Kanton will mehr Mitarbeiter mit Behinderung beschäftigen

(Der Rheintaler)

Noch sind es nicht so viele, wie man wollte, antwortet die Regierung auf einen Vorstoss Meinrad Gschwends

Kantonsrat Wer eine Behinderung hat, soll nicht benachteiligt und erst recht nicht diskriminiert werden. Das gilt auch hinsichtlich der Arbeit. Daran erinnerte Kantonsrat Meinrad Gschwend (Grüne, Altstätten) in einem Vorstoss, in dem er sich nach Arbeitsstellen für Behinderte beim Kanton erkundigte.

52 Stellen für Arbeitnehmer mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung sollten es bis Ende 2019 sein, bestätigt die Regierung eine Feststellung in Gschwends Interpellation. Aktuell beschäftige der Kanton aber erst 37 Mitarbeitende mit einer Beeinträchtigung.

Dienststellen haben die zu leistende Arbeit im Blick

Dass das gesetzte Ziel nicht erreicht werden konnte, begründet die Regierung vor allem mit den knappen Ressourcen: Die Dienststellen sähen sich oft nicht in der Lage, freie Stellen mit jemandem zu besetzen, dessen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei oder der erhöhten Betreuungsbedarf habe.

Ein Projekt soll zeigen,dass es etwas bringt

Die Regierung zeigt sich darüber selbst enttäuscht und erkennt weiteren Bedarf, zu motivieren und zu sensibilisieren. Sie hofft,dass ein laufendes Pilotprojekt im Personalamt als Signal wirkt.Im Rahmen des Projekts werden Arbeitsprozesse analysiert und Mitarbeitende von Arbeiten entlastet, für die sie überqualifiziert sind. Diese Arbeiten wiederum werden zu massgeschneiderten Arbeitspaketen für Mitarbeitende mit einer Behinderung gebündelt. Auf diese Weise werde gezeigt, dass das Schaffen so genannter Nischen- und Inklusionsarbeitsplätze dem Arbeitgeber Vorteile biete, schreibt die Regierung.

Tut es der Kanton, tun es Privatunternehmen auch

Meinrad Gschwend bedauerte gestern, am ersten Tag der letzten Session dieser Legislatur, in seiner Stellungnahme vor demRat, dass der Kanton sein selbst gesetztes Ziel nicht erreicht hat,zumal es mit lediglich 52 Stellen«nicht wirklich ambitiös» gewesen sei. Die Begründung der Regierung könne er zwar nachvollziehen, eine Entschuldigung sei sie indes nicht. Die getroffenen weiteren Schritte begrüsst er deshalb. Je mehr der Kanton in diese Richtung tue, umso eher würden auch Unternehmen der Privatwirtschaft Stellen für Leute mit Behinderung schaffen.
Max Tinner

Chancen für Start ins Berufsleben erhöhen

(Schweizer Sozialversicherung/Ass. Sociale Suisse)

Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Einschränkungen sind im Fokus der aktuellen IV-Revision. Ihre frühzeitige Invalidisierung soll verhindert werden. Die Weiterentwicklung der IV unterstützt gezielt diese Versicherten, vom Vorschulalter über die Schulzeit und die Berufsbildungsphase bis ins Erwerbsleben.


Stefan Ritterlic. phil.,Vizedirektor, Leiter des Geschäftsfeldes Invalidenversicherung im Bundesamt für Sozialversicherungen

 

Die Invalidenversicherung ist erfolgreich auf dem Weg von der Renten- zur Eingliederungsversicherung. Die Auswertungen der IV wie auch ein Bericht der OECD von 2014 zeigen aber, dass die Versicherung bei bestimmten Zielgruppen noch viel bewirken kann, damit Menschen nicht frühzeitig invalidisiert und von einer Rente abhängig werden. Dies gilt vor allem für Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Einschränkungen sowie Junge und Erwachsene mit psychischenBeeinträchtigungen. Daher unterstützt die Weiterentwicklung der IV gezielt diese Versicherten.Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass die IV-Stelle die Versicherten und ihr Umfeld intensiver begleitet und betreut.

Stagnierende Neurentenzahl bei jungen Versicherten fordert IV heraus

Jugendliche und junge erwachsene Versicherteim Alter von etwa 13 bis 25 Jahren stellen die IV vor eine besondere Herausforderung. Bei den jungen Erwachsenen sprechen die IV-Stellen seit 2008 jährlich zwischen 1700 und 2100 Versicherten dieser Alterskategorie neu eine Rente zu (linke Skala in der Grafik Neurenten Schweiznach Alter). Seit 2011 liegt der Anteil der 18- bis24-Jährigen, die eine Rente beziehen (Renten-quote, Skala rechts), höher als bei den 25- bis 65-Jährigen.


Neurenten von jungen Erwachsene

 

Liste der anerkannten Geburtsgebrechen wird aktualisiert und modernisiert

Für die IV-Stellen ist es von entscheidender Bedeutung, so früh wie möglich auf eine positive gesundheitliche Entwicklung Einfluss zu nehmen. Schon früh müssen daher die verschiedenen Akteure gut zusammenarbeiten, wenn ein Kind unter einem Geburtsgebrechen leidet oder wenn bei ihm Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung festgestellt werden, die ein Invaliditätsrisiko enthalten.

Wie kann die IV die Chancen dieser Kinder für den späteren Schritt ins Berufsleben erhöhen? Eine der drei Zielgruppen der Weiterentwicklung der IV sind darum die Kinder ab Geburt bis zum Alter von etwa 13 Jahren.

Die Massnahmen der Gesetzesrevision zielen hier hauptsächlich darauf ab, die Liste dervon de IV anerkannten Geburtsgebrechen zu aktualisieren und zu modernisieren sowie die Kriterien für die Übernahme von medizinischen Massnahmen durch die IV besser an jene der Krankenversicherung anzupassen, um die beiden Systeme besser zu koordinieren. Auf Verordnungs- und Weisungsebene wird die Fallführung gestärkt und Beratung und Begleitung der betroffenen Kinder und ihrer Eltern werden ausgebaut.

Gezielte Hilfe bei den Übergängen SchuleAusbildung – Arbeitsmarkt

Wie kann die IV vermeiden, dass Junge als Rentner ins Erwachsenenleben starten? Die zweite Zielgruppe der Gesetzesrevision stellen die Jugendlichen und junge psychisch erkrankte Versicherte dar. Die Übergänge von der Schule zur Berufsbildung und später in den Arbeitsmarkt stellen Jugendliche mit psychischen oder anderen Erkrankungen vor besonders grosse Herausforderungen (siehe Grafik). Hier muss die IV gezielt ihre Hilfe und die Koordination mit kantonalen Instanzen (Case Management Berufsbildung) ausbauen, damit die jungen Versicherten diese Übergänge auf ihrem Lebensweg erfolgreich meistern.

Im Gesetz wird der Grundsatz verankert: Je jünger eine Person ist, desto intensiver müssen die Anstrengungen sein, sie einzugliedern. Die Eingliederungsmassnahmen werden zudem dem Entwicklungsstand und den Fähigkeiten einer jungen Person entsprechend zugesprochen.Sie können, falls erforderlich, auch wie-derholt werden. So wird sichergestellt,dass eine allfällige (Teil-)Rente nur dann zugesprochen wird, wenn das Eingliederungspotenzial vollständig ausgeschöpft wurde und die Eingliederung aus gesundheitlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt unmöglich ist.

Mit der Gesetzesrevision erhält die IV die dafür nötigen Eingliederungsinstrumente, die ihr heute noch fehlen.


Massnahmen zur besseren Eingliederung von Kindern und Jugendlichen ins Erwerbsleben

 


Zeitplan

Die Vorlage befindet sich zurzeit in der parlamentarischen Beratung.Der Nationalrat hat sie am 7. März 2019 gutgeheissen, der Ständerat am 19. September 2019. In der Frühjahrssession 2020 haben die beiden Räte schliesslich alle Differenzen bereinigt. Der Parlamentsbetrieb wurde allerdings wegen der Coronakrise vor der Schlussabstimmung unterbrochen.

Erste hindernisfreie ÖV-Haltestellen

(Berner Zeitung / Ausgabe Stadt+Region Bern)

Stad Bern 300 Bus- und Tramhaltestellen in der Stadt Bern müssen so umgebaut werden, dass ältere oder gehbehinderte Personen selbstständig in die Verkehrsmittel einsteigen können.

Nächste Woche laufen die ersten Bauarbeiten für hindernisfreie ÖV-Haltestellen an. Gestartet wird mit den Stationen «Rossfeld» und «Tavelweg». Geplant sind noch drei weitere Pilothaltestellen beim Bremgartenfriedhof, im Monbijou und beim Zieglerspital. Sie sollen wichtige bautechnische Erkenntnisse zur hindernisfreien Gestaltung aller städtischen ÖV-Haltestellen liefern. (red)

Reform der Ergänzungsleistungen

(Wohnwirtschaft HEV Aargau)

Die zunehmende Lebenserwartung und die steigenden Kosten für Pflege und Betreuung älterer und behinderter Menschen haben dazu geführt, dass die Zahl der Bezüger von Ergänzungsleistungen zwischen 2000 und 2018 um rund 60 Prozent gestiegen ist und die Ausgaben sich mehr als verdoppelt haben, auf jährlich fünf Milliarden Franken.


Roger Seiler Rechtsanwalt und Notar, Fricker Seiler Rechtsanwälte.Wohlen und Muri

 

Aufgabe der Ergänzungsleistungen ist die Existenzsicherung für Personen, die eine AHV- oder eine IV-Rente beziehen und ihren Lebensunterhalt nicht mit eigenen Mitteln bestreiten können. Gedeckt wird die Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben zur Deckung eines minimalen Lebensunterhaltes und den anrechenbaren Einnahmen, wobei auch das Vermögen berücksichtigt wird. Die Ergänzungsleistungen sind Teil des Versicherungsschutzes aus den AHV/IV-Lohnabzügen und klar zu unterscheiden von Sozialhilfe.Dem Grundsatz nach sind Ergänzungsleistungen deshalb auch nicht zurückzubezahlen.

Wichtigste Massnahmen

Unter den aus der Rente zusammen mit den Ergänzungsleistungen zu deckenden Grundbedarf fallen natürlich die Wohnkosten. Die maximal zu berücksichtigenden Mietzinsen werden den heutigen Gegebenheiten angepasst und es werden neu gesamtschweizerisch drei Regionen (Grosszentren, Stadt und Land) unterschieden. Diesem Leistungsausbau stehen neu geringere Beiträge für Kinder und eine höhere prozentuale Anrechnung des Einkommens des nichtrentenberechtigten Ehegatten gegenüber. Weiter werden nur noch die effektiven Krankenkassenprämien und die effektiv in Rechnung gestellten Heimtaxen berücksichtigt, unabhängig von Durchschnittswerten. Ein zentrales Anliegen der Reform liegt schliesslich darin, das eigene Vermögen des Versicherten noch stärker zu berücksichtigen bzw. anzuzapfen.

Vermögen stärker berücksichtigt

Künftig sollen nur noch Personen miteinem Vermögen von weniger als
Fr. 100’000.- Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben. Für Ehepaare liegt diese Schwelle bei Fr 200’000.-.für Waisen bei Fr. 50’000.-. Dabei wird der Wert von selbstbewohntem Wohneigentum ausdrücklich nicht berücksichtigt.

Abgesehen von dieser Vermögensschwelle,über der jeglicher Anspruch auf Ergänzungsleistungen ausgeschlossen ist, wird bei der Berechnung des tatsächlichen Anspruchs auf EL das Vermögen herangezogen. Dabei wird vom Versicherten erwartet,jährlich einen Fünfzehntel (Invalidenrentner) bzw. einen Zehntel (Altersrentner)seines Vermögens zu verbrauchen. Für Personen, die im Heim oder Spital leben, kann dieser Vermögensverzehr vom Wohnkanton sogar auf einen Fünftel des Nettovermögens erhöht werden. Ausgeklammert wird dabei ein Freibetrag, der mit der Reform ebenfalls reduziert wird, nämlich auf Fr. 30’000.- für Alleinstehende bzw. aufFr. 50’000.- für Ehepaare. Um Wohneigentum zu schützen, wird zudem für selbstbewohnte Liegenschaften ein Freibetrag von Fr 112’500.-.gewährt, wenn ein Ehegatte im Heim oder Spital und der andere im Eigenheim lebt sogar Fr. 300’000.-.

Gerade bei der Überlegung, ob Wohneigentum lebzeitig auf Nachkommen übertragen werden soll, gilt es zu beachten, dass auch ein freiwilliger Vermögensverzicht zu einer Rentenkürzung führen kann. Wer Vermögenswerte ohne Rechtspflicht oder ohne gleichwertige Gegenleistung veräussert, dem wird der Wert dieser Schenkung als Reinvermögen angerechnet, so dass dann massive Kürzungen bei einem Ergänzungsleistungsanspruch resultieren können. Neu wird der Begriff des Vermögensverzichts zudem auf Fälle ausgedehnt, in denen ein grosser Teil des Vermögens innerhalb von kurzer Zeit verbraucht worden ist. Gibt eine Person mit einem Vermögen über Fr. 100’000.- nämlich innerhalb eines Jahres mehr als 10 Prozent dieses Vermögens aus, so gilt der Betrag,der diese 10 Prozent übersteigt, als Vermögensverzicht. Liegt das Vermögen unter Fr.100’000.-, so gelten Auslagen über Fr. 10’000.- pro Jahr als anrechenbarer Vermögensverzicht. Schon wer sich ein neues Auto oder einen Küchenumbau leistet, riskiert also, Kürzungen bei den Ergänzungsleistungen hinnehmen zu müssen.

Auch die Erben sind betroffen

Unter dem Titel Rückerstattung rechtmässig bezogener Leistungen sieht das revidierte Ergänzungsleistungsgesetz vor,dass nach dem Tod der Bezügerin oder des Bezügers Ergänzungsleistungen aus deren Nachlass zurückzuerstatten sind. Dabei wird ein Freibetrag von Fr. 40’000.- gewährt und bei Ehepaaren gilt die Rückerstattungspflicht erst im Nachlass des Zweitverstorbenen.

Diese Regelung geht sehr weit, können doch damit rechtmässig ausgerichtete Versicherungsleistungen zurückgefordert werden und zwar für die letzten zehn Jahre vor dem Tod. Betroffen ist das gesamte Erbe, as den Sockelbetrag von Fr. 40’000.-übersteigt. Immerhin kann diese Bestimmung also nicht dazu führen, dass die Erben eine überschuldete Erbschaft antreten.Zudem wird der Anspruch bis zum Tod des überlebenden Ehegatten gestundet, so dass niemand aus dem Nachlass des verstorbenen Ehepartners Ergänzungsleistungen zurückerstatten muss.

Inkrafttreten und Übergangsfrist

Der Bundesrat hat beschlossen, die EL-Reform auf den 1. Januar 2021 in Kraft zu setzen. Wer durch die Neuerungen eine Kürzung des Anspruchs erleidet, dem wird für eine Übergangsfrist von drei Jahren der bisherige Betrag ausbezahlt. Rückerstattungspflichtig sind die Erben für Ergänzungsleistungsbezüge ab 2021 und ab diesem Datum gelten auch die verschärften Bestimmungenzum Vermögensverbrauch. Wer EL bezieht und eine grössere Investition plant, sollte dies also noch im laufenden Jahr tun.

Rekord bei Eingliederung

(Curaviva / deutsche Ausgabe)

Die Zahl der im Arbeitsmarkt eingegliederten Menschen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung hat 2019 mit 22534 einen Rekord erreicht.

Dies bedeutet im Vorjahresvergleich einen Anstieg um 6 Prozent, wie die IV-Stellen-Konferenz, der die 26 kantonalen IV-Stellen angegliedert sind,im März mitteilte. Berufliche Eingliederung heisse nicht nur die Vermittlung einer neuen Arbeitsstelle, sondern in vielen Fällen der Erhalt des aktuellen Arbeitsplatzes durch Massnahmen der Früherkennung und Frühintervention. So hätten 12640 Menschen dank Unterstützung der Invalidenversicherung(IV)ihren Arbeitsplatz beibehalten. 1933 Menschen hätten im gleichen Betrieb in eine neue Arbeitsstelle wechseln können,und 7420 Menschen hätten eine neue Arbeitsstelle ausserhalb ihres Unternehmens gefunden. Zusätzlich sei es 541 Menschen mit einer bestehenden IV-Rente gelungen, wieder eine Arbeit aufzunehmen oder ihre Erwerbsfähigkeit zu steigern. Die Anzahl der Eingliederungen sei im vergangenen Jahr fast zweieinhalb Mal so hoch gewesen wie noch vor zehn Jahren, schreibt die IV-Stellen-Konferenz weiter. Und die Tendenz sei steigend. Parallel zu den konstant wachsenden Eingliederungszahlen sei auch ein bedeutender Rückgang der Neurentenquote in den letzten 15 Jahren zu beobachten, stellt Florian Steinbacher, Präsident der IV-Stellen-Konferenz, gemäss der Mitteilung fest. Zwischen 2004, der vierten IVG-Revision, und 2018 seien nur durch berufliche Eingliederungen über 11Milliarden Franken oder rund 730 Millionen Franken pro Jahr gespart worden.

IV-Stellen machen ihren Leistungsbezügern nur selten Auflagen

(Schweizer Personalvorsorge Aktuell)

IV-Bezüger müssen laut Gesetz alles Zumutbare tun, um eine Arbeitsunfähigkeit zu verringern und eine Invalidität zu verhindern. Die IV-Stellen machen ihrer Klientel bei einer Rente oder Eingliederungsmassnahme aber nur selten Auflagen, wie eine Untersuchung im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit zeigt.Hält sich eine Person nicht an die Auflagen, kann die IV die Leistungen reduzieren oder streichen. Auflagen machen die kantonalen IV-Stellen indessen nur in 1.9 Prozent aller Bezüge von IV-Leistungen in Form von Renten oder Eingliederungsmassnahmen. Dabei schwankt der Anteil zwischen den Kantonen von 0.1 bis 3.5 Prozent. Auf Seiten der Versicherten befanden über zwei Fünftel der Befragten die Auflagen für wirkungslos. Am zweithäufigsten gaben sie an, die Auflage setzesie psychisch unter Druck. Auffallend ist gemäss Studie, dass die Befragten häufiger von einer Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustand durch die Auflagen sprachen als von einer Verbesserung. (sda)

Bund soll die Schuld der IV tilgen

(Tagblatt.ch)

Thurgauer CVP-Nationalrat Christian Lohr schlägt Alarm: «Die Invalidenversicherung steht auf der Kippe»

Die Invalidenversicherung könne ihre Schulden wegen der Coronakrise nicht mehr aus eigener Kraft tilgen, warnt der CVP-Nationalrat. Der Bund soll deshalb eine 10-Milliarden-Franken-Schuld übernehmen, fordert der Sozialpolitiker.


Christian Lohr am Bodensee bei Kreuzlingen, wo der CVP-Nationalrat wohnt. Bild: Reto Martin (15. August 2019)

 

Othmar von Matt

Die Invalidenversicherung IV steht seit der Coronakrise auf der Kippe. Das ist CVP-Nationalrat Christian Lohr in den letzten Wochen klar geworden. Der Sozialpolitiker hat deshalb ein Positionspapier geschrieben, in dem er bei der IV einen Marschhalt fordert.

Lohr stellt zwei Anliegen ins Zentrum: Erstens soll die Vorlage zur Weiterentwicklung der IV dem Parlament nicht wie geplant in der Sommersession zur Schlussabstimmung unterbreitet werden. Dazu wäre die Vorlage eigentlich reif. Doch über die Vorlage soll so lange nicht abgestimmt werden, «bis die Auswirkungen der Coronakrise auf die IV hinreichend abschätzbar sind.»

Zweitens will Lohr, dass die Bundeskasse die 10-Milliarden-Schuld tilgt, welche die IV bei der AHV hat. «Das ist als Sofortmassnahme leider unvermeidlich», sagt er.

«Es ist absolut illusorisch, dass die IV mit der Ausgangslage, die sich komplett verändert hat, in den nächsten Jahren auch noch aus eigener Kraft die Schulden gegenüber der AHV abbauen kann.»

Der Bundesrat müsse dem Parlament sehr schnell eine entsprechende gesetzliche Grundlage vorlegen. Das wird Lohr auch in einem Vorstoss fordern.

Eine Rezession bedeutet weniger IV-Einnahmen

Dass die Coronakrise die IV vor gewaltige Herausforderungen stellt, verdeutlichen die Prognosen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Noch im März stellte es zwei Rezessionsszenarien in den Vordergrund. Bei der milden Variante – der «V-Rezession» – geht das Bruttoinlandprodukt 2020 um sieben Prozent zurück, die Arbeitslosigkeit steigt auf vier Prozent an. Schon im zweiten Halbjahr 2020 setzt aber eine zügige Konjunkturentwicklung ein. Dramatischer sieht das Szenario «L-Rezession» aus. Hier kommt es 2021 nur zu einer schwachen Erholung. Die Arbeitslosigkeit steigt bis auf sieben Prozent.

Die Wahrheit scheint für das Seco inzwischen näher beim düsteren Szenario zu liegen. Am 8. April ergänzte es die Konjunkturprognose der Expertengruppe mit zwei Negativszenarien. Das Seco sagt nun: Die Rezession könnte deutlich schwerer ausfallen als bisher angenommen – und die Erholung könnte länger auf sich warten lassen.

Eine Rezession ist Gift für die IV. Sie bedeutet hohe Kurzarbeitsraten und steigende Arbeitslosigkeit. Für die IV heisse das deutlich tiefere Lohnbeiträge, sagt Lohr.

«Die Rezession und ihre Folgen bedeuten für die IV zweifellos, dass sie in den nächsten Jahren erneut in die Schuldenwirtschaft abzugleiten droht.»

Nach den letzten IV-Reformen war die Zahl der Neurenten gesunken, weil Bundesrat und Parlament die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ins Zentrum gerückt hatten. Unter diesem Motto steht auch die Weiterentwicklung der IV. In den Fokus rücken diesmal vor allem Jugendliche und physisch Kranke. Hier konnten die Ziele noch nicht erreicht werden.

IV im «absoluten Dilemma»

Wiedereingliederung funktioniert bei guter Konjunktur, nicht aber in einer Rezession. Die IV-Rentnerinnen und -rentner als schwächstes Glied drohten damit Verlierer zu werden, sagt Lohr. Die Gefahr sei gross, dass ihre Rente im Rahmen der geplanten Umstellung auf das stufenlose Rentensystem teilweise gekürzt werde. Gleichzeitig hätten sie aber keine Chance, ihr Potenzial auf dem Arbeitsmarkt umzusetzen und die Renteneinbusse dadurch wett zu machen. Generell dürften die Chancen von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf dem Arbeitsmarkt konjunkturbedingt schwinden, was der IV zu schaffen machen werde.

Damit sieht Lohr die IV im «absoluten Dilemma», wie er betont. Das Parlament habe die IV-Zitrone nach mehreren Sparrunden ausgepresst. «Weitere Leistungskürzungen liegen in den nächsten Jahren ebenso wenig mehr drin wie eine Erhöhung der Lohnbeiträge oder der Mehrwertsteuer.» Die Wirtschaft und die Bürger hätten dann bereits damit zu kämpfen, die Altersrenten zu sichern. Lohr:

«Das Fass dürfte voll sein.»

Auch die AHV selbst werde stark unter Druck kommen und bald auf stabilisierende Massnahmen angewiesen sein, glaubt Lohr. Ohne Hilfe des Bundes könne der Schuldenabbau der IV gegenüber der AHV nicht bis 2028 erfolgen, wie ursprünglich vorgesehen. «Würde sich der Schuldenabbau weit in die 2030er Jahre hinausziehen, hätte das auch für die AHV massive Folgen», sagt Lohr.

«Bereits heute ist klar: Ohne Massnahmen ist der AHV-Fonds 2030 leer.»

Damit hat die Coronakrise auch Folgen für die AHV, glaubt Lohr: «Wir werden definitiv über das Rentenalter diskutieren müssen.»

Vielfalt im Arbeitsmarkt – eine Chance

(SozialAktuell)

In der Antike war Arbeit ein notwendiges Übel.Im Wandel der Zeit wurde die Arbeit zur höchsten Tätigkeit. Für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)braucht es eine Arbeitswelt, die Vielfalt als Mehrwert erkennt.

Text: Anja Reichenbach, Beratung und Entwicklung Sensability (l)

Arbeit dient vielen Menschen in erster Linie als Existenzsicherung. Durch Arbeit lässt sich jedoch auch Status erlangen. Aus Beruf wird Berufung.Die Bereitschaft, rund um die Uhr Hochleistungen zu erbringen, wird begrüsst. Doch Arbeit bedeutet auch Struktur und Halt. Im Arbeitsumfeld erfahren wir soziale Zugehörigkeit. Es ist ein wichtiger Ort für Begegnung, Austausch und um Anerkennung zu spüren.

Die Aufteilung in 1. und 2. Arbeitsmarkt spaltet unsere Gesellschaft. Ist ein Mensch erwerbsfähig, gilt er allgemein als leistungsfähig und wird im 1. Arbeitsmarkt geduldet.

In der Arbeitswelt zeigt sich eine Tendenz,den Wert eines Menschen über die Leistungsfähigkeit zu definieren. Im Umkehrschluss würde dies also bedeuten, dass wertlos ist, wer keine Leistung erbringt.

Menschen mit Behinderungen sind aufgrund der physischen, psychischen oder kognitiven Einschränkung sowie der Barrieren in der Umwelt in unterschiedlicher Form in der Lage, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Gemäss den Statistiken ist der Anteil der Personen, die sich nicht am 1. Arbeitsmarkt beteiligen, in der Schweiz bei Menschen mit Behinderungen doppelt so hoch wie bei nicht behinderten Menschen (28,7 Prozent gegenüber 14,9 Prozent).Mehr als jede zweite stark eingeschränkte Person (53 Prozent) ist vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen und wird vom System in den 2. Arbeitsmarkt geschoben.

Unzählige Institutionen, gut finanziert und etabliert, dienen als Auffangbecken und Beschäftigungsstätte. Sie sind eine vermeintliche Errungenschaft unseres Sozialsystems.

In der Schweiz werden Parallelstrukturen unterhalten. Die Forderungen nach konsequenter Teilhabe sind noch zu leise, und der Druck ist zu schwach.

Im Artikel 27 «Arbeit und Beschäftigung» der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wird konkretisiert, dass das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen das Recht auf die Möglichkeit der Arbeit in einem offenen, einbeziehenden und zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld einschliesst. Der Schattenbericht von Inclusion Handicap hält fest, dass der 2. Arbeitsmarkt die Gefahr birgt, dass Menschen mit Behinderungen meist «unter sich bleiben» und keine oder wenig Zusammenarbeit mit Menschen ohne Behinderungen stattfindet. Weiter wird festgestellt, dass für die geschützten Werkstätten keine Anreize bestehen, ihre Arbeitnehmenden für den 1. Arbeitsmarkt zu trainieren.

Inklusive Welt

Es braucht ein Umdenken. Wir müssen beginnen, unsere Welt inklusiv zu gestalten, stattein Flickwerk aus Integrationsmassnahmen zu formen. Es braucht mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitsmodelle. Schnittstellen zwischen den Systemen müssen z. B. durch Partnerschaften installiert und effektivere Gesetze erlassen werden.

Es braucht ein Umdenken.

Wir müssen beginnen, unsere Welt inklusiv zu gestalten.

Die Berufsidentitäten im Bereich der Sozialen Arbeit müssen überprüft und angepasst werden.Fachwissen und Fachpersonen werden weiterhin gebraucht, wenn auch in verändertem Kontext. Machtverhältnisse und Hierarchien zwischen Fachpersonen und Adressatinnen müssen bewusst gemacht und allenfalls neu definiert werden. Es bedeutet aber auch, dass Fachpersonen spezifische Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten. So muss dem Arbeitsfeld «Assistenz» mehr Bedeutung geschenkt werden, z. B.indem Bildungsinstitute Studierende zulassen,die in diesem Bereich tätig werden. Jede sozial ausgerichtete Ausbildung sollte zudem Inklusion und Vielfalt in Bezug auf Behinderungen behandeln, vorzugsweise mit Dozierenden, die selbst mit Behinderungen leben.

Um in dieser gesellschaftlichen Veränderung voranzukommen, braucht es die Erkenntnis, dass Arbeit insbesondere in einem engen Zusammenhang mit Bildung steht. Es braucht daher überalle Stufen ein inklusives Schulsystem mit der nötigen Infrastruktur und personellen Ressourcen. Inklusive Bildungsangebote, durchlässigere Zulassungskriterien und eine flächendeckende Umsetzung des Nachteilsausgleichs. Weiter benötigt es inklusiven Lebensraum, um die Autonomie und Teilhabe ganzheitlich zu ermöglichen. Sich hinter Gewohnheiten und bewährten Systemen zu verstecken, entspricht in keiner Weise der UN-BRK. Stimmen, die eine inklusive Gesellschaft vor allem als finanzielle Herkulesaufgabe betiteln, lassen ausser Acht, welche Unsummen das Sonderförderungssystem verschlingt. Das kostenintensive Unterfangen beziehungsweise eine gezielte Umverteilung sind also zwingend, um die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zu manifestieren. Der Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinanzierung würde hier Hand bieten.

 

Inklusion ist ein Menschenrecht

Im Kontext der Sozialen Arbeit begegnet einem häufig das Wortspiel «Inklusion = Illusion».Beispielsweise setzen sich Fachpersonen an Tagungen vertieft mit den Grenzen der Inklusion auseinander, ohne die UN-BRK je im Detail gelesen zu haben. Ein Menschenrecht als illusorisch zu benennen, ist bedenklich. Vor allem wenn man weiss, dass die meisten Berufsleute keine Behinderungen haben. Werden Rechte von Menschen ohne Behinderungen verletzt, setzt man sich zur Wehr. Denn die Verteidigung der persönlichen Freiheit und Selbstbestimmung wird in der Schweiz hochgehalten. Dass die Fremdbestimmung eine alltägliche Begleiterin von Menschen mit Behinderungen ist, wird als Usus akzeptiert.

Menschen mit Behinderungen werden viel zu wenig partizipativ in Prozesse involviert. Der Grundsatz «Nichts über uns ohne uns» wird weitgehend ignoriert. Zu zeitaufwendig und komplex scheint ein ernst gemeinter Einbezug.

Ein spezifisches Augenmerk gilt den schädlichen Praktiken. So müssen sich z.B. Behindertenorganisationen auflösen, sofern sie nicht in der Lage sind, den Paradigmenwechsel mitzutragen und mit allen Mitteln voranzutreiben. Arbeit als Mass aller Dinge zu betrachten, hat in unserer Gesellschaft dazu geführt, zum Teil absurde Beschäftigungssituationen für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Häufig leben und arbeiten Menschen mit Behinderungen am gleichen Ort. Sie bewegen sich in einem abgesonderten Sozialraum und entwickeln teilweise ein isolierendes Verhalten.

 

Zugänge für Menschen mitBehinderungen zu schaffen,hat meist eine breite Wirkung.

Da in den Ateliers ein – wenn auch geringer – Produktionsdruck besteht, wird darauf geachtet, «starke» Mitarbeitende nicht an externe Arbeitsorte zu verlieren. Es stellt sich im institutionellen Rahmen die Frage, ob es solche Werkstätten überhaupt noch braucht oder der Begriff der Beschäftigung nicht neu definiert werden müsste. Wir müssen uns bewusst werden,
dass ein Beschäftigungsmodell von Menschen ohne Behinderungen entwickelt wurde. Historisch gewachsen, wird es konsequent verfolgt und beharrlich verteidigt. Wer aus diesem System ausbrechen will, braucht einen hohen Eigenantrieb,ein unterstützendes Umfeld und meist auch Geld, weil die öffentliche Hand den Bedarf noch nicht erkennt.

Einsatz nach Fähigkeiten

Ein allgemeiner Arbeitsmarkt sollte über verschiedene Kanäle gespeist werden. Es braucht Bemühungen, die nötige Sensibilität bei Arbeitgebenden herzustellen. Ein umfassendes, flexibles und langfristiges Unterstützungsangebot für alle Involvierten muss vorhanden sein, um eine Zusammenarbeit sorgfältig aufzubauen und bei Krisen rasch zu unterstützen.

Zudem muss die Vielfalt als Mehrwert erkannt werden.Der Arbeitsmarkt muss Menschen vermehrt nach Fähigkeit einsetzen.

Ein inklusives Arbeitsumfeld führt unweigerlich dazu,Strukturen und Abläufe zu reflektieren. Prozesse werden dadurch vereinfacht. Es gilt stets, einen Perspektivenwechsel zu machen, Situationen von unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und anders zu verstehen. Dies fördert die Lösungsfindungskompetenz aller und ergibt eine Innovationskraft.

Zugänge für Menschen mit Behinderungen zu schaffen,hat meist eine breite Wirkung. So führt z. B. der Einsatz von einfacher oder leichter Sprache dazu, dass explizit benannt wird, was implizit gemeint ist. Sitzungsgefässe brauchen einen klaren Rahmen und ein begrenztes Volumen, um eine gleichberechtigte Situation herzustellen.

Assistenzleistungen sind ein weiterer elementarer Bestandteil, um ein inklusives Setting zu gestalten. Ein Aufgabenpaket enthält meist Teilaufträge, die dazu verleiten,den Auftrag nicht an Mitarbeitende mit Behinderungen zu übergeben, weil die Umsetzung Barrieren aufweist. Dies kann mit individuellen Unterstützungsleistungen kompensiert werden. Eine Person, die nicht kopfrechnen kann, ist durchaus inder Lage, einen Zahlungsvorgang zu begleiten, sofern eine Assistenzperson diese Teile übernimmt.

Doch vor allem braucht es die Stimmen von Menschen mit Behinderungen, regen und unverblümten Austausch, positive Beispiele und die Erkenntnis, dass die Verantwortung in unseren Händen liegt. Jede Einzelperson, jede Struktur, die Systeme, die Politik und die breite Bevölkerung haben Einfluss und sind gefordert, den Umgang mit Vielfalt zu lernen und die Kraft des Miteinanders zu nutzen. So lassen wir Antike und Gegenwart hinter uns und starten in eine neue Epoche.

Fussnote

1 Sensability engagiert sich für die Veränderung des Denkens über Menschen mit Behinderungen und für den Abbau von bestehenden Hindernissen: www.sensability.ch

Coronavirus verändert ihr Leben radikal

(Freiburger Nachrichten)

FREIBURG: Für Menschen mit einer Beeinträchtigung sind die Massnahmen des Bundes in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besonders hart. Inden Heimen müssen sich dieBewohner an einen neuen Alltag gewöhnen; auch für jene, dieselbstständig wohnen, ist die Situation nicht einfach. Pro Infirmis ist es deshalb wichtig, fürdie Klienten da zu sein.

Verständnis ist die beste Therapie

(Walliser Bote)

Welt-Autismus-Tag | Wissen hilft. Der Verein Autismus Wallis sensibilisiert und bietet Autismus-Beratungen an


Offenes Ohr. Die Fachberaterin für Autismus, Andrea Jordan,
bietet Auslegeordnung und Gespräche an. FOTO MENGIS MEDIA/DANIEL BERCHTOLD

 

NATERS | Am 2. April 2020 findet der 12. Welt-Autismus-Tag statt. Damit will man eine weltweite Sensibilisierung zum Thema erreichen. Kostenlose Autismus-Beratungen im Oberwallis stehen Ratsuchenden das ganze Jahr über offen.

NATHALIE BENELLI

Seit Januar gibt es Autismus-Beratungen im Café Zuckerpuppa in Naters. Jeweils am letzten Mittwoch im Monat berät Andrea Jordan von 13.30 bis 14.30 Uhr Betroffene und Angehörige kostenlos und unverbindlich. Die Fachberaterin für Autismus wird bei dieser Arbeit regelmässig unterstützt von der Psychologin Sonja Werner. «Wegen der Verordnungen betreffend Corona-Krise finden die Treffen zurzeit nicht statt. Sie werden wieder fortgesetzt, sobald die Umstände es zulassen. Zu den Beratungen können alle kommen, die Fragen zum Thema Autismus haben. Das können Menschen sein, dievermuten, sie selber, ihr Kind oder Angehörige seien von einer Autismus- Spektrum-Störung (ASS) oder vom Asperger- Syndrom betroffen», umreisst Andrea Jordan den Kreis der Gesprächsteilnehmenden.

Meistens würden Eltern Kontakt mit ihr aufnehmen, wenn der Leidensdruck für ein Kind in der Schule zu gross werde. Die Autismus-Beratung sei keine Therapie, betont Andrea Jordan. Sie würde niemandem sagen, was zu tun sei. «Was wir anbieten, ist eine Auslegeordnung. Wir reden mit Ratsuchenden, wenn sie zweifeln, ob eine ASS vorliegen könnte, ob eine Abklärung sinnvoll wäre oder wenn sie Kontakte zu Fachstellen suchen. Ich gebe auch Tipps, wie der Alltag mit Autisten oder Asperger leichter bewältigt werden kann», sagt die Initiantin.

Grosse Bandbreite

Die Gründerin des Vereins Autismus- Wallis betont: «Die Bandbreite der Autismus-Spektrum-Störungen ist gross. Es gibt ganz unterschiedliche Symptome, Ausprägungen und Schweregrade. Sie reichen vom frühkindlichen Autismus mit schweren Einschränkungen bis hin zum Asperger- Syndrom, das auf den ersten Blick nicht leicht zu erkennen ist.» Andrea Jordan hat vier erwachsene Kinder. Bei dreien wurde ein Asperger- Syndrom diagnostiziert. Sie weiss also, wovon sie spricht. «Als bei meinen Kindern diese Diagnose gestelltwurde, fühlte ich mich damit alleingelassen.


«Je mehr Wissen und Verständnis das Umfeld hat, desto besser geht es den Betroffenen»
Andrea Jordan
Fachberaterin für Autismus


Im Wallis gab es zu der Zeit noch keine Selbsthilfegruppe oder Anlaufstelle.» Sie kam in einer Selbsthilfegruppe in Zürich mit einer betroffenen Mutter aus dem Unterwallis in Kontakt. Gemeinsam gründeten sie im April 2012 den Verein Autismus-Wallis. «Unser Ziel war es, Autismus im Wallis bekannter zu machen und eine Sensibilisierung zu erreichen. Je mehr Wissen und Verständnis das Umfeld oder Lehrpersonen für Autisten haben, desto besser geht es den Betroffenen», ist Andrea Jordan überzeugt. «Verständnis ist die beste Therapie», bringt sie es auf den Punkt.

Lebensaufgabe

Beruflich leitet Andrea Jordan das Krebsregister in Bern. «Autismus ist meine Lebensaufgabe. Alle, die nach mir kommen, sollen es einfacher haben, als ich es hatte.» Für sie war es nicht immer leicht, das Verhalten ihrer Kinder zu erklären. Wollten ihre Söhne oder ihre Tochter nicht grüssen oder nicht sprechen, galten die Kinder als ungezogen. Wollten sie nicht mit andern Kindern spielen, wurden sie als verstockt angesehen. «Als Mutter habe ich oft versucht, bei den Lehrpersonen Verständnis für eine andere Wahrnehmung meiner Kinder zu erreichen. Ich glaube, die Lehrpersonen dachten manchmal: Jetzt kommt da wieder so eine komplizierte, überbesorgte Mutter.Erst als ich mich in Deutschland zur Fachberaterin für Autismus ausbilden liess, wurde ich ernst genommen», sagt sie.

Diagnose als Erleichterung

Andrea Jordan will nicht beurteilen, ob es heute mehr Menschen mit einer ASS gibt. Aber sie stelle fest, dass die Zahl der Diagnosen zunimmt. Früher habe man Betroffene schnell als seltsam oder als komischen Kauz abgekanzelt. «Es gibt keine Medikamente gegen autistische Störungen. Behandeln lassen sich höchstens häufige Folgeerkrankungen wie Depressionen oder Burn-outs.» Trotzdem sei es für Betroffene manchmal eine Erleichterung, endlich eine Diagnose zu erhalten. Sie erhielten damit eine Bestätigung, dass ihre Wahrnehmung anders sei als die der Norm. «Sie sind anders, aber nicht falsch. Stress empfinden die meisten von ihnen, wenn sie das Gefühl haben, sie sollten sich ändern», sagt Andrea Jordan. Würde man ihnen offen begegnen, sie näher kennenlernen und so akzeptieren, wie sie sind, würde man sie nicht mehr als seltsam, sondern einfach als besonders bezeichnen.


AUTISMUS-SPEKTRUM-STÖRUNGEN

Menschen aus dem Autismus-Spektrum sehen, hören und fühlen die Welt anders als
ihre Mitmenschen. Aufgrund ihrer besonderen Wahrnehmung haben sie Schwierigkeiten, sich in andere Menschen hineinzufühlen und adäquat mit ihnen zu kommunizieren. Sie vermeiden deshalb manchmal Kontakte zu anderen Menschen. Die Sprachentwicklung sowie die pragmatische Anwendung von Sprache können beeinträchtigt sein. Betroffene zeigen meist einen hohen Widerstand gegen Veränderungen, sie können in Angst-, Panik- oder Aggressionszustände geraten, wenn sich in ihrer Umgebung etwas ändert. Innerhalb der Autismus-Spektrum-Störungen gibt es unterschiedliche Symptome, Ausprägungen und Schweregrade.


AUTISMUS-WALLIS

Ziele des Vereins Autismus-Wallis sind Sensibilisierung und Informationen über Autismus-Spektrum-Störungen (ASS), Beratung und Unterstützung für Betroffene und Angehörige, Verbesserung der Strukturen und Angebote im Oberwallis sowie Früherkennung, Förderung und Integration von Menschen mit ASS.
Kontakt: info@autismus-wallis.ch
Internet: www.autismus-wallis.ch


WELT-AUTISMUS-TAG

Das Programm zum Welt-Autismus-Tag musste wie alle anderen Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Am 2. April 2020 hätte um 18.00 Uhr im Kino Capitol in Brig der Film «Hors Normes» gezeigt werden sollen. Danach wäre ab 20.00 Uhr das Stockalperschloss zum Zeichen des Autismus blau beleuchtet worden. Im Stockalperhof hätte es einen Büchertisch und die Möglichkeit, Fragen zu stellen, gegeben.