Gratislieferungen durch Freiwillige

(Neue Zürcher Zeitung)

Um Risikogruppen zu versorgen,gehen Detailhändler neue Wege

NATALIE GRATWOHL

Ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen sollten daheimbleiben.Andere stehen unter Quarantäne oder können aus gesundheitlichen Gründen das Haus nicht verlassen. Für manche kaufen Familie, Freunde und Nachbarn ein. Die Lebensmittel zu bestellen, ist für die Betroffenen kurzfristig keine Alternative. Die Online-Shops haben massive Lieferschwierigkeiten.

Wie gehen Online-Shops wie Le-Shop, Coop@home oder Farmy vor, damit die Risikogruppen trotzdem mit Lebensmitteln versorgt werden? Farmy bietet für besonders gefährdete Menschen zusätzliche Liefertermine an. Um sicherzustellen, dass die priorisierten Liefertermine tatsächlich nur von Kunden genutzt werden, die einer Risikogruppe angehören, muss ein Nachweis erbracht werden. Das können Bilder sein, ein Ausweis oder andere Erklärungen. Die Belege werden laut Farmy streng vertraulich behandelt und nicht lokal gespeichert. Für die Migros und Coop kommt ein solches Vorgehen dagegen nicht infrage. Coop verweist darauf, aus Personenschutzgründen keine Informationen über den
Gesundheitszustand einzuholen. Bei der Migros heisst es, das Alter wäre zwar technisch prüfbar, aber für alle anderen Risikogruppen und Personen in Quarantäne sei dies unter anderem aus Überlegungen des Datenschutzes nicht möglich. Die Online-Shops decken in der Schweiz nur einen kleinen Anteil des Umsatzes mit Lebensmitteln ab. 2019 waren es weniger als 3%.

Junge sind gefragt

Um die Versorgung von Risikogruppen sicherzustellen, arbeitet im Tessin der kantonale Krisenstab mit Organisationen wie Pro Senectute, dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK), Pro Infirmis,der Spitex, Nachbarschaftshilfen und Gemeinden zusammen. «Diese Zusammenarbeit funktioniert sehr gut», sagt Peter Burri Follath, Leiter Kommunikation bei Pro Senectute Schweiz. Ähnlich funktioniert die Zusammenarbeit in anderen Kantonen. Viele Organisationen stehen dabei vor einer grossen Herausforderung. Rund ein Drittel derjen-gen, die bisher Freiwilligenarbeit geleistet hätten, seien selber im Pensionsalter,sagt Thomas Hauser, Geschäftsleiter der Dachorganisation der Benevol-Fachstellen für freiwilliges Engagement. Gefragt ist deshalb die Unterstützung durch die Jungen. «Viele junge Menschen, besonders jene, die derzeit keine Arbeit haben,melden sich freiwillig», sagt Hauser.

Daneben sind zahlreiche Initiativen entstanden und haben zum Teil grossen Zulauf. Sie organisieren sich über Facebook-Gruppen, Whatsapp-Chats oder sonstige Online-Plattformen. Zentral ist dabei allerdings, dass die Zielgruppe von den Angeboten erfährt. Deshalb haben auch im Internetzeitalter Aushänge im Quartier nicht ausgedient.

Initiativen der Grossverteiler

Die Grossverteiler Migros und Coop setzen ebenfalls auf Freiwillige und haben entsprechende Initiativen für Gratislieferungen an Risikogruppen ins Leben gerufen. Bei Coop können Kunden ab 65 Jahren Lebensmittel und Hygieneprodukte bestellen, die ihnen freiwillige Helfer des SRK und anderer Partner kostenlos nach Hause liefern. Diese Dienstleistung gibt es vorerst in Bern,Olten, Zürich und Lausanne.

Die Migros bietet seit dieser Woche in Zusammenarbeit mit Pro Senectute kostenlose Lieferungen für Risikogruppen an. Nicht nur Ältere, sondern auch Menschen mit Vorerkrankungen oder Personen, die sich momentan in Quarantäne oder Selbstisolation befinden, können Bestellungen aufgeben. Freiwillige,die sich auf der Plattform registrieren,bringen ihnen die Waren nach Hause.Dafür lässt die Migros die Technologie von Amigos aufleben. Der Heimlieferdienst war 2019 eingestellt worden.

Die lautlose Gefahr

(Basler Zeitung)

Verkehrsregeln Primarschulkinder sollen auf dem Trottoir Velo fahren dürfen. Das beantragt das Bundesamt für Strassen dem Bundesrat. Für Sehbehinderte und Blinde sind Fahrräder auf dem Gehsteig aber ein Unfallrisiko.


Das Trottoir ist für Sehbehinderte im Strassenverkehr wie eine sichere Insel.Foto. Urs Jandas

 

Dina Sambar

Der Basler Hy Tran ist blind. Der Strassenverkehr ist für ihn noch gefährlicher als für Sehende. Die Distanz von Autos, Lastwagen oder auch Trams kann er aufgrund des Motorenlärms einschätzen. Velos sind jedoch auch für ihn je nach Geräuschkulisse kaum hörbar. «Das Trottoir ist für viele Blinde und Sehbehin-derte die sichere Insel», sagt HyTran von der Sehbehinderten-hilfe Basel. Laut dem Schweizerischen Zentralverein für das Blindenwesen (SZBLIND) ist das Trottoir für 377’000 Menschen mit einer Sehbehinderung in der Schweiz der wichtigste Bewegungskorridor im öffentlichen Raum: «Nur dank ihm können sie sich selbstständig und sicher fortbewegen.» Doch nun droht ihnen diese Sicherheit abhandenzukommen.

Geht es nach dem Bundesamt für Strassen (Astra), dürfen Kinder bis zu 12 Jahren bald mit demVelo auf dem Trottoir fahren. So sollen sie vor dem Strassenverkehr geschützt werden. Im Januar liess das Amt durchblicken,dass der Bundesrat noch dieses Jahr eine Altersbegrenzung von 10 oder 12 Jahren definieren werde. Bisher darf das Trottoir nur mit Kinder- oder Spielzeugvelos genutzt werden.

Verschiedene Interessen

Hy Tran ist Vater von zwei jungen Erwachsenen, kennt also beide Seiten der Medaille. Dass Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder besorgt sind, verstehe er.Das sei auch bei ihm vor einigen Jahren so gewesen. Die Alterslimite von 12 Jahren findet er persönlich aber zu hoch: «Wenn ich von einem 6-Jährigen auf einem Kindervelo angefahren werde, ist das nicht so schlimm.Doch 12-Jährige fahren bereits auf Erwachsenenvelos und sind auch mit höherem Tempo unterwegs. Bei einem Zusammenstoss wäre die Verletzungsgefahr gross.» Da Fahrräder kaum hörbar sind, ist Ausweichen für Blinde und Sehbehinderte keine Option: «Die Velos sind eine lautlose Gefahr. Ich hoffe wirklich, dass den schwächeren Sehbehinderten nichts passiert.»

Die geplante Massnahme istfür Sehbehinderte laut dem SZBLIND auch gefährlich, weil den Kindern meist das Wissen fehle, was ein weisser Stock genau bedeute. Zudem seien Kinder weniger gut darin, die Bewegungen und das Reaktionsve-mögen der Fussgänger und ihre eigene Geschwindigkeit richtige inzuschätzen: «Ich erinnere mich noch gut. Als ich in diesem Alter war, wollte ich auf dem Velo so schnell wie möglich fahren. Man kann von Kindern nicht verlangen, dass sie wissen, wie man sich mit dem Velo auf dem Trottoir richtig verhält – zumal es dafür, ausser einem Verbot,auch gar keine Verkehrsregeln gibt», sagt Gerd Bingemann vom SZBLIND. Auch er spricht aus Erfahrung. Vor 52 Jahren wurde er sehbehindert, seit 15 Jahren ist er blind. Zudem hat er eine Hörbehinderung, bewegt sich auf den für ihn wichtigsten Routen jedoch immer noch selbstständig. Der Gedanke, dass bald mehr Velos auf den Trottoirs unterwegs sind, beunruhigt ihn. «Das Astra macht mit dieser Verlagerung des Schutzproblems von der Strasse auf das Trottoir eine hoch problematische Güterabwägung. Die Schwächsten auf der Strasse werden gegen die Schwächsten auf dem Trottoir ausgespielt»,sagt Bingemann und fügt an:«Natürlich müssen Kinder auf der Strasse geschützt werden -übrigens nicht nur Kinder, sondern auch alle Erwachsenen.»Mit der Velofahrerlaubnis für das Trottoir werde ein Loch aufgerissen, um ein anderes zu stopfen.

Kompromiss gefordert

Als Kompromiss schlägt der SZBLIND vor, Kinder bis 8 Jahre auf dem Trottoir fahren zu lassen. Zudem fordert der Zentralverein Massnahmen, die das Problem an den Wurzeln packen. Gemeinden und Städtesollen für mehr getrennte Velo-und Fussgängerinfrastruktur sorgen. Auch die Autofahrer seien mit Verhaltensregeln in die Pflicht zu nehmen.

Der Zentralverein für das Blindenwesen ist nicht der einzige Verband, der sich an der geplanten Regelung stört. Bei der Vernehmlassung haben sich beispielsweise der Verband Fussverkehr, Agile, der Dachverband der Behinderten, die BFU und viele Kantone kritisch zur geplanten Massnahme geäussert. Trotzdem hat das Astra dem Bundesrat offenbar beantragt, diese zu übernehmen. Der SZBLIND hofft trotzdem auf einen Bundesratsentscheid in ihrem Sinne.

Meldestelle für Opfer der IV-Willkür

(handicapforum)

Medienmitteilung von Inclusion Handicap

Haarsträubende Qualität von medizinischen Gutachten,unhaltbare Sparvorgaben von den Behörden: Inclusion Handicap ist entrüstet über die mittlerweile enthüllten Missstände bei der IV. Das Nachsehen haben Menschen mit Behinderungen, die nicht oder nur zum Teil arbeitsfähig sind, die ihnen zustehenden Versicherungsleistungen aber nicht erhalten. Inclusion Handicap befürchtet, dass die Enthüllungen nur die Spitze des Eisbergs sind.

Die Missstände sind erheblich

Kopierte Berichte, Aufträge in Millionenhöhe, tendenziöser Inhalt – die Missstände bei den medizinischen Gutachten der IV sind erheblich, deren Qualität vereinzelt «schludrig». Mehrere skandalöse Fälle sind inzwischen publik geworden, bei denen gewisse Ärzte zu Ungunsten von Menschen mit Behinderungen unseriöse IV-Gutachten erstellt haben. Die veröffentlichten Fälle zeigen, dass die IV-Stellen immer wieder Aufträge an Gutachter vergeben, die tendenziöse Einschätzungen liefern. An Ärztinnen und Ärzte, die teilweise Millionenbeträge kassieren und im Gegenzug systematisch die Arbeitsfähigkeit zu hoch einschätzen – dies auch immer mal wieder völlig gegensätzlich zu den Einschätzungen der behandelnden Ärzte. Die Folgen fürdie Betroffenen können tragisch sein.

Ein paar Bespiele:

– Die IV verweigerte einer Frau aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes berufliche Eingliederungsmassnahmen. Gleichzeitig attestierte ihr der Gutachter eine hundertprozentige Arbeitsfähigkeit.
– Ein Gericht stellte bei einem Gutachter «gewisse Fehlleistungen» fest. Er erhält aber Aufträge voninsgesamt 3.1 Millionen Franken.
– Ein Arzt hat in 16 Gutachten einen komplett identischen Text verwendet – und dabei jeweils 100 Prozent Arbeitsfähigkeit attestiert.

Zudem sollen die IV-Stellen vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) gezielt Sparvorgaben erhaltenhaben. Dies ist einer öffentlichen Versicherung nicht würdig. Gemäss Versicherungsprinzip ist es die Aufgabe der IV-Stellen, den Rechtsanspruch auf eine Leistung ergebnisoffen zu prüfen, und nicht fragwürdige Quotenziele zu erfüllen.

Notwendige Untersuchung – Inclusion Handicap schafft Meldestelle

Bundesrat Alain Berset hat angekündigt, die Missstände untersuchen zu lassen. Inclusion Handicap begrüsst diesen Schritt und fordert rasche Massnahmen, um die unhaltbaren Zustände bei der IV zu beseitigen. Der Dachverband der Behindertenorganisationen bietet Hand, die Untersuchungen zu unterstützen und wird dafür eine unabhängige Meldestelle einrichten, an die sich die Opfer der bisherigen IV-Praxis wenden können.

www.inclusion-handicap.ch


Die Folgen einer willkürlichen Begutachtung können für die Betroffenen tragisch sein.Bild: Bruno Lindau

 

Rekord bei Eingliederung von Menschen mit Beeinträchtigung

(Sozialversicherung Aktuell)

Die Gesamtzahl der im Arbeitsmarkt eingegliederten Personen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung hat im letzten Jahr mit 22 534 Personen einen neuen Rekord erreicht. Laut IV-Stellen-Konferenz (IVSK) bedeutet dies im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg von 6 Prozent. 12 640 Personen konnten dank Unterstützung der IV ihren Arbeitsplatz beibehalten, 1933 Personen konnten im gleichen Betrieb in eine neue Arbeitsstelle wechseln und 7420 Personen fanden eine neue Arbeitsstelle ausserhalb ihres Unternehmens.Zusätzlich gelang es 541 Personen mit einer bestehenden IV-Rente, wieder eine Arbeit aufzunehmen oder ihre Erwerbsfähigkeit zu steigern.

Heidi Hanselmann präsidiert Schweizer Paraplegiker

(Südostschweiz / Linth Zeitung)


Amt in neuen Händen: HeidiHanselmann wird nach DanielJoggi Präsidentin derSchweizer Paraplegiker-Stiftung.Bild SPS

 

Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung hat die abtretende St. Galler RegierungsrätinHeidi Hanselmann zu ihrer neuen Präsidentin ernannt. Sie tritt die Nachfolgevon Daniel Joggi an, der das Amt nach zehn Jahren abgeben wird.

Heidi Hanselmann übernimmt per 1. Juni das Präsidium der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS). Der aus Altersgründen abtretende Daniel Joggi war über 30 Jahre für die Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG) tätig, davon zehn als Stiftungsratspräsident.Mit einer breit abgestützten Gesamtstrategie habe er klare Grundlagen für die weitere Unternehmensentwicklung geschaffen, teilt die Stiftung mit.

Unter Daniel Joggi seien bei den Schweizer Paraplegikern viele bedeutende Erneuerungen umgesetzt worden, die das Leistungsnetz der SPG auf die Zukunft ausgerichtet haben. Ende April tritt der 7o jährige Romand zusammen mit zwei weiteren Stiftungsräten zurück. Das Auswahlverfahren für die Nach folge der zurückgetretenen Mitglieder startete im vergangenen Herbst.

Heidi Hanselmann aus Walenstadt ist 58 Jahre alt und sitzt seit 16 Jahren in der St.Galler Regierung. Bis zum Ende ihrer Amtsdauer im Mai bekleidet die SP-Politikern das höchste Amt als Regierungspräsidentin.Seit 2005 ist die studierte Logopädin zudem im Vorstand der kantonalen Gesundheitsdirektoren der Schweiz(GDK) tätig; seit letztem Jahr als Präsidentin.

«Eine herausfordernde, aberwertvolle Aufgabe»

«Den nachhaltigen Erfolg der Schweizer Paraplegiker-Gruppe sicherzustellen, bedeutet für mich eine herausfordernde, aber auch sehr wertvolle Aufgabe», wird die designierte Stiftung-ratspräsidentin in der Mitteilung zitiert. Ihr sei es wichtig, neue Tendenzen frühzeitig zu erkennen, weitere Entwicklungen zu initiieren und die damit verbundene Umsetzung zu ermöglichen.

Die SPS freue sich, mit Heidi Hanselmann eine kompetente und erfahrene Führungspersönlichkeit für dieses Amt gewonnen zu haben, heisst es in der Mitteilung weiter.

Zwei neue Stiftungsrätinnen gewählt

Nebst Daniel Joggi verlassen auch Vizepräsident Luca Stäger und Christian Betl den Stiftungsrat. Stäger warseit 2014, Betl seit 2009 im Rat engagiert. Der zurückgetretene Präsident Daniel Joggi danke den beiden für ihren langjährigen und grossen Einsatz für die SPS, schreibt die Stiftung.Als Ersatz wurden Manuela Leemann und Isabelle Lamontagne-Müller gewählt.

Leemann ist Rechtsanwältin und arbeitet als juristische Mitarbeiterin bei der Direktion des Innern in Zug.Die 38-jährige Zugerin ist nebenberuflich als Vorstandsmitglied von Pro In-firmis Schweiz aktiv.

Lamontagne-Müller ist Geschäftsführerin der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie Gruppe (SPOG). Die 55-Jährige ist studierte Pharmazeutin und lebt zusammen mit ihrer Familiein Thun. Beide neu gewählten Mitglieder sind querschnittgelähmt und stärken dadurch im Rat die Sicht der Betroffenen.

Die Aufgaben des Stiftungsrates und der Stiftung

Der Stiftungsrat ist das oberste Organder SPS. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die organisatorischen und wirtschaftlichen Leitplanken für eine erfolgreiche Tätigkeit der Stiftung als Trägerin eines umfangreichen Leistungsnetzes für Querschnittgelähmte zu setzen. Und die Stiftung die erfolgreiche Führung aller Unternehmender SPG sicher.

Der Stiftungsrat der Schweizer Paraplegiker-Stiftung setzt sich ab 1. Juni neu aus folgenden Personen zusammen: Heidi Hanselmann (Präsidentin), Jacqueline Blanc, Heinz Frei, Aline Isoz, Barbara Moser Blanc, Kuno Schedler, Martin Werfeli, Manuela Leemann und Isabelle Lamontagne-Müller. Direktor der Schweizer Paraplegiker-Stiftung ist Joseph Hofstetter.

Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung gehört gemäss ihren eigenen Angaben zu den grössten gemein-nützigen Solidarwerken der Schweiz. Die Schweizer Paraplegiker- Gruppe umfasst ein integrales Leistungsnetzfür Menschen mit Querschnittlähmung.

Die Verknüpfung lückenloser Dienstleistungen, von der Unfallstelle über die medizinische Versorgung, Rehabilitation bis zur lebenslangen Begleitung und Beratung, sei einzigartig. 1,8 Millionen Personen sichern mit ihrer Zugehörigkeit zur Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung eine tragfähige finanzielle Basis für die Tätigkeit dieses Solidarwerks. Rund 1800 Mitarbeitende setzen sich täglich für die Erfüllung ihrer anspruchsvollen Aufgaben ein. Die SPS wurde 1975 vom Arzt Guido A.Zäch gegründet. (eing)

Mehr Infos gibt es unter www.paraplegie.chh.

Für eine barrierefreie Schweiz

(Smart Media im Tages-Anzeiger)


Für eine barrierefreie SchweizLaut dem Behindertengleichstellungsgesetz sollte niemand aufgrund einer Behinderung Nachtelle erfahren_Warum dies aber noch nicht Realität ist, erklärt Marc Maser.TEXT FATIMA DI PAN

 

Wer ohne körperliche Einschränkungen durchs Leben geht, für den ist Barrierefreiheit eine Selbstverständlichkeit. Wenn ein Aufzug kaputt ist, nimmt man genervt die Treppe, aber der Alltag wird nicht grossartig beeinträchtigt. Doch für Menschen im Rollstuhl ginge die Situation weniger glimpflich aus. Hilfe muss gesucht werden, Pläne werden umgekrempelt. Stellen Sie sich diese Situation mehrmals täglich vor.Wie würde sich dies auf Ihr Wohlbefinden auswirken?

Der Dachverband Inclusion Handicap setzt sich auf politischer und rechtlicher Ebene für die Rechte von Menschen mit Behinderung ein.« In diesen Bereichen müssen wir feststellen, dass das Verständnis nicht wirklich gross ist», sagt Marc Moser, Kommunikationsver-antwortlicher von Inclusion Handicap. «Das Verständnis ist nicht so ausgeprägt, als dass man konsequent alle Barrieren abbauen möchte.»

Uneingeschränkte Zugänglichkeit

Was ist mit dem Begriff Barrierefreiheit konkret gemeint? Die Stiftung MyHandicap definiert den Begriff als «uneingeschränkte Zugänglichkeit eines Produktes,einer Dienstleistung oder einer Einrichtung, unabhängig von einer möglichen Behinderung oder Erkrankung.»Ziel der Barrierefreiheit ist es also, dass alle Menschen ihrem Alltag nachgehen können, ohne Nachteile aufgrund einer Behinderung zu erfahren.

2014 trat in der Schweiz die Behindertenrechtskonvention der UNO in Kraft. Diese besagt, dass kein Menschin seinen Rechten und Möglichkeiten aufgrund einer Behinderung diskriminiert werden soll. Die Schweiz ist jedoch von einer kompletten Barrierefreiheit noch weitentfernt, obwohl das Behindertengleichstellungsgesetz schon seit 2004 gilt.

Schwacher Diskriminierungsschutz

Marc Moser sagt sogar, dass die Schweiz noch in keinem Bereich wirklich barrierefrei sei: «Ein grosses Problem sind beispielsweise öffentlich zugängliche Dienstleistungen, die von Privaten angeboten werden.Dazu gehören Restaurants, Läden oder Konzertlokale.Menschen mit Behinderungen sind in diesem Bereich äusserst schwach vor Diskriminierungen geschützt.»Die Schweizer Rechtsprechung erlaubt es beispielsweise, dass ein privater Dienstleister einem Rollstuhlfahrer den Zugang verwehrt.

Auch auf dem Arbeitsmarkt sind Behinderte nicht vor Diskriminierung geschützt. So werden eingeschränkte Menschen auf der Arbeitssuche grundlos benachteiligt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Im öffentlichen Verkehr ist die Situation ebenfalls problematisch. «Bis 2023 muss der öffentliche Verkehr per Gesetz für Menschen mit Behinderungen selbstständig nutzbar sein», erklärt Marc Moser, «Vier Jahre vor Ablauf der Frist sind aber kaum 10 Prozent der Bushaltestellen barrierefrei umgebaut, obwohl das Gesetz schon seit 17 Jahren in Kraft ist. Es gibt also überall noch viel zu tun».

Auf fremde Hilfe angewiesen

Viele Fahrzeuge sind für Rollstuhlfahrer noch immer nicht selbstständig benutzbar. Auch für Blinde ist der ÖV nur schwierig zu bewältigen, da eine Vielzahl an Informationen nur visuell ausgedrückt wird, sei es durch Anzeigetafeln oder Bildschirme.

Beim Gang zum Amt sieht es ähnlich aus: Nicht jedes Ratthaus ist für Rollstuhlfahrer zugänglich. Ebenso ist einte Vielzahl an Informationen und Dokumenten nicht in barrierefreier Art, beispielsweise in Braille oder im Audioformat, zu finden. Auch hier sind eingeschränkte Menschen wieder auf Hilfe angewiesen.

Im Diskurs um Barrierefreiheit werden immer wieder Stimmen laut, die sagen, dass man es nicht jedem recht machen könne. Gewisse Personengruppen werden nicht müde zu betonen, dass sogenannte «Extrawürste» eine Menge Geld kosten. Dazu findet Marc Moser klare Worte: «Es geht nicht darum, ob man es jedem recht machen kann, sondern ob jemand das Recht hat,gleichberechtigt an der Gesellschaft teilzunehmen.»

Die UNO-Behindertenkonvention fordert klar die Barrierefreiheit. Demnach sind diese Einwände mehrals überflüssig.

Einfach fragen

Es kommt ab und an vor, dass Menschen ohne Behinderung eine Unsicherheit verspüren, wenn es um das Helfen geht. Aber niemand braucht vor Menschen mit Behinderungen Berührungsängste zu haben. Wenn Sie vermuten, dass jemand Hilfe benötigt, sprechen Sie die Person ruhig an und fragen Sie, ob Sie helfen können.

Behinderungen wecken manchmal auch die Neugier.Natürlich darf man Fragen stellen, jedoch sollte man von zu persönlichen Fragen absehen. «Anstand und gesunder Menschenverstand gelten bei jedem Gespräch, egal ob jemand eine Behinderung hat oder nicht», sagt Marc Moser.

Gesunder Menschenverstand

Einen Rollstuhlfahrer salopp zu fragen, wie es denn sexuell bei ihm so funktioniert, ist höchst unangemessen.Oder würden Sie diese Frage jedem Fremdling stellen? Eben! Abschliessend lässt sich sagen, dass wir den gesunden Menschenverstand öfters zum engen Vertrauten machen sollten. Als Mensch ohne Behinderung die Augen offenzuhalten und sich für Barrierefreiheit einzusetzen, ist nicht schwer, sei es im Alltag oder auf dem Stimmzettel. Es ist jedenfalls einfacher, als mit einem Rollstuhl eine Treppe zu bewältigen.

Briefe an die SÄZ

(Schweizerische Ärztezeitung)

Stören die Deutschen Fliegenden Gutachter? Ja, sie stören!

Brief zu: Weiss M. Der deutsche Arzt als «fliegender Gutachter».Schweiz Ärzteztg. 2020;101(8):270-2.

Anwalt Weiss fragt, ob wir Deutsche Fliegende Gutachter (DFG) benötigen. NEIN! Vorausgesetzt, die Sozialversicherer vertrauen uns Schweizer Haus- und Spezialärzten nach 6 Jahren Studium, mindestens gleich langer Assistentenzzeit und jährlich verlangter Fortbildung. Wir benötigen weder DFG noch Schweizer Gutachterhochburgen. Weiss argumentiert, die DFG seien wirtschaftlich von der IV unabhängig. Aber: «Wess Brot ich ess, dess Lied ich sing», alte Minnensängerweisheit. Zudem: Welcher gute Arzt kann seine Praxis verlassen und für einen Tag im Ausland ihm fremde Menschen begutachten!

Gesundheit und Krankheit des Menschen sind mit seiner Geschichte verwoben. Dazu zwei Beispiele: Tom verbrannte sich als 9-Jähriger mit einer zu heissen Suppe die Speiseröhre, so dass sie vernarbte. Eine epigastrische Fistel war nötig. Bei Wolf und Wolff wurde ihm als erwachsenem Labordiener Prostigmin in den Magen gebracht. Er reagierte mit Krämpfen und Durchfall, späterebenso nach einer Placebolösung und (!) nacheiner Atropininstillation. Tom hatte aufgrundseiner ersten Erfahrung dem Atropin die Bedeutung Prostigmin aufgeprägt, er hatte aus seiner Geschichte gelernt und die zweiteilige Ursache-Wirkungs-Kette in eine dreiteilige verändert:Ursache-Interpretant-Wirkung.Hier erkennen wir die Bedeutung der Lebensgeschichte: Sie gestaltet die Wirklichkeit INDIVIDUELL. Zweites Beispiel: Papst Johannes Paul verkündet eines Morgens seinem Kämmerer, er wolle heute die Sauna besuchen.Dieser: «Heute ist sie gemischt!» Der Papst:«Diese paar Protestanten stören mich nicht.»Papst und Kämmerer haben die gleiche Tatsache aufgrund ihrer Lebenserfahrung individuell und unterschiedlich interpretiert.

Bei den IV-Patienten handelt es sich um Menschen, bei denen ihre Geschichte eine Hauptrolle spielt, mit oder ohne organische Veränderungen. Auch bei «rein Organischen» ist die Geschichte entscheidend. Der eine kann mit der gleichen organischen Störung noch arbeiten, der andere nicht, aufgrund ihrer Geschichte. Diese zu erfassen benötigt die Kenntnis der Geschichte dieser Menschen.Das braucht Zeit und Erfahrung mit ihnen. Diese besitzt der Hausarzt und in einigen Fällen sein Spezialist-Kollege.

Die Lösung: Diese verfassen die nötigen Berichte, Gutachten gestützt auf das moderne,biopsychosoziale Konzept der Medizin, und nicht wie die reinen Gutachter, die sich bedauerlicherweise wie die IV und die Juristen noch auf das aus dem 17. Jahrhundert stammende Biologische Konzept stützen, das unmenschlich ist, der Natur des Menschen nicht entspricht.
Prof. em., Dr. med. Rolf H. Adler, Kehrsatz


Juristische Deutung statt medizinisch fachlicher Diskussion und Differenzierung?

Der Rechtsanwalt Dr. iur. Marco Weiss stellt gegenüber ausländischen «Fluggutachtern» keine stichhaltigen Einwände fest. Dabei zeigt sich eine Problematik, welche sich in der Entwicklung der IV-Verfahren wiederholt zeigt:Juristen übernehmen Auslegung und Deutung, bevor eine differenzierte medizinische Diskussion geführt wurde.

In der Beurteilung psychiatrischer und psychosomatischer Störungen stellen deutsche Gutachterinnen per se tatsächlich kein Problem dar. Es stellt sich generell die Frage der fachspezifischen Qualität von psychiatrischen Gutachterbeurteilungen. Die RELY-Studien I und II des versicherungsmedizinischen Instituts der Universität Basel haben aufgezeigt,dass die gutachterliche Beurteilung psychischer Störungen keine genügende Validität aufweist, dass die Interraterqualität ungenügend ausfällt. In der Studie wurde der Hauptpunkt der Übereinstimmung verschiedener Gutachter-Beurteilungen nicht erfüllt. Die Studienverfasser fragen deshalb, ob es eine gesellschaftliche Diskussion über das Ausmass an gewünschter Übereinstimmung unter Gutachtern brauche [1].

Zudem sollte auch die Einordnung sogenannter psychosozialer Belastungsfaktoren nicht den Juristinnen überlassen werden aufgrund mangelnder diagnostischer Differenzierung.Sonst werden aufgefundene soziale Faktoren pauschal als Belastungsfaktoren und als IV-fremd gewertet. Belastungsfaktoren sollten zwingend unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsentwicklung und allfällig vorhandener Einschränkungen der psychischen Regulationsfähigkeit eingeschätzt werden. Dies bedarf jedoch der vertieften Kenntnis und Erfahrung in der Diagnostik und Behandlungvon Persönlichkeitsfaktoren/-störungen, wie beispielsweise die operationalisierte psychodynamische Diagnostik einen Beitrag dazu leisten kann. Nur so kann unterschieden werden, ob Belastungsfaktoren als «versicherungsfremd» und damit rentenmindernd zu gelten haben oder nicht.

Wenn die Versicherungsmedizin von der Justiz zur Ausdifferenzierung und Qualitätsverbesserung in den Rentenabklärungs-verfahren aufgefordert wird, ist dies ein wünschenswerter Prozess. Wenn stattdessenb aber die Rechtsprechung Beurteilungen im medizinischen Fachbereich vornimmt, so entstehen Unklarheit und absurde hybride Konstrukte (juristische Diagnosekategorie Päusbonog [2], der juristische Krankheitsbegriff usw.), welche nur schwer wieder korrigiert werden können.

Wird die Unschärfe gutachterlicher Einschätzungen gegenüber IV-Juristen und Sozialversicherungsgerichten nicht deklariert, wirkt sich dies gegen die IV-Antragstellerinnen aus.Es braucht weitere medizinisch-fachliche Diskussionen, eine Weiterentwicklung der gutachterlichen Qualität und eine Ausdifferenzierung der IV-Rentenabklärungsprozesse unter stärkerer Gewichtung der Behandlerbeurteilung, um Antragstellerinnen eine faire Beurteilung zukommen zu lassen.

Ende Februar 2020 ist die Meldestelle zu IV-Gutachten des Dachverbandes Behindertenorganisationen Schweiz Incusion Handicap online gegangen. Behandelnde Ärztinnen und Patientinnen können Fälle von Fehlbeurteilungen melden auf inclusion-handicap.ch
Dr. med. Maria Cerletti, Zürich
1.https://www.unispital-basel.ch/lehre-forschung/ebim-forschung-bildung/rely-studie/ergebnisse/
2. Päusbonog = pathogenetisch ätiologisch unklaresyndromale Beschwerdebilder ohne nachweisbareorganische Grundlage


«Fliegende Gutachter»-eine Verteidigungsschrift?

Brief zu: Weiss M. Der deutsche Arzt als sfliegender Gutachter».Schweiz Ärzteztg. 2020:101(8):270-2.

Ich hoffe ja nicht, dass sie wirklich «ein-fliegen», aber das war nur ein Punkt, der mich beim Lesen nachdenklich gestimmt hat. Ein anderer ist, dass wir Schweizer offensichtlich nicht in der Lage sind, der grossen Nachfrage nach Gutachten mit eigenen Ressourcen zu begegnen. Eigentlich sollte ja die Nationalität der Gutachter in einem europäischen Binnenland wie der Schweiz, in dem unsere Nachbarn auch in ganz andern Disziplinen und Berufen gut vertreten sind, nicht die entscheidende Rolle spielen. In den fünf Jahren, in denen ich – nach der altersbedingten Pensionierung – bei der Suva als Versicherungsmediziner tätig sein durfte, gab es Momente,in denen ich der einzige Schweizer am Pausentisch war. Ich habe dort als Vertreter der schneidenden Zunft (das war es schliesslich,was ich kannte und bis dahin tat) auch dank ihrem Wissen und ihrer Kenntnis der schweizerischen Versicherungsmedizin sehr viel gelernt und profitiert. Nun ist es aber beim fliegenden Gutachter so, dass er/sie «besondere Kenntnisse der schweizerischen Versicherungsmedizin nicht vorzuweisen hat». Das tönt so etwas nach «learning by doing», und dabei erinnere mich an die eigenen, durchlaufenen SIM-Kurse mit Abschlussprüfung. Aber ein Gutachten sollte fundiert, umfassend,schlüssig und gnadenlos sachlich sein, denn sonst gibt es ein weiteres Gutachten (zumgleichen Fall). Ob das bei fliegenden Gutachtern bei den oben und im Artikel erwähnten Prämissen immer zutrifft, wage ich zu bezweifeln. Und so tönt dieser Artikel für mich wie eine Verteidigungsschrift der gegenwärtigen Praxis im versicherungsmedizinischen Wesen in der Schweiz, ganz im Tenor «faute de mieux». Wollen wir das? Wo sind eigentlich die Schweizer?

PD Dr. med. Dominik Heim, Facharztfür Chirurgie, Lexlatrik, Luzern

PS. Anschliessend sah ich mir j’accuse, den neuen Film von Roman Polanski zur Affäre Alfred Dreyfus an. Es geht dort um das Recht des Angeklagten und um die Gerechtigkeit.Etwas, was wir mit der Versicherungsmedizin (auch) für die Patienten/Versicherten erreichen möchten. Die realen Fakten im Prozess Dreyfus erlaubten kein richtiges Happy End.Ob dies in der schweizerischen Gutachterszene so erreicht werden kann?

«Behinderte in allen Belangen in Entscheide einbeziehen»

(Bote der Urschweiz)

Ein Postulat fordert einen Wirkungsbericht über die Behindertenpolitik des Kantons.

Franz Steinegger

Leo Camenzind und vier weitere SP-Kantonsräte fordern mehr Bewegung in der Behindertenpolitik des Kantons. Es liege zwar ein «Leitbild der Behindertenhilfe» vor. Das geht jedochauf das Jahr 1992 zurück. Die Verordnung über die Behinderteneinrichtungen stammt aus dem Jahr 2007, und2011 wurde ein «Konzept zur Förderung der Eingliederung von erwachsenen Menschen mit Behinderung im Kanton Schwyz» formuliert. «Wie dieses umgesetzt wurde und wie diesbezüglich der heutige Bedarf aussieht,bleibt der Öffentlichkeit verborgen»,schreiben die Postulanten und fordern den Regierungsrat auf, mit einem Wirkungsbericht über die aktuelle Behindertenpolitik des Kantons Schwyz Auskunft zu geben.

Damit rennen sie bei den Behindertenorganisationen offene Türen ein.Daniel Barmettler erklärt, dass das Konzept aus dem Jahr 2011 für die damalige Zeit mit ihren Rahmenbedingungen einiges abgebildet habe, «aber seither ist im Behindertenbereich vieles passiert». Der kantonale Geschäftsleiter von Pro Infirmis Uri, Schwyz, Zugweist daraufhin, dass zwischenzeitlich die Uno-Behinderten-Rechtskonvention (BRK) unterzeichnet wurde, welche als wichtigen Teil die Wahlfreiheit für Arbeit und Wohnen, politische und gesellschaftliche Partizipation und Gleichstellung einfordert.

Barmettler sieht zwei Handlungsfelder: Bisher sei im bestehenden Konzept vor allem auf den Erwachsenenbereich fokussiert worden, also auf Menschen im erwerbsfähigen Alter.«Das Spektrum muss erweitert werden,denn Behinderung tangiert alle Lebensabschnitte. Auch wird zu wenig berücksichtigt, dass alle Lebensbereiche davon betroffen sind wie Wohnen, Bildung, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie Politik, und nicht nur die Eingliederung in die Arbeitswelt.»

Schwyz fehlt eine Vision zur Behindertenpolitik

Er zeigt dies an einem Beispiel auf: «So kann einer Person mit einer kognitiven Behinderung mittels Informationen in leichter Sprache das Verständnis und der Zugang zu einem Museumsbesuch ermöglicht werden.» Das Gleiche gelte auch für Abstimmungsvorlagen, die für alle verständlich übersetzt sein müssten.

Seine Forderung ist, dass man Menschen mit einer Behinderung in allen Belangen konsequent einbezieht. Sollten im Rahmen der Mitwirkung bei den Betroffenen Assistenzleistungen nötig sein, so müsse dies selbstverständlich ermöglicht werden. «Eine echte Teilhabe bedingt, dass die Ausarbeitung eines Leitbildes immer mit Betroffenen, Organisationen und Ämtern erfolgen muss.»

«Ich verstehe die Forderung nach einem Wirkungsbericht voll und ganz»,erklärt Daniel Barmettler. «Die Zeit ist reif.» Luzern habe kürzlich ein fortschrittliches Leitbild formuliert, Basel sei an der Umsetzung eines Behindertengleichstellungsgesetzes. «Im Kanton Schwyz besteht zwingender Handlungsbedarf in politischer, konzeptioneller und struktureller Hinsicht.» Er wünscht sich, dass Schwyz eine Vision oder Strategie formuliert, welche den heutigen Forderungen einer Uno-BRK Rechnung trägt, damit ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderung möglich wird. «Es muss selbstverständlich sein, dass diese Aufgabe auf die politische Agenda gehört»,unterstreicht Daniel Barmettler.


Menschen mit einer Beeinträchtigung sollen auf allen Ebenen Zugang zum gesellschaftlichen Leben erhalten.Bild: Keystone

 

Für 11,5 Millionen Hindernisse beseitigen

(Der Bund)

Stadt Bern

Der öffentliche Raum soll für Seh- und Gehbehinderte zugänglicher werden. Für 11,5 Millionen Franken will der Gemeinderat deshalb zahlreiche Hindernisse beseitigen.

So sollen in Parks und auf Friedhöfen beispielsweise die Beläge der Hauptwege befestigt werden. Geplant ist auch, weitere weisse taktil-visuelle Streifen auf dem Boden anzubringen. Die Umsetzung erfolgt schrittweise und soll im Frühling 2021 starten, wie der Gemeinderat schreibt. (sda)

Anerkennung von Gebärdensprache

(Doppelpunkt)

Die offizielle Anerkennung der Gebärdensprache ist ein Schritt Richtung Inklusion von Gehörlosen.In der Schweiz ist der Kanton Bern der dritte Stand, der die Anerkennung in Angriff nimmt.

Mit grosser Mehrheit hat der Grosse Rat des Kantons Bern Anfang März ein Postulat zur offiziellen Anerkennung der Gebärdensprache verabschiedet. CVP-Politiker Mohamed Hamdaoui hatte das Anliegen als Motion eingereicht. Der Rat hat es jedoch in ein weniger verbindliches Postulat umgewandelt. Trotzdem sei der Entscheid mit 134 Ja zu elf Nein bei vier Enthaltungen eindeutig und ein Appell für die Inklusion von Gehörlosen in die Gesellschaft, schreibt der Schweizerische Gehörlosenbund in einer Medienmitteilung. Die offizielle Anerkennung der Gebärdensprache ist für die Gehörlosen zentral, da sie trotz geltender gesetzlicher Grundlagen noch immer von vielen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen sind. Harry Witzthum,Geschäftsführer des Schweizerischen.


Inklusion von Gehörlosen

 

Gehörlosenbunds: «Nur mit der offiziellen Anerkennung der Gebärdensprache werden Gehörlose endlich einen angemessenen Zugang zu Verwaltung, öffentlichen Dienstleistungen, Gesundheitsversorgung und Bildung haben – so wie alle anderen Menschen in unseremLand auch.»

Die Schweiz hat 2014 die UNO -Behindertenrechtskonvention unterzeichnet,die unter anderem die Anerkennungund Unterstützung der spezifischen kulturellen und sprachlichen Identität der Gehörlosen, also auch der Gebärdensprache, verlangt. Doch noch immer ist sie eines der wenigen europäischen Länder, welche die Gebärdensprache nicht offiziell anerkennen. Mit Genf, Zürich und nun auch Bern haben erste Kantone diesen Schritt in Angriff genommen. cs