Verein ermöglicht Selbstbestimmung

(St.Galler Nachrichten)


Nadja Schmid weiss selbst genau, wie erschreckend ein Leben im Heim sein kann. zvg“

 

Interview: Ladina Maissen

Personen mit Beeinträchtigung und potenzielle Assistentinnen und Assistenten zusammenbringen – dies ist das Ziel des Fördervereins «CMA» aus St.Gallen. Mit einer digitalen Plattform soll die Vermittlung vereinfacht werden.

Förderverein Solidarität ist momentan in aller Munde. So viele Personen wie kaum je zuvor bieten ihre Hilfe an. Personen mit Behinderung sind aber auch ausserhalb von Ausnahmesituationen auf solch solidarische Unterstützung angewiesen. Hilfe im Alltag durch Assistenzpersonen ermöglicht diesen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ausserhalb des Heims und eine individuelle Freizeitgestaltung. Des Förderverein «CleA» aus St.Gallen setzt genau hier an. Er bietet eine digitale Plattform zur Vermittlung und Verwaltung von persönlicher Assistenz für Personen mit Behinderung. Im Interview erklärt Präsidentin Nadja Schmid das Konzept und zeigt ihre Sicht als Betroffene.

Nadja Schmid, seit wann gib es«CleA» und wie agiert der Verein?

Vor rund einem Jahr wurde der Förderverein mit Unterstützung der Vereinigung Cerebral Schweiz gegründet. Das Vorstandsteam besteht vorwiegend aus Betroffenen,welche ehrenamtlich tätig sind. Für die operative Umsetzung wurde deshalb eine Geschäftsstelle eingesetzt. Aktuell verfügt der Förderverein über 45 Einzelmitglieder und drei institutionelle Partner.

Wie wird den Personen mit Behinderung im Alltag geholfen?

Wir schaffen eine Plattform, die das Leben mit Assistenz vereinfacht und damit mehr Zeit und Möglichkeiten schafft, selbstbestimmt zu leben. Wir helfen da, wo die Unterstützung bei vielen Dienstleistungen endet, vor allem bei der Suche nach neuen Assistenten, aber auch im Umgang mit Formularen und Behörden.Die Plattform ermöglicht das Finden und Organisieren von freiwilliger und bezahlter Assistenz – auch ausserhalb des IV-Assistenzbeitrags. Alsonicht nur Menschen mit einer Beeinträchtigung, sondern auch weitere Personen, die eine Assistenz benötigen, können von der Plattform profitieren. Noch befindet sich die Plattform in der Entwicklung. Wir rechnen damit, im Herbst die erste Version auf den Markt zu bringen.Das ist ein grosser Hoffnungsschimmer für alle Betroffenen, das Leben mit Assistenz endlich zu vereinfachen. Sie sollen ihre Zeit schliesslich nicht für unnötige belastende Büroarbeiten opfern.

Wie finanziert sich der Verein?

Die Finanzierung erfolgt zum grössten Teil durch Stiftungsgelder. Wir haben das grosse Glück, dass der Bund über das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen die Umsetzung massgeblich unterstützt.

Nadja Schmid, Sie sind selbst eine Betroffene, wie kann «CléA» konkret helfen?

Ich selbst habe lange in einem Heim gelebt und weiss daher sehr genau, wie erschreckend das ist. Man muss um eine bestimmte Zeit ins Bett und man kann nicht selbständig entscheiden, was man essen will. Alles ist irgendwie fremdbestimmt. Mit dem Assistenzbeitrag der IV ist es für mich möglich, das alles selbst zu bestimmen. Ich habe die Möglichkeit, gemeinsam mit einem Partner und zwei Hunde zu leben und kann zu Bett gehen, wann und wo ich will.Das wäre im Heim undenkbar. Ich würde sogar sagen, es ist dank Assistenz möglich, Dinge zu tun, die für andere Menschen einfach selbstverständlich sind. So zum Beispiel im Auge zu reiben, wenn es brennt,zu trinken,wenn ich durstig bin oder einfach nur ganz banal zu gehen – oder in meinem Fall zu rollen – wohin und wann ich will.

Was raten Sie anderen betroffenen Personen?

Es gibt leider immer noch sehr viele Menschen mit einer Behinderung, die sich nicht trauen, in ein Leben mit Assistenz einzutauchen, weil sie der administrative Aufwand abschreckt und sie immer noch das Gefühl haben, alleine gelassen zu werden. Dank unserer Plattform wird das zukünftig stark vereinfacht. Ich hoffe, einige Menschen dadurch zu motivieren, endlich ein selbstbestimmtes Leben zu führen.