«Plötzlich lag ich auf dem Rücken»

(Gesundheitstipp)

Bahnreisen sind für Rollstuhlfahrerin Anita Wymann oft ein Stress – denn die SBB-Umsreige hilfe lässt zu wünschen übrig

Ungenügende Organisation, zu wenig kompetentes Personal: Bei der Umsteigehilfe der SBB funktioniert vieles nicht so, wie es sollte. Schlimm traf es die Multiple-Sklerose-Patientin Anita Wymann. Ihr Rollstuhl kippte auf der Hebebühne.

Tobias Frey

Es sollte ein friedlicher Ausflug werden – mit der Bahn von Bern nach Lenzburg AG. Die Reisegruppe, die sich im November letzten Jahres traf, bestand aus zehn Leuten, darunter waren drei Rollstuhlfahrer. Eine von ihnen: die Bernerin Anita Wymann. Die Gruppe hatte sich gut organisiert und bei den SBB eine Umsteigehilfe bestellt (siehe Kasten).Dabei kommen Umsteigeassistenten mit einer Hebebühne und hieven die Rollstühle vom Perron in den Wagen.

Eine einzige Hilfefür fünf Behinderte

Auf der Heimfahrt, beim Um-steigen im Bahnhof Aarau, geschah es: Der Rollstuhl von Anita Wymann kippte auf der Hebebühne nach hinten, sie schlug hartauf: «Plötzlich lag ich auf dem Rücken. Zum Glück dämpfte der Fuss eines Mitreisenden den Aufprall meines Kopfes etwas ab.» Sie vermutet, dass der Umsteigeassistent die Hebebühne falsch einstellte und sie mit dem Rollstuhlgegen eine Kante stiess:«Der Mann war vermutlich im Stress.»Kein Wunder: Er war alleine. Die SBB boten für drei Rollstühle und zwei Gehbehinderte nur gerade einen Assistenten auf.

Das war kein Einzelfall: Die Umsteigehilfe der SBB steht bei Behindertenorganisationen immer wieder in der Kritik. Silvia Raemy von Agile.ch,dem Dachverband der Behinderten-Selbsthilfeorganisationen, sagt:«Die Umsteigehilfe lässt zu wünschen übrig.»

Beim Ausflug ging noch weiteres schief: Auf der Hinreise platzierte die Umsteigehilfe die Gruppe im reservierten Wagen -doch der war gar nicht für Rollstühle geeignet. Die drei Rollstuhlfahrer mussten sich in einer Reihe im Gang aufstellen.

Herbert Bichsel ist der Gleichstellungsbeauftragte von Agile.ch.Er war auf der Reise dabei und berichtet:«DieKontrolleurin musste über die Sitze und über die Rollstühle klettern, um durch den Wagen zu kommen.» Eine für Rollstuhlfahrer befahrbare Toilette gab es im Wagen auch nicht. Und auf der Rückreise fand der Umsteigeassistent den für die Gruppe vorgesehenen Wagen nicht.

Oft hätten die Umsteigeassistenten auch «kein Fingerspitzengefühl», wie man mit Behinderungen umgeht, kritisiert Wymann.Ein Beispiel: Auf der erwähnten Reise versperrte die Hebebühne den weissen Streifen am Bahnsteig,an dem sich Blinde mit dem Stock orientieren können. Herbert Bichsel erzählt:«Als aus dem Wagen zufälligerweise eine blind Person ausstieg,drückte sie der Umsteigeassistent mit dem Rücken einfach weg.»

Bereits im Vorjahr hatte die Gruppe einen Ausflug unternommen. Die SBB wiesen ihr den ersten Wagen nach der Lok zu – in Wahrheit war es dann aber der hinterste. «Wir mussten so schnell wie möglich zum Ende des Zugs gelangen», erzählt Anita Wymann.


«Die Verkehrs-betriebe habenLeute mitBehinderungenlange nicht ernstgenommen»

Marc Moser, Behindertendachverband Inclusion Handicap“

  Marc Moser vom Behindertendachverband Inclusion Handicap sagt: «Solche Situationen sind für Leute mit Behinderungen nicht nur sehr unangenehm, sondern auch entwürdigend.» Sie stünden im permanenten Stress, ob sie ihr Reiseziel ohne Zwischenfall erreichen. Silvia Raemy von Agile.ch fordert: Die SBB müssten nicht nur die Organisation verbessern, sondern auch die Assistentenbesser schulen.

Autonomes Reisen ist noch in weiter Ferne

Die SBB bieten die Umsteigehilfe nicht freiwillig an. Im Jahr 2004 trat das Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Die dazugehörige Verordnung schrcibt vor:Leute mit Behinderungen sollen autonom den öffentlichen Verkehr benützen können. Wo dies nicht der Fall ist, müssen die Verkehrsbetriebe Hilfe anbieten.

Doch für Rollstuhlfahrer ist das autonome Reisen noch inweiter Ferne. So gab der Gesetzgeber den Bahn- und Verkehrs-unternehmen eine Übergangsfristvon 20 Jahren – und selbst die halten die Betriebe nicht ein. Marc Moser von Inclusion Handicap:«Die Verkehrsbetriebe haben das lange Zeit nicht ernst genommen.»Heute sind gerade einmal rund 740 von 1800 Bahnhöfen so gestaltet, dass Rollstuhlfahrer jedes Gleis erreichen und selbständig in einen Bahnwagen können – selbst grosse Bahnhöfe wie in Bern gehören nicht dazu.

Ende letztes Jahr kündigten die SBB zwar an, bis zum Jahr 2023 weitere 580 Bahnhöfe zu sanieren.Damit verbleiben aber immer noch knapp 500, die für Rollstuhlfahrer vor allem eines darstellen:eine unüberwindliche Barriere.Die SBB wollten sich zurKritik nicht äussern.

Aufruf: Haben Sie Erfahrungmit der SBB-Umsteigehilfe?Schreiben Sie uns:Redaktion Gesundheitstipp,«Umsteigehilfe»,Postfach 277, 8024 Zürich,redaktion@gesundheitstipp.c


Das sollten Benutzer von Umsteigehilfen beachten

Die SBB-Umsteigehilfe istkostenlos. Melden Sie sichmindestens zwei Stundenim Voraus beim Call CenterHandicap: Tel. 0800 007 102(6 bis 22.30 Uhr).

Anspruch auf den Diensthaben Rollstuhlfahrer undGehbehinderte. Dazu zählen auch gebrechlicheSenioren.

Wichtig: Die Umsteigehilfeder SBB transportiert keinGepäck.

Grössere Bahnhöfe bietenzusätzlich kostenpflichtigeUmsteigehilfen an SOS Bahnhofhilfe Zürich,Tel. 044 211 92 77.SOS Bahnhofhilfe Bern,Tel. 079 606 49 69.SOS Bahnhofhilfe Basel,Tel. 061 271 37 23.Der Verein Compagnavermittelt kostenpflichtigeUmsteigehilfen und Beglei-tungen: Tel. 071 220 16 07.



Anita Wymann: Beim Umsteigen im Bahnhof Aarau stürzte sie mit ihrem Roll stuhl von der Hebebühne

 

Welche Kinder ertragen wir?

(Neue Zürcher Zeitung)

Die Debatte im Deutschen Bundestag überBluttests zu Trisomie 21 weckt Befürchtungen

STEPHANIE LAHRTZ, MÜNCHENAuf den ersten Blick ist es eine kleineÄnderung, über die der Deutsche Bun-destag am Donnerstag diskutierte. Bisheute müssen Krankenkassen bei Verdacht auf Chromosomenanomalien beim Ungeborenen eine Fruchtwasseruntersu-chung finanzieren. Diese bringt ein sehrgeringes Risiko für eine Fehlgeburt mitsich. Künftig sollen sie einen risikolosen Bluttest bezahlen. Befürworter der Vor-lage argumentieren, es dürfe nicht sein,dass wie derzeit nur Selbstzahler die biszu 300 Euro teure risikolose Testvariantein Anspruch nehmen könnten.

Der zur Debatte stehende Test gibtan, ob das Kind Trisomie 21, das sogenannte Down-Syndrom, aufweist. Tatsache ist, dass in Deutschland schät-zungsweise neun von zehn Föten mit die-ser Diagnose abgetrieben werden. Testenbedeutet also oft auch Selektion. Kir-chen und Behindertenverbände wehrensich daher gegen die Aufnahme des Testsals Kassenleistung, weil ein grenzenlosesScreening und noch mehr Abtreibungenbefürchtet werden.

Ein zügelloses Screening wird es je-doch aller Voraussicht nach nicht geben,denn nur bei Schwangerschaften, beidenen aufgrund von Ultraschall- undanderen Untersuchungen ein Risiko füreine Trisomie beim Ungeborenen ange-nommen wird, soll der Test angebotenund dann bezahlt werden. In Ländern, indenen der Test schon seit einigen JahrenKassenleistung ist, gibt es meist, abernicht überall mehr Abtreibungen. In welchem Rahmen der Test zur Kassenle tung wird, entscheidet sich im Herbst

Mehr Geld für Haltestellen

(Südostschweiz / Bündner Zeitung)

Per 31. Dezember 2023 müssen die Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs, behindertengerecht ausgestaltet sein.Dies betrifft auch die Haltestellen der Postautos und Ortsbusse. Die Verantwortung liegt bei den jeweiligen Eigentümern der Strasse, in den meisten Fällen sind dies die Gemeinden. Gemässder Bündner Regierung betrifft dies im Kanton rund 800 der gegen 2800 Halte-kanten, die noch umzubauen sind – miteinem Gesamtvolumen von bis zu 80 Millionen Franken.

Der Kanton hat nun entschieden, dieSubventionsbeiträge an die Gemeindenfür solche Sanierungen zu erhöhen.Dies hat die Regierung am 28. März mit-geteilt. Ende Juni 2019 haben die Ge-meinden nun Zeit, die Anzahl der um-zubauenden Bushaltestellen auf ihremGebiet bekannt zu geben.

Appell von Procap und Pro Infirmis Die Behindertenorganisationen Pro In-firmis und Procap Grischun haben gestern per Medienmitteilung an die Kommunen appelliert, die höheren Kantons-subventionen zu nutzen. Sie erwarten,dass die Gemeinden ihrer Pflicht zur Sa-nierung der Haltestellen bis Ende 2023 nach kommen und erwähnen sogarüber 4200 Bushaltekanten, die es zuüberprüfen gäbe. Umgebaut müssenzwingend alle Kanten werden, deren Nutzen für Menschen mit Behinderungen nach dem Umbau in einem akzeptablen Verhältnis zu den Umbaukostenstehen. (hape)

Angst- und Panikattacken: Wenn Angst krank macht

(srf.ch)

Angst erlebt jeder. Vorsicht und Angst bei Gefahren schützen uns. Doch nicht immer ist die Angst rational begründet. Bei nicht wenigen Menschen geraten die Ängste ausser Kontrolle, setzen sich ab von einer realen Bedrohung. Sie übersteigern sich ins Krankhafte und werden zu einer Angststörung.

Autor: Dieter Gränicher

Marcel hatte grosse Mühe, Zug zu fahren

Marcel Meier fährt mit dem Zug von Zürich nach Bern. Er erzählt davon, wie er früher nur unter grössten Schwierigkeiten fähig war, mit Zügen zu fahren.

Während dreissig Jahren war dies für ihn ein grosses Problem. Er befürchtete jedes Mal, eine Panikattacke zu erleiden und stand grosse Ängste aus. Erst seit einigen Jahren kann er wieder einigermassen «normal» einen Zug besteigen.

SRF: Marcel: «Ich hatte wohl insgesamt 200 bis 300 Panikattacken»

Angststörungen sind oft ein Tabu

Häufig geht die Angststörung etwas «vergessen». Obwohl sie nach der Depression die zweithäufigste psychische Erkrankung darstellt, ist in der Öffentlichkeit eher die Rede von Schizophrenie, Burnout und Persönlichkeitsstörungen wie «Borderline».

Angststörungen sind tabuisiert; nur selten stehen Betroffene in ihrem sozialen Umfeld dazu, dass sie darunter leiden. Es hat sich gezeigt, dass Aufklärungsarbeit im Bereich der psychischen Störungen wesentlich zur Linderung des Leidens beitragen kann, da die Betroffenen sich so besser akzeptiert und verstanden fühlen.


Was sind Angststörungen und Panikattacken?

Von Angststörung spricht man wenn eine Angst keine realen, objektivierbaren Grundlagen hat, wenn sie von den Betroffenen nicht erklärt und nicht bewältigt werden kann und wenn sie die Betroffenen veranlasst, als «gefährlich» taxierte Situationen oder Objekte zu meiden.

Eine Panikattacke ist eine bestimmte Form der Angststörung. Sie ist eine anfallsartige schwere bis schwerste Angst, die aus heiterem Himmel kommt. Inhalt ist immer die Angst, den Verstand zu verlieren, irgendwie kaputt zu gehen oder tot umzufallen.


Conny litt unter Todesangst

Panikattacken erleben die Betroffenen sehr körperlich, sie haben das Gefühl, sterben zu müssen. Erst genaue Abklärungen können zeigen, dass die Ursache psychisch ist.

Übersteigerte Ängste und Panikattacken können dazu führen, dass sich die Betroffenen aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen und sich isolieren. Das kann so weit gehen, dass sie kaum mehr ihre eigenen vier Wände verlassen.

SRF: Conny: «Herzrasen, Atemnnot und ein Kribbeln in den Fingern.»

Viele Betroffene verlieren ihre Stelle

Ihre Lebensqualität ist stark beeinträchtigt und die Ängste sind ein alles überdeckenden Gefühl.

Schwere Fälle von Angststörungen führen oft dazu, dass die Betroffenen ihre Stelle verlieren und Mühe haben, wieder eine Anstellung zu finden. So gibt es eine beachtliche Zahl von Betroffenen, die auf die Unterstützung der IV angewiesen sind.

SRF: Marcel verlor seinen Arbeitsplatz.

Claudia fühlt sich daheim oder im Auto sicher

Claudia Moser kann ihre Wohnung kaum verlassen. Nach wenigen Schritten zwingt sie ihre Angststörung zur Umkehr. Sie kann auch nicht erklären, wieso das so ist, doch nach fünfzig Metern beginnt ihr Herz zu rasen und sie befürchtet, eine Panikattacke zu erleiden.

Nur in ihrem Auto fühlt sie sich sicher. Aussteigen geht aber nur, wenn sie unmittelbar vor dem Ort parkieren kann, wo sie hin möchte. So kauft sie nicht in grösseren Lebensmittelgeschäften ein, sondern muss in kleine Läden gehen. Obwohl Claudia schon lange unter Angststörungen litt, dauerte es sechs Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wurde.

SRF: Claudia: «Das Auto ist für mich ein Zufluchtsort.»

Seit einem Jahr bezieht Claudia Moser eine volle IV-Rente, was für sie eine grosse Erleichterung bedeutet. Vorher arbeitete sie lange Jahre im pflegerischen Bereich und zog zwei Töchter gross. Heute sind sie 10 und 18 Jahre alt.

Geld war immer knapp und sie kämpft mit ihren psychischen Problemen. Heute lebt Claudia als Single und kann das überschaubare Leben recht gut bewältigen. Ihr Alltag bleibt stark eingeschränkt und sie lebt auf kleinem Raum. Doch sie hat einen Weg gefunden, mit ihrer Krankheit umzugehen.


Angststörungen in der Schweiz

Im Jahr 2016 lancierte pro infirmis, Link öffnet in einem neuen Fenster die Kampagne «Angst lähmt». Die Behindertenorganisation machte die Öffentlichkeit darauf aufmerksam, dass in der Schweiz rund 800’000 Menschen an Angststörungen leiden.

Laut Psychologin Dorothee Schmid ist davon auszugehen, dass etwa 60 Prozent der Menschen mit Angstsymptomen nie therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.


Angststörungen bleiben lange unerkannt

Die Dunkelziffer von nicht diagnostizierten Angststörungen ist gross. Experten sprechen von bis zu 60 Prozent aller Fälle. Nicht therapiert können sich Angststörungen chronifizieren und zu einer schwerwiegenden psychischen Krankheit entwickeln. Frühzeitig erkannt und behandelt, besteht aber eine gute Chance zur Heilung.


Anlaufstellen für Betroffene

Angst und Panikhilfe Schweiz,
Telefon: 0848 801 109
Pro Mente Sana,
Telefon: 0848 800 858
Pro Infirmis



Psychologin Dorothee Schmid sieht gute Heilungschancen für Betroffene. SRF

 

Dorothee Schmid ist Fachpsychologin für Psychotherapie und leitet den Kompetenzbereich Angst- und Zwangsstörungen der Privatklinik Wyss in Münchenbuchsee. Im Interview erklärt sie, weshalb Angststörungen lange unerkannt bleiben und welche Heilungschancen es gibt.

SRF: Wieso dauert die Diagnose so lange?

Dorothee Schmid: Dafür gibt es mehrere Gründe. Angststörungen gehen fast immer mit starken Körpersymptomen einher, die auch bei vielen somatischen Erkrankungen auftreten können. Daher suchen Betroffene meistens zuerst einen Arzt auf. Es folgen oft umfangreiche körperliche Untersuchungen, Abklärungen und Versuche mit medikamentöser Therapie.

Nicht alles davon ist nötig, sondern findet statt, weil der Arzt nicht erkennt, dass es sich um eine Angststörung handelt. Nicht vorhandenes diagnostisches Wissen führt dann zu langen Prozeduren mit vielen Abklärungs- und Behandlungsversuchen, oft über mehrere Jahre.

Selbstverständlich müssen jedoch notwendige somatische Abklärungen immer stattfinden. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Angstpatient zusätzlich auch noch an einer körperlichen Krankheit leidet.

Nicht alle Betroffenen sind bereit, eine psychische Störung zu akzeptieren.

Ein weiterer wichtiger Grund liegt auf Patientenseite. Nicht alle Betroffenen sind bereit, bei sich das Vorliegen einer psychischen Störung zu akzeptieren. Daher vermeiden viele, überhaupt jemals einen Arzt oder einen Therapeuten aufzusuchen, und werden deshalb nicht korrekt oder gar nicht als Angstpatient diagnostiziert.

Damit ist auch erklärt, warum die korrekte Diagnosestellung nicht ganz einfach ist. Einerseits fehlt es vielen aufgesuchten (Haus-)Ärzten schlicht am entsprechenden Wissen, um insbesondere die starken körperlichen Symptome zuzuordnen; andererseits haben Betroffene vielfach grosse Hemmungen, eine Fachperson aufzusuchen.

Wie steht es um die Heilungschancen?

Die Chancen für Verbesserungen stehen gut. Bei etwa 70 bis 80 Prozent der Betroffenen kann mit der passenden Therapie eine bedeutsame, dauerhafte Besserung erreicht werden.

Nachgewiesenermassen ist die kognitive Verhaltenstherapie bei Angststörungen am besten wirksam. Kern der Therapie ist die Neubewertung der Angst, das Erlernen eines günstigeren Umgangs damit und die Veränderung der Beziehung des Betroffenen zu seiner Angst.

Die Konsequenz daraus ist, dass der Angstpatient lernt, dass Angst letztlich nichts ist, wovor er sich fürchten muss. Mit dieser Einsicht erlebt er auch die Auslöser der Angst als weniger oder sogar nicht mehr bedrohlich.

Beruhigungsmittel müssen als vorübergehende Therapie konzipiert sein.

Der Einsatz von Beruhigungsmitteln muss immer als vorübergehende, unterstützende Therapie konzipiert sein. Beruhigungsmittel sind keine eigenständige und schon gar keine nachhaltige Therapie bei Angststörungen, denn sie zeigen den Betroffenen keine Denk- und Verhaltensalternativen und verändern somit nichts am Problem.

Hingegen ist die medikamentöse Therapie von eventuell zusätzlich vorliegenden Störungen (z. B. Depressionen) nötig und angemessen.

Warum nehmen die Angststörungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen so stark zu?

Es gibt keine Hinweise darauf, dass Angststörungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen real zunehmen. Dieser Eindruck kommt vermutlich daher, dass Angststörungen häufig erstmals während der Kindheit oder Jugend auftreten (Höchstrisiko-Alter zwischen 10 und 25 Jahren).

Ein weiterer Punkt, der zum Eindruck führen kann, dass Angststörungen zunehmen, ist die Tatsache, dass die Inanspruchnahme von Therapieleistungen real angestiegen ist, allerdings ohne dass eine Zunahme von psychischen Störungen vorliegt.

Eine bessere Wahrnehmung von Störungen und eine verbesserte Gesundheitskompetenz können erklären, warum mehr Therapien in Anspruch genommen werden, auch wenn psychische Störungen nicht häufiger auftreten.

Das Gespräch führte Anna Urwyler.

SRF: Panikattacken und Angst – Betroffene erzählen

Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention

(Sozial Aktuell)

Die drei Verbände Insos Schweiz, Curaviva Schweiz und VAHS Schweiz haben AnfangMärz den Aktionsplan UN-BRK vorgestellt, der wichtige Impulse für die Umsetzung der2014 von der Schweiz ratifizierten Behindertenrechtskonvention liefert.

 

Der Aktionsplan ist ein breit abgestütztes Megaprojekt: Während 1,5 Jahren haben über 80 Fachpersonen aus Verbänden und Institutionen sowie Menschen mit Behinderung mitgearbeitet. Der Aktionsplan zeigt, in welche Richtung sich die Verbände und die Institutionen weiterent-wickeln wollen. Formuliert wurden insgesamt 35 Ziele zu verschiedenen Themenbereichen wie Arbeit, Wohnen und Bildung des Fachpersonals, die sich auf einzelne Artikel der UN-BRK beziehen. Aus diesen Zielen haben die Verbände 145 differenzierte Massnahmen,die sie sich selber vorgeben, und Empfehlungen an die Institutionen abgeleitet.INSOS

Mehr Mitbestimmung als Ziel

(Appenzeller Volksfreund)

(tri) Die Bewohner der Stääg habenschon länger ein Mitspracherecht, überdie Arbeitsgruppe. Mit dem Stääg-Ratgeht die Institution nun einen Schrittweiter. Neben einem Vertreter der Bewohner bekommen auch zwei Vertreter der Werkstattmitarbeiter die Möglichkeit aktiv mitzugestalten. Das Thema heisst: mehr Mitbestimmung. Dochdass dies nicht einfach ein Recht ist,sondern auch mit Pflichten verbunden,wurde im Vorfeld bewusst thematisiert -unter anderem über eine Weiterbildungbei Pro Infirmis. Was genau die künftigen Mitsprachemöglichkeiten betrifft,steht noch nicht abschliessend fest. Der Stääg-Rat konstituiert sich selber. Umaber zu erfahren, wo bei den Bewohnernund Werkstattmitarbeitern «der Schuhdrückt», hat die Leitung eine Umfragevorbereitet. Dieses Ergebnis soll demRat beim Kaltstart helfen. Klar ist aber:Auf die Rahmenbedingungen haben diedrei gewählten Vertreter keinen Ein-fluss. Auch gilt für sie weiter die Hausordnung. Doch bei Arbeitszeiten, Essen,Arbeitsplatzgestaltung, Löhnen oder anderen Themen sollen sie mitreden können und das direkt am Tisch mit derGeschäftsleitung. Ursprung der Mass-nahme ist die Umsetzung der UNO-Be-hindertenrechtskonvention, welche dieSchweiz 2014 ratifiziert hat.

Unis vernachlässigen das Behindertenrecht

(Plädoyer)

Vorlesungen In der Schweiz leben gegen zwei Millionen Menschen mit einer Behinderung.Jeder Vierte ist schwer behindert. Trotzdem wird das Thema Behinderungsrecht an den meisten Universitäten stiefmütterlich behandelt.


Praktikum in einer Kanzlei:Der Basler Student Dennis Kramerim Gespräch mit Rechtsanwalt Martin Looser (rechts) in Zürich

 

Gjon David

Die Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung wird von den Kantonen immer wieder als grosses Anliegen bezeichnet. Ein Blick auf die Lehrveranstaltungen an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten zeigt jedoch: Das Thema «Behindertengleichstellungsrecht» wird sehr ungleich gewertet.

Die Universität Basel bietet als einzige in der Schweiz eine Vorlesung zum Behindertengleichstellungsrecht an. Die Juristin Caroline Hess-Klein ist stellvertretende Geschäftsleiterin der Dachorganisation «Inclusion Handicap» und seit 2009 im Rahmen eines Lehrauftrags zuständig für die entsprechende Vorlesung.

Im ersten Jahr hätten nur drei Studenten die Vorlesung besucht, mittlerweile seien es bis zu 20. Hess-Klein legt in der Vorlesung Wert auf die rechtsvergleichende Analyse – vor allem mit den USA, Deutschland, Grossbritannienund der EU. Besondere Beachtung erhält die Uno-Behindertenrechtskonvention. Zudem lassen externe Referenten Beispiele ausder Schweizer Praxis einfliessen,etwa aus dem Bauwesen, dem öffentlichen Verkehr oder Fragen um den Arbeitsplatz. So stellteim Herbstsemester 2017 die Basler Grossrätin Nora Bertschi das Gesetzgebungsprojekt aus dem Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt vor. Der Zürcher Rechtsanwalt Martin Looser berichtete über einen 2017 am Kantonsgericht Appenzell Ausserrhoden für drei Behinderten-organisationen erfolgreich abgeschlossenen Fall «Bad Unterrechstein». Dabei ging es um den Ausschluss von Kindern mit geistiger und körperlicher Behinderung von einem öffentlich zugänglichen Heilbad.

Studenten haben die Möglichkeit, ein Praktikum im Behindertenrecht zu absolvieren. Es bietet Einsätze in der Bundesverwaltung,in der Privatwirtschaft sowie in Rechtsdiensten von Behinderten-organisationen und bald auch bei der Uno in Genf. Ein Beispiel dafür ist Dennis Kramer, der in der Zürcher Kanzlei Ettlersuter derzeit die Praxis der Kantone zu Fragen des Nachteilausgleichs im Schulbereich untersucht.

Nicht alle Unis gewichtendas Thema gleich

An den Rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Bern,Luzern, Freiburg und Zürich widmet sich keine Lehrveranstaltungeinzig dem Behindertengleichstel-lungsrecht. Die Uni Zürich behandelt das Thema immerhin im Rahmen der Bachelor-Vorlesung«Grundrechte». Das Thema werde aber auch in weiteren Lehrver-anstaltungen thematisiert – etwain der Master-Vorlesung zum Raumplanungs- und Baurecht.Die Uni Luzern behandelt die wichtigen Rechtsgrundsätze im Zusammenhang mit dem Behindertengleichstellungsrecht etwa inder Vorlesung und den Übungen zu den Grundrechten – sowie den Mastervorlesungen zur Menschen-rechtskonvention und zum Sozialversicherungsrecht. Auch in Bern wird das Thema im Rahmender Vorlesung Grundrechte II behandelt – als Teil des Diskriminierungsschutzrechts.

In Freiburg wird das Thema inmehreren Veranstaltungen behandelt: beispielsweise im Rahmen der Lehrveranstaltungen «Droits fondamentaux», «Verfassungs-recht», «Droit international public», «Droit social», «Grundrechte» oder «Droit international et europeen des droits de l’homme». Dort findet das Thema seinen Platz neben anderen Fragen der Gleichbehandlung, wie jener zur Gleichstellung der Geschlechter oder alter und junger Leute.

Dass es in Freiburg keinen besonderen Kurs zum Thema gibt,erklärt Staatsrechtlerin Eva Maria Belser so: «Unsere Fakultät hat sichentschieden, Generalistinnen und Generalisten auszubilden, die bis zum Master möglichst breit studieren.» Das habe viele Vorteile,weil allgemeinere Kurse es aucherlaubten, Themen wie Mehrfachdiskriminierung auf zunehmen,die eher auf der Strecke blieben,wenn die Kurse sehr fragmentiertseien. Zudem weist sie auf das Ascona-Seminar 2019 hin, dasdem Thema «Niemand darf diskriminiert werden – Die Gleichstellung in all ihrer Vielfalt» gewidmet ist. Die Anmeldefrist dauert bis am 5. April. Die Teilnehmerzahl ist auf 25 begrenztund Anmeldungen für das Seminar im Masterprogramm erhaltenden Vorzug.

Projekt «S’passt Zäme» der IV-Stelle Schwyz

(Schwyzer Gewerbe)

Kinder mit Beeinträchtigungen werden heute nicht mehr automatisch in die Sonderschule eingestuft. Viele können ihre schulischen Kompetenzen in integrativen Regelklassen erweitern. Wie sieht es aber nach der obligatorischen Schulzeit mit der Berufsbildung aus?


Thomas Holzgang, Bereichsleitung Berufliche Integration

 

Integrative Berufsausbildung ist imVergleichzurSchulbildung noch keine Selbstverständlichkeit, sondern befindet sich in den Kinderschuhen.Der erste Arbeitsmarkt steht nur sehr wenigen Jugendlichen mit Lern- und Leistungsbeeinträchtigungen offen.Um Jugendlichen nach dem Abschluss der Sonderschule die Tür zueiner auf ihre Bedürfnisse angepasste Grundbildung zu öffnen, wurde ein spezielles Ausbildungsmodell geschaffen: die praktische Ausbildung(PrA). Die PrA ist ein bewusst niederschwellig gehaltenes Bildungsangebot. Es wurde vom Branchenverbandder Institutionen für Menschen mit Behinderung (INSOS) initiiert.Die PrA ist als Weiterentwicklung der IV-Anlehre zu verstehen. Sie berücksichtigt die individuellen Kompetenzen und Ressourcen der Lernenden. Die Ausbildung ist vorwiegend auf praktische Tätigkeiten ausgerichtet und wird mit einem Schultag, der in einer INSOS-Institution durchgeführt wird, komplementiert. Am Ende dieser zweijährigen Ausbildung erfolgt ein vereinfachtes und stufengerechtes Qualifikationsverfahren.Bisher wurde die PrA oft nur in geschützten Werkstätten angeboten.Hier setzt das Projekt «S’passt Zäme»der IV-Stelle Schwyz an.

Ausbildungen im 1. Arbeitsmarkt

Bereits konnte das Projekt «S’passtZäme» an verschiedenen Veranstaltungen wie auch vereinzelt in den Medien präsentiert werden. Ziel des Projektes ist es, dass gesundheitlich beeinträchtigte Jugendliche ihre PrA bereits im ersten Arbeitsmarkt absolvieren. So erfolgt der schwierige Schritt vom geschützten Rahmen indie Praxis nicht erst nach der Ausbildung, sondern bereits beim Start ins Berufsleben. Dies soll es den Jugendlichen erleichtern, auch wirklich im ersten Arbeitsmarkt Fuss zu fassen.Während der PrA werden die Jugendlichen eng von Fachpersonen der IV-Stelle Schwyz und weiteren involvierten Partnern begleitet. Die Zusammenarbeit während der Oberstufenschuljahre mit Lehrpersonen, Heilpädagogen, dem Schulpsychologischen Dienst und der Stiftung BSZ ist für den erfolgreichen Start einer PrA im ersten Arbeitsmarkt sehr wichtig. Es hat sich zudem gezeigt,dass während des letzten Schuljahres einzelne Berufsvorbereitungstagebeim zukünftigen Ausbildungsbetrieb sehr wertvoll sind. So können für einen behutsamen Übergang vonder Schule in den Arbeitsprozess noch fehlende Kompetenzen erkanntund (weiter-)entwickelt werden.

Der IV-Stelle Schwyz ist es gelungen,für sechs von acht Schulabgänger der Sonderschule im Sommer 2017 eine Anschlusslösung in Form einer Ausbildung PrA im 1. Arbeitsmarkt zu realisieren. Auch im 2018 konnten weitere Jugendliche ihre Ausbildung im 1. Arbeitsmarkt starten. Für das Jahr 2019 haben sich bereits wieder Arbeitgeber zum Projekt«S’passtZäme» bekannt und Ausbildungsverträge unterzeichnet.

In Zusammenarbeit mit den Jugendlichen, den Familien und den Partnern der IV-Stelle können Ausbildungen PrA im 1. Arbeitsmarkt realisiert werden. Nicht nur die erfolgreiche Zu-sammenarbeit aller Partner ist entscheidend, auch die Offenheit der Jugendlichen ist unverzichtbar. Und nebst den Jugendlichen der wichtigste Akteur: Der Arbeitgeber. Denn Erfolg hat nur, wer eine Chance dazu bekommt. Die PrA im 1. Arbeitsmarkt bedeutet sowohl für die Jugendlichen als auch für die Arbeitgeber eine enorme Chance. Der Berufsbildungsplan kann mit den Ressourcen des Jugendlichen abgestimmt werden. So gelangen nach der zweijährigen Ausbildung gute und motivierte Praktikerauf den Arbeitsmarkt.


«Die praktische Ausbildung PrAim 1. Arbeitsmarkt bedeutet sowohlfür die Jugendlichen als auch für dieArbeitgeber eine enorme Chance.»

 

PrA in Kürze
– Niederschwellige berufliche Erstausbildung
– Dauert 2 Jahre Individueller «Bildungsplan» – Stärken des Jugendlichen werden gefördert – Richtet sich an Jugendliche mit Lern- und Leistungseinschränkungen
– Sollte vermehrt im 1. Arbeitsmarkt realisiert werden
– Beinhaltet eine individuelle Berufsfachschule (1 Tag pro Woche)
– Wird durch die IV-Stelle und weitere Partner fachlich und finanziellunterstützt

Folgende Arbeitgeber ermöglichen in ihren Betrieben bereits Praktische Ausbildungen nach dem Konzept «S’passt Zäme». Sie ermöglichen Jugendlichen mit Lern- und Leistungsbeeinträchtigung eine Chance zur sozialen- und beruflichen Integration. Ihnen gebührt ein grosser und herzlicher Dank.
Gemeinde Illgau, Pflegezentren der Gemeinde Freienbach, Kronenmetzg Rothenthurm, Vamuki Chinderhuus Wädenswil, GemeindeLachen, Hauser Gärten AG Freienbach

Möchten Sie als Arbeitgeber einem jungen Menschen mitBeeinträchtigungen eine Chance geben?

Thomas Holzgang, Bereichsleiter berufliche Integration derIV-Stelle Schwyz, gibt Ihnen gerne Auskunft.thomas.holzgang@aksz.ch, 041 819 05 38

Wenige Zentimeter,grosser Unterschied

(Freiburger Nachrichten)

334 Haltestellen entlang von Kantonsstrassen werden umgebaut, damit Menschen mit eingeschränkter Mobilität selbstständig in Busse einsteigen können. Der Grosse Rat hat dafür 21 Millionen Franken genehmigt.


An vielen Haltestellen im Kanton ist die Kantenhöhe zum Einstieg in Busse ungenügend.Bild Corinne Aeberhard/a

 

Urs Haenni
FREIBURG 17 bis 21 Zentimeter müssten es sein, in der Realität sind es aber meist weniger als 15 Zentimeter. Dieser Unterschied in der Höhe der Bushaltekanten bringt es mit sich,dass der Kanton nun 21,2 Millionen Franken aufwendet, um 334 Bushaltestellen anzupassen. Der Grosse Rat hat einen entsprechen den Dekretsentwurf gestern mit 85 zu 0 Stimmen genehmigt. Damit kommt Freiburg den Vorgaben des Bundesgesetzes über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen nach.

Insgesamt gibt es im Kanton Freiburg 1456 Bushaltestellen,von denen sich rund die Hälfte auf Kantonsstrassen befinden. Nach einer Kosten-Nut-zen-Analyse hat der Kanton 334 Haltestellen aufgelistet,die baulich verändert werden sollen. Diese Arbeiten kosten 26,5 Millionen Franken. NachAbzug der Beiträge der Ver-kehrsunternehmen verbleibendem Kanton noch 21,2 Millionen Franken. Nicht zu diesen Kosten gehören allfällige Unterstände. Diese gehen zulasten der Gemeinden.

Staatsrat Jean-Franwis Stei-ert (SP) betonte, dass die Kos-ten nicht präzise für jede ein-zelne Haltstelle errechnet wur-den, sondern dass es sich um eine Schätzung aufgrund von Erfahrungswerten und der erstellten Studie handle: «Bei den Kosten gibt es einen gewissen Spielraum, der globale Rahmen wird aber ausreichen.»

Er betonte, dass die Liste der Haltestellen sich weiter entwickeln könne. Seit der Studie seien einige Haltestellen schon angepasst worden,weitere können neu auf die Liste kommen. Zu bedenken gelte esauch,dass die Haltestellen nicht nur für Menschen mit einer Behinderung, sondern auch für solche mit eingeschränkter Mobilität angepasst werden. Dazu gehören ältere Personen, die immer länger zu Hause leben.

Warum erst jetzt?

Die Bundesgesetzgebung stammt aus dem Jahr 2004,und die Übergangsfrist beträgt 20 Jahre. «Wir schaffen es nicht, bis Ende 2023 alle Halte-stellen anzupassen», sagte Steiert. «Aber das Ziel des Staatsrats war es,vorwärtszumachen und die Ressourcen da für bereitzustellen.» Während die Notwendigkeit im GrossenRat nicht bestritten war, wurde doch Kritik zum zeitlichen Verzug laut. «15 Jahre wurde nur wenig gemacht, und jetztbesteht für die nächsten fünf Jahre ein grosser Aufholbedarf», kritisierte Simon Bischof(SP, Ursy).

Benoit Rey (CSP, Freiburg)sagte: «Wir müssen unsere Haltung ändern. Das heisst: Nicht immer erst zuwarten und dann reagieren. 21 Millionen Franken scheint ein hoher Betrag zusein. Hätte man regelmässiger investiert, wären die Kosten nun nicht so hoch.»

«Warum werden die Anpassungen so spät gemacht?»,fragte auch Ueli Johner (SVP,Kerzers). «Vermutlich hat das mit den vielen Wechseln beiden Vorstehern der Baudirektion zu tun».Cédric Pélard (La Broye c’est vous, Aumont) wollte wissen, ob Gemeinden Subventionen erhielten, wenn diese einen neuen Standort statt eine rumgebauten Haltestelle wollen. Eine Subventionierung sei gesetzlich nicht möglich, entgegnete Steiert. «Gemeinden können sich aber in die Diskussion einbringen», sagte Kommissionssprecher Jean-Daniel Wicht (FDP, Villars-sur-Gläne).Beim Erstellen der Studie sei der Gemeindeverband konsultiert worden.

Zahlen und Fakten

Ein Inventar derBuskanten

Die Baudirektion hat ineiner Studie 1456 Buskanten erfasst, acht davon sind im Umbau und 35 bereits hindernisfrei. Von 739 Haltestellen auf Kantonsstrassen erfüllen 240 das Kosten-Nutzen-Verhältnis. 94 weitere kamenauf die Liste. Die Gesamtkosten betragen 26,5 Millionen Franken. 20 Prozent davon bezahlen Verkehrsunternehmen.(uh)

EL-Revision: Unter dem Strich hinnehmbar, trotz bitterer Pillen

(sgb/uss)

Reaktion einer breiten Allianz auf die Revision der Ergänzungsleistungen


ältere Dame mit Pflegerin im Pflegeheim Foto: © wavebreakmedia / istockphoto.com

 

Die EL-Allianz sieht die vom Parlament verabschiedete Revision der Ergänzungsleistungen mit gemischten Gefühlen. Die überfällige Erhöhung der Mietzinsmaxima ist das zentrale Element, weshalb es diese Vorlage – trotz Kürzungen – unter dem Strich zu akzeptieren gilt.

Die Allianz Ergänzungsleistungen – bestehend aus SeniorInnenverbänden, Verbänden der Menschen mit Behinderungen, ArbeitnehmerInnenorganisationen, Frauenorganisationen sowie dem Mieterverband – hat die Beratung der soeben abgeschlossenen EL-Revision stets eng begleitet und sich dabei beharrlich für die Rechte und Ansprüche der Betroffenen starkgemacht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des Verfassungsauftrags der sozialen Existenzsicherung der 1. Säule: Ergänzungsleistungen müssen ein würdiges Leben ermöglichen, sie sind keine wohlwollende sozialstaatliche Hilfeleistung, sondern ein verfassungsrechtliches und gesellschaftliches Gebot.

Die rechtsbürgerliche Mehrheit hat leider eine Reihe schmerzhafter Sparmassnahmen in die EL-Revision eingebaut. Neben der völlig unnötigen Senkung der Vermögensfreibeträge, sind dies die Kürzungen der Beiträge für Kinder sowie die Herabsetzung des EL-Mindestbetrags. Demgegenüber steht jedoch, dass die seit 2001 nicht an die Mietpreisentwicklung angepassten Beiträge für Mieten endlich deutlich erhöht werden. Das ist eine lange erwartete, substanzielle Entlastung für einen Grossteil der BezügerInnen. Auch ein wichtiger sozialpolitischer Fortschritt ist die Schaffung der Möglichkeit, dass Arbeitnehmende, die im Alter ihren Arbeitsplatz verlieren, in ihrer angestammten Pensionskasse verbleiben können. Positiv ins Gewicht fällt zudem die neue Anrechenbarkeit der Kosten für externe Kinderbetreuung.

Politisch negativ zu bewerten ist die Verknüpfung der EL-Revision mit der ursprünglich separaten Vorlage zur Erhöhung der Mietzinsmaxima. Dank dem Druck der EL-Allianz wurde aber eine Reihe weiterer von der rechten Nationalratsmehrheit geforderter Kürzungsmassnahmen verhindert. So wird es keine Sanktionen bei PK-Kapitalbezug geben und auch die volle Rückerstattung der Krankenkassenprämien bleibt erhalten. Die diesbezüglichen Kürzungsvorschläge hat die EL-Allianz vehement bekämpft und dabei unmissverständlich klargemacht, dass ein Referendum die unmittelbare Konsequenz ihrer Annahme sein würde.

Nun muss die EL-Revision zügig in Kraft gesetzt werden, da insbesondere die beschlossene Erhöhung der Mietzinsmaxima Not tut. Aber auch die Umsetzung des revidierten Gesetzes auf Verordnungsebene wird entscheidend sein. Dabei muss dem Charakter der EL als Versicherungsleistung bestmöglich Sorge getragen werden (z.B. bei den Regelungen zum Vermögensverbrauch). Die Organisationen der EL-Allianz werden sich aktiv an der dazu erwarteten Vernehmlassung beteiligen. Essenziell ist aber auch, dass der Bundesrat die stets vorhandene Verordnungskompetenz zur Anpassung der Mietzinsmaxima an die Preisentwicklung in Zukunft endlich wahrnimmt. Nach dem parlamentarischen Grundsatzentscheid zur Erhöhung dieser Beträge wäre alles andere nicht verständlich.