«Supported Employment»: ein Konzept für die Arbeitsintegration

(Berner Zeitung / Ausgabe Stadt+Region Bern)

Profilist eine Stiftung für Arbeitsintegration, die mit dem Konzept «Supported Employment» arbeitet. Was das ist, wie es angewendet wird und wer das Zielpublikum ist, erklärt Karin Allenbach, die als Job Coach bei Profil tätig ist. Sie weiss auch, wie nachhaltig die Integration ist.

Interview: Marianne Rupp

Was ist Supported Employment?

Supported Employment ist ein Handlungskonzept. Es dient dazu, Menschen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt in die Arbeitswelt zu integrieren und sie unterstützend zu begleiten.

Was bedeutet «erschwerter Zugang»?

Damit sind Menschen gemeint, die aufgrund von Erkrankungen oder Beeinträchtigungen, egal ob physischer oder psychischer Natur, auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Das können beispielsweise Menschen mit Behinderungen sein, aber auch Langzeit-Stellensuchende oder Sozialhilfeempfänger.

Wie funktioniert Supported Employment?

Ein Leitsatz lautet: Zuerst platzieren, dann trainieren. Das heisst, wir vermitteln unsere Kandidaten ohne vorbereitende Aufbauprogramme oder Orientierungskurse direkt an einen Arbeitsplatz, wo sie on-the-job lernen. Die Integration erfolgt in den ersten Arbeitsmarkt und nichtineine geschützte Einrichtung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der personenzentrierte Ansatz: Wir unterstützen die Kandidaten gemäss ihren individuellen Fähigkeiten, Interessen und Wünschen und helfen ihnen auch, selbstbestimmt zu handeln.

Woher kommen Ihre Kandidaten?

In der Regionalstelle Ostschweiz von Profil werden uns hauptsächliche Leute von der IV oder den regionalen Arbeitsvermittlungszentren vermittelt. Zusätzlich haben wir kantonale Verträge, sodass sich Menschen mit voller IV-Rente direkt bei uns melden können. Wer die Auftraggeber sind, hängt davon ab, mit welchen Organisationen oder Unternehmen die Regionalstellen Verträge ausgehandelt haben

Wie gehen Sie bei der Arbeitsintegration vor?

Supported Employment besteht aus vier Schritten. Im Rahmen der Auftragsklärung lernt man sich kennen und klärt ab, welche Erwartungen und Wünsche die Kandidatin hat und in welche Richtung dieArbeitssuche gehen soll. Je nach Auftraggeber gibt es dazu klare Vorgaben und ich schaue, inwiefern sich diese mit den Wünschen der Kandidaten decken. In der zweiten Phase, dem Profiling, stehen die Fähigkeiten, Stärken und Ressourcen der Kandidatin im Fokus. Drittens geht es darum, einen passenden Arbeitsplatz zu finden und nicht, wie in der klassischen Stellenvermittlung, einen passenden Stellensuchenden auf eineoffeneStelle zu vermitteln. Aktive Akquisition des Job Coaches ermöglicht Schnuppertage oder Praktika. Diese dienen dem gegenseitigen Kennenlernen. Praktika sind zudem wertvoll, weil sie den Kandidaten erlauben, neue Bereiche auszutesten.


Karin Allenbach arbeitet als Fachberaterin Arbeitsintegration/Job Coaching bei der Regionalstelle Ostschweiz von Profil – Arbeit&Handicap (www.profil.ch), einer Stiftung der Pro Infirmis Schweiz. Allenbach ist eidg. dipl. Arbeitsagogin und hat den CAS Supported Employment absolviert. Foto: zVg

 

Was ist der vierte Schritt?

Er betrifft die Unterstützung im Job. In welcher Form und wie häufig die Unterstützung stattfindet, hängt vom Bedürfnis und der Situation des Kandidaten und des Arbeitgebers ab. Das können eine anfängliche Begleitungzur Arbeitoder regelmässige Standortgespräche sein. Supported Employment geht von einer langfristigen Unterstützung aus und zwar für alle Beteiligten.Allerdingskann es je nach Auftraggeber sein,dassich meine Arbeit abschliessen muss, wenn der Kandidat eine Stelle gefunden hat.

Wie unterstützenSie die Arbeit- geber?

Zuerst bespreche ich mit meiner Kandidatin, was ich dem Arbeitgeber sagen darf, denn die transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist grundlegend. Mit dem Arbeitgeber kläre ich vorab, welche Arbeiten auf Grund der Einschränkungen meiner Kandidatin möglich sind. Grundsätzlich sollte ein Arbeitgeber über arbeitsrelevante Faktoren informiert werden, etwa ob jemand mehr Anleitung benötigt wegen einer Lernschwäche oder ob jemand auf einen langsamen Einstieg ohne Druck angewiesen ist, beispielsweise nach einem Burnout. Ob die Arbeitsintegration funktioniert, hängt nicht nur vom Kandidaten selbst ab, sondern auch von seinemArbeitsumfeld.

Welche Einschränkungen haben Ihre Klienten?

Die psychischenBeeinträchtigungen, etwa Burnout oder Depressionen, sind die häufigsten und sie haben in den letzten Jahren zugenommen. An zweiterStelle stehen krankheits- oder körperlich-bedingte Einschränkungen, wie Multiple Sklerose oder ein Leben im Rollstuhl. Oft unterstützen wir auch Menschen mit Lernschwächen.

Was braucht es, damit Supported Employment erfolgreich ist?

Die Motivation des Kandidaten. Er muss motiviert sein, beim ganzen Prozess mitzuarbeiten, eine neue Stelle zu finden und sie zu behalten. Allerdings spielen auch andere Faktoren eine Rolle, etwa die aktuelle Wirtschaftslage,in welchem Bereich die Arbeitssuche stattfindet oder wie viele Arbeitgeber zur Auswahl stehen.

Wie nachhaltig sind die Arbeitsintegrationen?

Durchschnittlich behalten 60 Prozent unserer Kandidaten ihre Anstellung. Wenn es zur Kündigung kommt, geht sie zu 75 Prozent vom Arbeitgeber aus.Als Hauptgründe werden eine gesundheitliche Verschlechterung oder eine mangelnde Integration genannt. Wenn wir unsere Arbeit abgeschlossen haben, liegt es am ehemaligen Kandidaten oder am Arbeitgeber, uns beizuziehen, falls Probleme auftauchen.

Seit 2021 läuft das vierjährige, nationale Pilotprojekt «Supported Employment 50plus», Auftraggeberin ist das Seco und Profil ist eine der ausführenden Institutionen. Was steckt hinter dem Projekt?

Das Konzept Supported Employment wird auf Stellensuchende angewendet, die über 50 Jahre alt sind und kurz vor der Aussteuerung stehen. Beim Zielpublikum stehenalso nichtdie gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Vordergrund. Allerdings sehe ich bei meinen älteren Kandidaten, dass die Gesundheitsthematik ab einem gewissen Alter häufig eine Rolle spielt. Momentan arbeite ich erst mit einem Kandidaten, der das Projektangebot nutzt, daher kann ich dazu noch nicht mehr sagen.