Theatersaal «nicht geeignet für Rollstuhlfahrer»

(Der Landbote)

Gleichstellung Eine Behinderte und ihre Begleiterin fühlten sich beim Sommertheater nicht willkommen. Der Direktor verweist auf die engen Platzverhältnisse.

Christian Gurtner

Elisabeth Bänziger ist wütend.Eine «Ohrfeige» sei das, meint die Frau, die seit fünf Jahren für Pro Infirmis Behinderte begleitet. Ihr Zorn richtet sich gegen das Sommertheater am Stadtgarten, das sie letzten Sonntag zusammen mit einer Klientin imElektrorollstuhl besuchen wollte. Vorsorglich erkundigte sich Bänziger nach der Situation im Saal des Restaurants Strauss, in den das Freilichttheater die Aufführung des neu angelaufenen Schwanks «Schiff über Bord» bei Regenwetter verlegen würde.

«Die Antwort machte mich baff», sagt Bänziger. In einem E-Mail, das dem «Landboten» vorliegt, schrieb Theaterdirektor Hans-Heinrich Rüegg, der Saal sei für Rollstühle «einfach ungeeignet». Die allermeisten Aufführungen fänden draussen statt, Rollstuhlfahrer hätten somit viele Möglichkeiten, eine Vorstellung zu besuchen. So etwas habe sie noch nie erlebt, kommentiert Bänziger: «Sonst sind die Leute überall zuvorkommend.» Ihren Eindruck, im Sommertheater wenig willkommen zu sein, verstärkte noch ein zweiter Kontakt:Bei der Ticketreservation habe man ihr unfreundlich mitgeteilt,sie sollten frühzeitig erscheinen,weil der Rollstuhl Lärm mache.

Drinnen ein Drittelweniger Sitzplätze

Theaterdirektor Rüegg erklärt auf Nachfrage, die Platzverhältnisse im Saal seien äusserst eng, weshalb man hier, anders als bei den Vorstellungen im Garten, keine Rollstuhlplätze vorgesehen habe.Zeichne sich schlechtes Wetter ab,frage man Rollstuhlfahrer bei der Reservation, ob es ihnen möglich sei, auf eine andere Vorstellung auszuweichen.Erfahrungsgemäss könnten 65 von 70 Aufführungen draussen stattfinden,wo es 360 statt nur 240 Sitzplätze gibt. «Wenn ein Rollstuhlfahrer keine andere Möglichkeit hat,finden wir immer eine Lösung»,betont der Direktor.

«Rollstuhlfahrer haben oft drittklassige Plätze. Wir sind keinem im Weg.»
Elisabeth Bänziger Behindertenbegleiterin

Laut Rüegg beansprucht eine Person im Rollstuhl bis zu vier reguläre Plätze, weil sie höher sitze und darum teils auch hinter ihr Platz freizuhalten sei. Zudem müsse man Besucher umplatzieren, die schon Tickets gekauft haben, was einen Mehraufwand bedeute. Behindertenbegleiterin Bänziger gibt dagegen an, ein Elektrorollstuhl sei nicht viel breiter als ein normaler Stuhl:«Wir sind niemandem im Weg.»Ihre Klientin habe nicht auf eine andere Vorstellung ausweichen können, weil sie abends häufig von der Spitex besucht werde und auch die Begleitpersonen nicht beliebig verfügbar sind.Weil die Aufführung schliesslich doch draussen stattfand,gab es für die zwei Frauen keine Probleme.

«Eine Personim Rollstuhl beansprucht bis zu vier reguläre Plätze.»
Hans-Heinrich Rüegg
Direktor des Sommertheaters

Anlässe müssen nicht zwingend zugänglich sein

Das Behintertengleichstellungsgesetz verbietet zwar die Diskriminierung von Menschen wegen einer Behinderung, wie der Leiter des Behindertengleichstellungsbüros des Bundes, Andreas Rieder, sagt. Es verlangt aber nicht die unbeschränkte Zugänglichkeit von Veranstaltungen.Nur bei Umbauten seien, falls wirtschaftlich zumutbar, Hindernisse zu beseitigen. Im Restaurant Strauss gibt es einen Lift. Zu Einzelfällen will sich Rieder nicht äussern. Generell sei gerade im Kulturbereich die Bereitschaft sehr hoch, Behinderten die Lokalitäten zugänglich zu machen.