Sozialdetektive bleiben nun doch anonym

(Neue Zürcher Zeitung)

Bundesrat Alain Bersets Vorschläge im Kampf gegen Sozialbetrüger stehen in der Kritik.


Bürgerliche Politiker halten die Sicherheit von Sozialdetektiven für gefährdet, wenn deren Namen bekannt sind KARIN HOFER / NZZ

 

FABIAN SCHÄFER, BERN

Vor der Abstimmung über Sozialdetektive stellte der Bundesrat ein öffentliches Register mit allen Ermittlern in Aussicht. Nun krebst er zurück. Die bürgerlichen Sozialpolitiker verlangen noch weitere Korrekturen.

Die Debatte um verdeckte Observationen durch Sozialversicherungen beginntvon neuem. Letzten November hiess das Volk eine neue gesetzliche Grundlage gut, dank der vor allem die IV und die Suva wieder Detektive einsetzen können, wenn sie den Verdacht haben, dass jemand unrechtmässig Leistungen bezieht. Vor der Abstimmung wurde primär darüber gestritten, an welchen Orten mutmassliche Betrüger gefilmt werden dürfen. Nun geht es vor allem um dieFrage, welche Anforderungen Sozialdetektive erfüllen müssen, um eine Bewilligung des Bundes zu erhalten.

Die Regeln dazu wird der Bundesrat in einer Verordnung festlegen. Deren Entwurf hat Sozialminister Alain Berset (sp.) bereits letzten Herbst veröffentlicht und in eine Vernehmlassung geschickt,damit man sich vor der Abstimmung «ein umfassendes Bild» machen könne.

Kritik von IV-Stellen

Nun dürfte dieses Bild anders ausfallen als geplant. Der Bundesrat hat die Verordnung noch nicht verabschiedet, doch dem Vernehmen nach plant das Departement Berset Änderungen. Das gilt auch für einen der auffälligsten Punkte: Der Entwurf sah vor, dass der Bund «ein öffentlich einsehbares Verzeichnis» führt,in dem alle zugelassenen Sozialdetektivenamentlich aufgelistet sind. Dieser Plan stiess in der Vernehmlassung auf massive Kritik. Vor allem die IV-Stellen, aber auch mehrere Kantonsregierungen sprachen sich dagegen aus. Aus ihrer Sicht würde es Sinn und Zweck verdeckter Observationen fundamental zuwiderlaufen, wenn öffentlich bekannt ist, wer diese durch führen kann. Das Innendepartement hat reagiert und die öffentliche Einsehbarkeit aus dem Entwurf entfernt.

Doch das genügt den bürgerlichen Sozialpolitikern nicht. Sie haben das Thema Anfang April in der Sozialkommission des Nationalrats mit Berset diskutiert und da nach weitergehende Korrekturen verlangt. Auf das Verzeichnis wollen sie gleich ganz verzichten. Andernfalls sei zu befürchten, dass Anwälte oder Journalisten die Herausgabe der Liste mit Verweis auf das Öffentlich-keitsprinzip verlangten und diese publizieren würden, sagt SVP- Nationalrat Thomas Aeschi. «Wenn die Detektive namentlich bekannt sind, sind keine wirkungsvollen Observationen mehr möglich.» Es komme ja auch niemandem inden Sinn, die Namen der verdeckten Ermittler der Polizei im Internet zu veröffentlichen. Aeschi warnt gar davor,dass die Detektive in Gefahr geraten könnten, wenn sie von überführten Betrügern heimgesucht würden.

Die SVP hegt ohnehin den Verdacht,der Bundesrat wolle die Reform im Nachhinein entschärfen. Berset verhätschle Sozialbetrüger, schimpft die Partei in einer Mitteilung. Aeschi argumentiert vorallem mit den hohen Anforderungen, die Sozialdetektive erfüllen müssten. Gemäss dem ursprünglichen Entwurf müssten sie eine Polizeischule oder eine gleichwertige Ausbildung absolviert haben. Zudem sollten sie einschlägige Erfahrungen mitbringen, wobei unklar sei, wie sie diese sammeln könnten.

Regeln für externe Detektive

Noch in einem anderen Punkt schiesst Berset aus Sicht der SVP über das Ziel hinaus: Nicht nur externe, freischaffende Detektive müssten eine Bewilligung beim Bund beantragen, sondern auch jene, die bei einer Versicherung angestellt sind. «Das geht zu weit», findet Aeschi. Es sei un nötig, dass der Bundden Versicherungen hier Vorschriften mache. «Sie müssen selber die Verantwortung übernehmen, dass ihre Angestellten die Regeln einhalten.» Dieser Forderung hat sich auch die Sozialkommission des Nationalrats angeschlossen.

Ganz anders sieht es SP-Nationalrätin Silvia Schenker: Nicht Bundesrat Berset wolle das Gesetz im Nach hinein entschärfen, sondern die Bürgerlichen und die Versicherungen seien nicht mehr bereit, ihre Versprechungen aus dem Abstimmungskampf einzuhalten. «Damals wurde angekündigt, dass nur ausgewiesene Spezialisten observieren dürfen,und nun soll das für angestellte Detektive plötzlich nicht mehr gelten», kritisiert Schenker. Das sei nicht nachvollziehbar, alle Detektive brauchten das-selbe Know-how.

Schenker weist auch das Argumentzurück, die Verordnung bewirke unnötige Bürokratie. Im Abstimmungskampf sei immer argumentiert worden,Überwachungen seien lediglich Ultima Ratio und deshalb relativ selten. «Das ollte es zumutbar sein, dass die Versicherungen für ihre wenigen Detektive Bewilligungen einholen müssen.»

Wie die Verordnung am Ende ausfällt, entscheidet der Bundesrat. Die Forderungen der Sozialkommission sind blosse «Empfehlungen». Ihr Gewicht wäregrösser, wenn sich auch die Kommissiondes Ständerats angeschlossen hätte. Siehat diese Woche aber darauf verzichtet,Empfehlungen abzugeben.