«Waren die Dinos grösser als der Himmel?»

(Schaffhauser Nachrichten)

In den Sommerferien stellt sich in vielen Familien die Frage nach der Kinderbetreuung. Der Ferienhort Schaffhausenversucht dieses Problem zu lösen und bietet Platz und Betreuung für jeden – egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung.


Im Ferienhortrd gebastelt, gerätselt und mit Wasser gespielt. Die Kinder können dabei frei zwischen verschiedenen Angeboten von Betreuern auswähle

 

Text Marielle Heeb
Bilder Michael KesslerSCHAFFHAUSEN.

«Piu-peng-peng-peng!»,tönt es durch die Zimmer im Kinderhort Grubenstrasse. Ein Blick durch die Tür versprüht Wohnzimmer-Atmosphäre: Auf dem grünen Boden liegen Kreisel, Plüschtiere und eine Holzeisenbahn, auf dem Sofa liegen Sebastian und Jeremy. «Achtung, alle in Deckung!», ruft Sebastian übermütig. Ein Lego-Geschoss aus einerkleinen Steinschleuder fliegt durch dieLuft und landet genau am langen Hals des Tyrannosaurus Rex – seinem Lieblings-dino. «Du bist jetzt tot», ruft Jeremy. Dinosaurier seien sowieso schon ausgestorben,kontert Sebastian frech und blickt dann nachdenklich im Zimmer umher. Wie gross die Dinos wohl gewesen seien? Wohl noch grösser als der Himmel, sagt er mit glänzenden Augen. Dann widmet er sich wieder seinem Gegner – dem Plastik-Haifisch.

Während andere Kinder ihre Sommerferien im Tessin, in Frankreich oder in der Türkei verbringen, sind Sebastian und sein Bruder Florian, Jeremy und 21 weitere Kinder hier im Ferienhort. Dieser gehört zuden Schaffhauser Sonderschulen und wird während des Schul jahres auch nur von deren Schülern genutzt. In den Sommerferien aber ist er seit vier Jahren für alle Kinder zwischen 6 und 12 Jahren geöffnet. Der Kontakt von Schulkindern mit und ohne Beeinträchtigung steht dabei im Zentrum des Angebots.

Betreuungsproblem in den Ferien

Doch warum braucht es einen solchen Ferien hort überhaupt? «Vor diesem Angebotgab es in Schaffhausen ein Ferienproblem für Kinder mit Beeinträchtigung», sagt Jürg Sauter. Er ist Projektverantwortlicher des Schaffhauser Sonderschulrats – die Schaffhauser Sonderschulen bilden neben Pro Infirmis und Insieme den dritten Träger desProjekts. Für alle anderen Kinder gebe es tolle Angebote, wie zum Beispiel der Schaffhauser Ferienpass. Schüler mit Beeinträchtigung aber verbringen ihre Ferien oft 24 Stunden am Tag zu Hause: Eine Belastung für Kind und Eltern, die während der Schulferien vielleicht sogar arbeiten müssen.

Auch Gabriella Vestner, eine der Co-Leiterinnen des Ferienhorts, ist überzeugt,dass ein Bedarf an Betreuungsmöglichkeiten vorhanden ist. Besonders wichtig sei ihr dabei die Idee der Inklusion von Kindern mit Beeinträchtigung. «Wir wollenhier Schwellen und Angst abbauen», sagt sie. Langsam, jetzt nach vier Tagen, würden die Kinder auftauen, miteinander das Gespräch suchen. Fragen wie: «Warum spricht er eigentlich nicht?» oder «Warum schreit sie?» würden halt einfach dazugehören.

Optimale Betreuung dank Ferienjobs

Sobald alle Kinder da sind, geht es an die frische Luft. «Kennt ihr ein gutes Lied?»,ruft Vestner. Von alleine stimmt die Gruppe ein Lied über die Welle «La Ola» an. Dazu machen alle passende Wellenbewegungen.

Dann ist es so weit: Die Kinder dürfen auswählen, was sie heute Morgen machen möchten. Zur Auswahl stehen zwei Angebote – eine selbst gebastelte Seerose auf dem Wasser schwimmen lassen oder eine Dankeskarte gestalten. Für kurze Zeit wird es lauter – schliesslich will jeder zur besten Gruppe gehören -, doch dann vertiefen sie sich in ihre Arbeit.

Dank zehn engagierten Betreuern, die für dieses Angebot teilweise ihre Ferien einsetzen, erhalten die Kinder an diesem Halbtag eine optimale Betreuung. Einigeder Leiter sind normalerweise an den Sonderschulen tätig, für andere ist es ein Ferienjob oder Praktikum.

«Wir wollen hier Schwellen und Angst abbauen.»
Gabriella Vestner
Co-Leiterin des Ferienhorts

So auch für Morgane Küng, die an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen studiert. Dieser Semesterferien-Job sei eine willkommene Abwechslung: «Für mich ist es extrem spannend, neben der Volksschule mal etwas anderes zu sehen»,sagt sie. Natürlich müsse man bei Vorbereitungen anderes beachten. Hat jeder alles dabei? Sind wir genügend Betreuungspersonen? Wer braucht welche Medikamente? Das Arbeiten mit beeinträchtigten Kindern brauche Geduld, gebe einem aber noch viel mehr zurück.

Der Drittklässler Quinn sitzt mit grossen Augen neben Küng und hört aufmerksamzu. Für ihn ist es der erste und letzte Tag im Ferienhort. Er musste heute früh aufstehen, erzählt er, fast so früh wie wenn er einen Ausflug in den Europa-Park mache.«Meine Mama hat gesagt, ich würde hier jemanden kennen – jemanden mit Krüselihaaren», sagter nachdenklich.Doch ein Tag sei halt kurz, um alle Kinderkennenzulernen. Dann nimmt er seinen grossen Stein, der neben ihm liegt, wieder in die Hand und beginnt, in den Kiesplatz eine Mulde zu hauen. Er grabe hier eineMine, erklärt er. Schnell wird er aber unterbrochen, denn nun ist im Ferienhort Znünizeit.


Ist gerne hier, wäre aber noch lieber in der Badi: Zweitklässlerin Sofia.

 


Dion verbringt den Morgen am liebsten draussen – gemeinsam mit Denise.

 


Leiterin Gabriella Vestner bastelt mit Jamay eine Seerose.