrzeuge mit Hebeplattformen ist beispielsweise eine freie Fläche von 3,4 Meter seitlich des Fahrzeugs erforderlich.

Der Leitfaden VSS 40304 empfiehlt für eine optimale Flexibilität für jede Halteposition sowohl die Voraussetzungen für den autonomen Einstieg in Niederflurfahrzeuge als auch die Manövrierfläche für die Nutzung eines Hublifts zu erfüllen.Ist dies nicht gewährleistet, muss die Anzahl an Haltepositionen für Niederflur- und für Hochflurfahrzeuge festgelegt und mit einem Betriebskonzept aufgezeigt werden, wie die einzelnen Haltepunkte genutzt werden sollen.

Im Reisbusverkehr kann zum heutigen Zeitpunkt davon aus-gegangen werden, dass auch längerfristig Hochflurfahrzeuge eingesetzt werden. Sind die für die Nutzung des Hublifts erforderlichen Manövrierflächen gegeben, werden die gesetzlichen Vorgaben damit erfüllt. Anlagen, welche vom Reise-und Fernbusverkehr gemeinsam genutzt werden, müssen die Anforderungen für den öffentlichen Verkehr erfüllen,soweit die Anlagenbereiche nicht für die beiden Marktse-mente getrennt sind.


Bus-Haltekante für den autonomen Einstieg in einen Niederflurbus. Einstieg per Hublift in einen Eindecker-Bus (Fotos: rbs.ch /bvb.netl.

 

NACHGEFRAGT
bei
Eva Schmidt
Leiterin Fachstelle fur hindernisfreie Architektur


Eva Schmidt

 

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation bezüglich Barrierefreiheit beim Reise- und Fernbusverkehr inder Schweiz?

Eva Schmidt: Fernbusangebote ermöglichen Menschen mit Behinderung,auch mit kleinem Budget zu reisen.Sie sind vor allem interessant, wenn sie Ziele verbinden, die mit de rBahn nur mit mehrmaligem Umsteigen erreichbar sind.Heute muss eine behinderte Person erst umständliche Abklärungen treffen, um eine Reise zu planen. Ein kurzfristiger und spontaner Reise-antritt wird mit der steigenden Anzahl an Niederflurbussen jedoch immer einfacher. Für die Teilnahme an Reisebusangeboten müssen sich in der Regel alle anmelden. Menschen mit Behinderung und ihre Mitreisenden brauchen jedoch bei jedem Zwischenhalt viel Geduld beim Ein- und Aussteigen aus den Hochflurfahrzeugen.

Fernbusse sind Teil des ÖV. Ist esrealistisch, dass diese hohen Anforde-rungen bezüglich Barrierefreiheiterfüllt werden?

Die Anforderungen sind nicht höher als für den Nahverkehr. Dort zeigen die Erfahrungen, dass ein barrierefreier Zugang an den meisten Orten umsetzbar ist, wenn hohe Haltekanten rechtzeitig in die Planung einbezogen werden.

„Der Leitfaden gibt wichtige Informationen, damit die Barrierefreiheit rechtzeitig in der Planung berücksichtigt wird“

Busse mit Niederflureinstieg haben zudem grosse Vorteile beim Fahrgastwechsel, Zeitgewinn, Zugänglichkeit für ältere Menschen und Familien und werden sich auch im Fernbusangebot durchsetzen.

An der Tagung wurde von zahlreichen Anlagenbetreibern darauf hingewiesen, dass es die Platzverhältnisse oft gar nicht erlauben, die Barrierefreiheit zu gewährleisten. Sind auch Kompromisse möglich?

Das Angebot an Haltekanten ist bei Terminals immer durch die verfügbare
Fläche begrenzt. Im Unterschied zu Busbahnhöfen des ÖV-Nahverkehr ist einzig die Nachfrage schwieriger zu steuern, da mehr Anbieter im Spiel sind. Es ist Aufgabe bei der Standortwahl, geeignete Flächen zu finden. Werden Kompromisse eingegangen,z.B. nicht alle Haltekanten für den autonomen Ein- und Ausstieg dimensioniert, reduziert dies die Flexibilität der Anlage,was die Zuweisung der Fahrzeuge an geeignete Kanten erschwert.

Sie haben als Mitglied der Begleitkommission die Erarbeitung des Leitfadens begleitet. Wurde die Barrierefreiheit in genügendem Masse berücksichtigt?

Der Leitfaden legt die Anforderungen an die Hindernisfreiheit detailliert dar und gibt wichtige und gute Informationen damit diese rechtzeitig in der Planung berücksichtigt werden. Schon bei der Auslegung der Flächen und Zufahrten muss die Barrierefreiheit der Anlagen einbezogen werden. (Interview: Rolf Leeb)