Trotz Behinderung gleichberechtigt leben

(Smart Media im Tages-Anzeiger)

Eine Besucherin im Rollstuhl bleibt vor dem Kino blockiert, weil der Saal nur über eine Treppe erreichbar ist. Ein gehörloser Informatiker nimmt nach jahrelanger Suche eine Arbeit unter seinem Bildungsniveau an. Menschen mit Behinderungen ist es oft nicht möglich, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.


Trotz Behinderung gleichberechtigt leben

 

Die Behindertenpolitik des Bundes will dies ändern. Der öffentliche Verkehr und öffentliche Gebäude sind heute viel besser zugänglich als vor 15 Jahren. Damals wurde das Gesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen eingeführt. Neun von zehn Menschen mit Behinderungen können heute dadurch die öffentlichen Verkehrsmittel selbstständig nutzen.

Weniger gut sieht es aus bei der Selbstbestimmung oder im Arbeitsleben. Denn hier sind die Lücken in der Gleichstellung noch gross. Viele Menschen mit Behinderungen haben wenig Wahlmöglichkeiten bei der Art und Weise, wie sie gerne leben und wohnen möchten. Sie können kein selbstbestimmtes Leben führen. Auch in der Arbeitswelt sind wir in der Schweiz noch weit von der Gleichstellung entfernt. Drei Viertel der Menschen mit Behinderungen haben eine Arbeit. Längst nicht alle davon können aber darin ihre Bedürfnisse oder ihr Potential erfüllen. Sie arbeiten zum Beispiel nicht auf dem Beruf, für den sie ausgebildet wären.


Viele Menschen mit Behinderungen haben wenig Wahlmöglichkeiten bei der Art und Weise, wie sie gerne leben und wohnen möchten.Andreas Rieder

 

Gleichstellung sowie Selbstbestimmung betrifft das ganze Leben. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung konzentriert sich in den nächsten Jahren auf drei Schwerpunkte der Behindertenpolitik. In allen Schwerpunkten unterstützen wir innovative Projekte.

Zugängliche Arbeitsplätze, barrierefreie Arbeitssoftware

Ziel des Schwerpunkts «Gleichstellung und Arbeit» sind inklusive Arbeitsumfelder. Das sind zum Beispiel zugängliche Büros, barrierefreie Arbeitssoftware, ein sensibilisiertes Team, Engagement der Chefetage. Ein Unternehmen mit einem bereits barrierefreien Arbeitsumfeld ermöglicht die Anstellung von Menschen mit Behinderungen und erhält so diversere und innovativere Teams.

Die Chancen der Digitalisierung

Der Schwerpunkt «Barrierefreiheit und Digitalisierung» will die Chancen der Digitalisierung für Menschen mit Behinderungen besser nutzen. Zum Beispiel mit barrierefreien Webseiten und zugänglichen Online-Dienstleistungen. Ist eine Webseite barrierefrei, kann diese beispielsweise mit einem Vorleseprogramm von einer blinden Leserin vollständig genutzt werden.

Selber bestimmen

Schliesslich der Schwerpunkt «Selbstbestimmtes Leben». Zur Selbstbestimmung gehört die Möglichkeit über sich und sein Leben im gleichen Masse wie alle anderen selbst entscheiden zu dürfen. Ein grosses Thema dabei ist die Wohnform oder die Freizeit selber gestalten zu können.

Gleichstellung und Selbstbestimmung betrifft das ganze Leben Andreas Rieder, Leiter des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen

Gleichstellung – ein Test für die Schweiz

Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und ein Test für unser Land und unser Selbstverständnis. Niemand darf aufgrund einer Behinderung diskriminiert oder benachteiligt werden. So steht es in unserer Verfassung.

Unser Ziel: Menschen mit Behinderungen erhalten die volle, autonome und gleichberechtigte Teilhabe am politischen, wirtschaftlichen, sozialen sowie kulturellen Leben. Daran arbeiten wir zusammen mit den Kantonen, den Gemeinden, vielen engagierten Organisationen und mit Menschen mit Behinderungen. Und mit all jenen, die unsere Gesellschaft darin unterstützen, dass Gleichstellung und Selbstbestimmung selbstverständlich werden.Text: Andreas Rieder

Bundesrat setzt Sozialdetektiven klare Grenzen

(Neue Zürcher Zeitung)

Das Innere der Wohnungdarf nicht ausgespäht werdenDer Sozialdetektiv, der mit einem Fernglas bewaffnet ins Schlafzimmer späht im Abstimmungskampf um die Überwachung von Versicherten im Herbst malten die Gegner allerlei Horrorszenarienan die Wand. Sie kritisierten, der Bundesrat habe nicht klar genug definiert, welche Mittel die Detektive nutzen und wosie observieren dürften.Trotzdem stimmtedie Bevölkerung der Vorlage mit fast 65 Prozent Ja- Stimmen zu. Nun hat der Bundesrat die Regeln für die Überwachung festgelegt. In einer Verordnung definierter, wie Sozialversicherungen – vor allem die Invalidenversicherung und die Suva-mutmassliche Betrüger observieren dürfen. Demnach dürfen Detektive das Innere eines Wohnhauses nicht überwachen.Das gilt auch, wenn sie durch ein Fensterspähen könnten. Auch in Gärten oder Höfen, die nicht frei einsehbar sind, dürfen Versicherte nicht beobachtet werden.

Drohnen und Wanzen verboten

Zu den Mitteln, welche die Sozialdetektive bei der Observation benutzen dürfen,legt die Regierung ebenfalls detailliertere Bestimmungen vor: GPS-Tracker sind erlaubt, müssen aber bewilligt werden. Drohnen sind verboten, ebenso Nachtsichtgeräte, Wanzen und andere Abhörgeräte.Es gilt der Grundsatz: Was Versicherte im Privaten sagen, darf nicht verwertet werden.Weiter müssen die Sozialdetektive bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um eine Bewilligung zu erhalten. Sie müssen Rechtskenntnisse, Erfahrung in der Personenüberwachung und eine Observationsausbildung vorweisen können. Dafür schafft der Bund eine neue Ausbildung, die nicht nur für Polizisten zugänglich ist.

Vor der Abstimmung hatte der Bundesrat versichert, es werde ein «öffentlich einsehbares Verzeichnis» geben, in dem alle Sozialdetektive namentlich erfasst sind. Doch IV-Stellen und Kantonsregierungen kritisierten, dass es sowohl für die Versicherungen als auch für die Detektive selbst ein Nachteil wäre, wenn die Namen öffentlich einsehbar wären. Bürgerliche Sozialpolitiker verlangten gar,dass die Namen der Detektive vom Bund gar nicht erfasst werden – da sonst Anwälte oder Journalisten mit Bezug auf das Öffentlichkeitsgesetz fordern könnten,dass die Namen veröffentlicht werden.Auf Letzteres ging der Bundesrat nicht ein. Laut dem Bundesamt für Sozialversicherungen wäre dies nicht möglich gewesen: Da die Bewilligungen alle fünf Jahre erneuert würden, brauche es zwingend ein internes Verzeichnis. Noch sei zudem unklar, wie das Bundesamt, der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte und allenfalls die zuständigen Gerichte über eine Herausgabe der Namen entscheiden würden.

Bewilligung für alle nötig

Eine Debatte gab es auch zur Frage, oballe Detektive eine Bewilligung fürObservationen brauchen. Die Sozialkommission des Nationalrats fand, dasseine Versicherung ihre eigenen Angestellten bereits intern beaufsichtige. Daher empfahl sie, dass der Bund nur beiexternen, freischaffenden Detektiveneine Bewilligung verlangen sollte. DerBundesrat ging darauf nicht ein. Es gebeschlicht keine objektiven Gründe, weshalb für Detektive, die bei einer Versicherung angestellt seien, andere Re-geln gelten sollten.

Ab September 2019 dürfen die Sozial-versicherungen Observationen durchführen. Dabei müssen sie jede Observation dokumentieren sowie die Datensicherheit und die Vernichtung derAkten gewährleisten.

Die betreuenden Angehörigen haben jetzt eine Stimme

(travailsuisse.ch)

Heute wurde in Bern die IGAB (Interessengemeinschaft Angehörigenbetreuung) gegründet, der erste nationale Dachverband der betreuenden und pflegenden Angehörigen. Anlässlich der Gründungsversammlung haben die anwesenden 20 Organisationen und Gesundheitsligen die Mitglieder des Vorstandes und Nationalrat Adrian Wüthrich zum ersten Präsidenten gewählt. Die Mitglieder haben die im ersten Jahr zu bearbeitenden Themen der IGAB festgelegt.

«Wir geben betreuenden und pflegenden Angehörigen in der Schweiz eine Stimme». Unter diesem Leitwort sind heute die Mitglieder des neuen Vereins IGAB zusammengekommen, um die Statuten zu verabschieden und Vorstand und Präsidium zu wählen. Nationalrat Adrian Wüthrich ist für das erste Jahr zum Präsidenten gewählt worden. Er ist seinerseits Präsident von Travail.Suisse, der unabhängigen Dachorganisation der Arbeitnehmenden.

Die aktuelle Botschaft des Bundesrats zuhanden des Parlaments in Bezug auf das Gesetzesprojekt zur Entlastung von erwerbstätigen betreuenden und pflegenden Angehörigen haben die Mitglieder des neuen Vereins IGAB zum Anlass genommen, die Themen und Aktivitäten für das erste Vereinsjahr festzulegen:

1. Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Entlastung der pflegenden und betreuenden Angehörigen : Begleitung des parlamentarischen Prozesses ; auf bestehende Gesetzeslücken hinweisen

2. Kommunikationsstrategie und Sensibilisierungsarbeit

3. Austausch innerhalb des Netzwerkes : Tagungen, Weiterbildungen usw.

Für die IGAB stellen die vier vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen tatsächlich Verbesserungen dar, gehen indes zu wenig weit. Angesichts der enormen Herausforderungen, mit denen sich betreuende und pflegende Angehörige in der Schweiz konfrontiert sehen, reichen sie nicht aus.

Der Vorstand der IGAB setzt sich wie folgt zusammen (in alphabetischer Reihenfolge):

Andreas Bircher, Leiter Entlastungsdienste im Departement Gesundheit und Integration, Schweiz. Rotes Kreuz; Erika Gardi, Leiterin «Betreuung» im Bereich «Vorsorge, Betreuung & Nachsorge», Krebsliga Schweiz; Benoît Rey, Leiter Department «Dienstleistungen Romandie und Tessin», Pro Infirmis Schweiz; Alexander Widmer, Leiter « Public Affairs », Pro Senectute Schweiz;Adrian Wüthrich, Nationalrat und Präsident von Travail.Suisse, Präsident der IGAB während des Gründungsjahrs.

Gemäss den heute verabschiedeten Statuten wird das Präsidium von den Mitgliedern des Vorstandes im Turnus wahrgenommen.

Die Führung der Geschäftsstelle der IGAB wurde an Travail.Suisse übertragen. Leiterin ist Valérie Borioli Sandoz, bei Travail.Suisse verantwortlich für die Gleichstellungspolitik.

Die IGAB ersetzt die im April 2017 unter dem Namen « Nationale Interessengemeinschaft für betreuende und pflegende Angehörige » gegründete einfache Gesellschaft.

Für mehr Informationen :

Valérie Borioli Sandoz, Leiterin Geschäftsstelle IGAB, Tel. 079 598 06 37, sekretariat@igab-cipa.ch

Adrian Wüthrich, Nationalrat und Präsident IGAB, Tel. 079 287 04 93

Gleich viele IV-Neurenten

(Walliser Bote)

BERN

Mit 15400 hat die Invalidenversicherung (IV) 2018 etwa gleich viele Renten neu zugesprochen wie in den Vorjahren. Zudem führte sie mehr Massnahmen zur beruflichen Integration durch. Die Missbrauchsbekämpfung geschah ohne Observationen.Die Observationen sind seit August 2017 eingestellt. Die vom Volk im November neue Gesetzesgrundlage für Sozialdetektive ist noch nicht in Kraft.

Die IV schloss im vergangenen Jahr 1930 vermutete Missbrauchsfälle ab. In 610 von ihnen erwies sich der Verdacht als gerechtfertigt. Die Renten wurden herabgesetzt oder gestrichen. In 100 dieser abgeschlossenen Fälle waren die Verdächtigen bis August 2017 noch observiert worden. Aufgrund dieser Observation gingen 70 Betrüger ins Netz,wie die IV am Donnerstag mitteilte.sda

Wo der IV-Chef das fehlende Geld herholen will

(Neue Zürcher Zeitung)

Die Invalidenversicherung schreibt 2018 ein Defizit und verzeichnet leicht mehr Neurenten

TOBIAS GAFAFER

Kaum ist die Zusatzfinanzierung ausgelaufen, schreibt die IV wieder rote Zahlen. Das Defizit betrug im vergangenenJahr 65 Millionen Franken, mit den Anlageverlusten 240 Millionen. Dieses ist zwar in Relation zu den Gesamtausgaben von über 9 Milliarden zu setzen.Ohne die Finanzspritze wäre der Fehlbetrag aber höher ausgefallen. Zudemstieg 2018 im Vergleich zum Vorjahrauch die Zahl der Neurenten um 700.Dies geht aus einem Dokument hervor,welches das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) am Donnerstag veröffentlichte. Ist die Sanierung des Sozialwerks also tatsächlich auf Kurs, wie das Innendepartement von Alain Berset(sp.) beteuert?

Man sei noch nicht am Ziel, aber auf dem richtigen Weg, sagt Stefan Ritler, Leiter der Invalidenversicherung beim BSV, auf Anfrage. «Vor zehn Jahren waren wir auf der , heute sindwir auf einem Postschiff auf der norwegischen Hurtigruten.» Auch dort gebe es aber Klippen und man müsse aufpassen,dass man auf Kurs bleibe, so umschreibter den Zustand des Sozialwerks. Für die Sanierung bleibe noch bis 2031 Zeit, wie es der Bundesrat erwarte. Dieser sei der Ansicht, dass keine Sparmassnahmen nötig seien und die Massnahmen zur Weiterentwicklung der IV ausreichten.Das bedinge aber auch eine gewisse Disziplin auf der Ausgabenseite, sagt der Chefbeamte. «Es ist nicht die Zeit für Ausbaupläne.»

Höhere Einnahmen

Die IV steht jedoch weiterhin mit 10,3Milliarden beim AHV-Ausgleichsfondsin der Kreide. 2018 nahm sie keine Rück-zahlung vor. Die Annahme der AHV-Steuer-Vorlage verschafft der ersten Säule zwar bis 2023 Luft. Dennoch ist diese darauf angewiesen, dass die Invalidenversicherung ihren Schuldenberg bald abträgt. Ein Abbau sei trotz dem Defizit von 2018 realistisch, sagt Ritler.

«Es ist nichtdie Zeit fürAusbaupläne.»


Stefan RitlerLeiter der Invalidenversicherung

 

Die Neubemessung des Bundesbeitragsan die IV werde über die nächsten Jahre zu höheren Einnahmen von mehreren hundert Millionen führen. 2018 hättender IV wegen eines Sparprogramms des Bundes dagegen rund 60 Millionen gefehlt, hinzu seien Mehrausgaben von rund 40 Millionen gekommen. In seinen Prognosen für 2018 rechnete das BSV noch mit einem ausgeglichenen Ergebnis- nicht zum ersten Mal erwiesen sichdiese als zu optimistisch.

Die leichte Zunahme der Neurenten ist gemäss Ritler vor allem mit einer angepassten Berechnungsmethode zu erklären. Diese führte der Bund wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg ein. Dadurch erhielten teilerwerbstätige Rentner höhere Leistungen. Zudem bauten einige kantonale IV-Stellen 2018 grössere Pendenzen ab. Gewisse Schwankungen seien normal, sagt Ritler. Im laufenden Jahr rechnet ernicht mit einer Abnahme. Eine Trendwende sei bei der IV jedoch nicht zu beobachten. Die Zahl der laufenden Renten in der Schweiz und im Ausland sank 2018 weiter leicht. Seit dem Höchststand von 2003 hat diese dank mehreren IV-Revisionen um 45 Prozent abgenommen, wie das BSV mitteilte. Auf Kurs sieht sich dieses auch, weil gleichzeitig deutlich mehr Massnahmen zur beruflichen Eingliederung durchgeführt wurden. 43 500 Personen beanspruchten eine solche im vergangenen Jahr.

Nationalrat will sparen

Der Nationalrat beurteilt die Entwicklung der Sozialversicherung dagegen weniger optimistisch. Im März beriet erdie IV-Reform des Bundesrats, die vorallem die Eingliederungsmassnahmen für Junge verstärken will. Und beschloss,die Zulagen für IV-Rentner mit Kindern um 10 Prozent zu senken. Ob dies auch im Ständerat eine Mehrheit findet, ist jedoch fraglich. Die Sozialkommission will die Beratung der laufenden IV-Reformim August aufnehmen, wie Präsident Joachim Eder (Zug, fdp.) sagt.

Neue Abgeltung unter Beschuss

(Luzerner Zeitung)

Soziale Einrichtungen Seit Anfang Jahr wird die Betreuung von Behinderten leistungsorientiert abgegolten. DasSystem sei aber nicht praxistauglich, sagen die Heime. Trotzdem will es die Regierung im Gesetz festschreiben.


Die Dauer einer Leistung, hier in der Stiftung Rodtegg, wird nicht erfasst.Bild: Boris BürgisserLuzern, (15.5.2019)

 

Niels Jost
nielsjost@luzernerzeitung.ch
Der Kanton Luzern tüftelt derzeitan einem neuen Abgeltungssystem für soziale Einrichtungen.Seit Anfang Jahr werden Leistungen im stationären Bereich Wohnen und Tagesstruktur für Erwachsene mit Behinderungen nicht mehr pauschal, sondern leistungsorientiert abgegolten.Die Institutionen müssen dabei den individuellen Betreuungsbedarf (IBB) erfassen. Damit sollen Leistungen transparent und zwischen den Institutionen vergleichbar werden.

Obwohl die Organisationen schon gut fünf Monate mit dem System arbeiten, wird die gesetz-liche Grundlage erst noch geschaffen. Dies mit der Teilrevision des Gesetzes über sozialeEinrichtungen (Ausgabe vom28. Dezember). Eine Umfrage unserer Zeitung zeigt: Mit dem System sind viele Organisationen unzufrieden. Es führe zu grossem administrativen Mehraufwand, weil jede Leistung separat erfasst,mit Punkten versehen und fünf Stufen zugeordnet und abgegolten werden muss. «Diese Vereinfachung macht das System ungenau und somit auch undurchsichtig»,sagt etwa Luitgardis Sonderegger-Müller. Die Direktorin der Stiftung Rodtegg fügt an: «Das IBB-System ist nicht realitätsnah und widerspiegelt auch nicht die tatsächlich erbrachten Leistungen.»

System berücksichtigt nur Häufigkeit, nicht Dauer

So werde zwar erfasst, wie häufig jemand zum Beispiel geduscht oder beim Essen unterstützt wird,aber nicht, wie lange dies dauert.«Es ist doch ein grosser Unterschied, ob eine Betreuungsperson dafür zehn oder 50 Minuten aufwenden muss», so Sonderegger.Daher sei es auch nicht möglich,die erbrachten Leistungen der unterschiedlichen Institutionen miteinander zu vergleichen.

Auch die Stiftung für Schwerbehinderte Luzern (SSBL) hat gewisse Vorbehalte, was die Vergleichbarkeit betrifft. Zwar begrüsst sie die leistungsorientierte Abgeltung grundsätzlich. Aller-dings müsse dieses flexibler definiert werden, um etwa Sonderfälle besser abdecken zu können,so Direktor Pius Bernet: «Zur besseren Kostengenauigkeit müsste der Kanton den Mut haben, das System zu verfeinern,das heisst, Ausnahmen und höhere sowie tiefere Sonderstufen zuzulassen.»

Bedenken hat auch Bruno Ruegge. Der Geschäftsleiter der Stiftung Contenti in Luzern merkt an, dass der IBB defizitorientiert sei – also die Aufmerksamkeit auf die Schwächen der Personen lenkt, nicht auf deren Stärken. «Das widerspricht dem formulierten Ziel von Ermächtigung und Teilhabe.» Zudem stehe die Einführung des IBB -Systems im stationären Bereich im Widerspruch dazu, dass der Kanton gleichzeitig ambulante Angebote fördern möchte. Denn in diesem Bereich gilt die Subjektfinanzierung. «Somit gibt es weiterhin unterschiedliche Finanzierungsarten», so Ruegge.

Dasselbe kritisiert Martina Bosshart, Geschäftsleiterin von Pro Infirmis Luzern, Ob- und Nidwalden. Sie begrüsst zwar diegenerelle Stossrichtung der Gesetzesrevision, da der Kanton mehr Selbstbestimmung und Wahlfreiheit ermöglichen sowie ambulante Angebote fördern will. Vor diesem Hintergrund sei es aber «unverständlich», wieso die Regierung jetzt noch auf ein System setze, welches nur für den stationären Bereich konzipiertist. Für eine regional breit gestreute, gemeindeintegrierte Angebotsvielfalt müsse vielmehr die Durchlässigkeit zwischen den ambulanten und stationären Angeboten verbessert werden. Gemeint ist damit, dass Personen mit Behinderungen darauf angewiesen sind, zwischen ambulanten und stationären Angeboten hin und her wechseln zu können,wenn zum Beispiel pflegende Angehörige ausfallen. Dies bleibe nun wegen der unterschiedlichen Finanzierungsmodelle aber weiterhin kompliziert, etwa was die Abrechnung betrifft. «Wir hätten erwartet, dass der Kanton Luzern unter Einbezug aller Akteure direkt ein zukunftsfähiges Bedarfsabklärungs- und Finanzierungssystem für alle Betroffenen gewählt entwickelt hätte», so Bosshart.

Sie plädiert daher für eine«konsequente, unbürokratische Subjektfinanzierung und die individuelle Bedarfserhebung aller Leistungsbezüger durch eine unabhängige Abklärungsstelle ».Eine solche Stelle kennt Luzern nicht. Sie könne aber aufzeigen,welche ambulanten und stationären Angebote in Frage kommen.

Regierung hat mit neuem System mehr Kontrolle

Nicht alle sozialen Einrichtungenteilen diese kritische Haltunggegenüber dem IBB. Die Einführung dieses Systems hält Martin Schelker, Geschäftsleiter bei Novizonte, für «sehr pragmatisch».«Klar ist die Einstufung miteinem gewissen Zusatzaufwandverbunden», sagt er, «doch fürunsere Institution mit 45 Plätzenhält er sich in Grenzen.»Der Regierungsrat erhofft sichvom IBB ein einheitlicheres Leis-tungs- und Kostenrechnungssystem, das Vergleiche zwischenden Institutionen zulässt. Auchsollen die Leistungen dank des IBB besser dokumentiert werdenkönnen. Mit anderen Worten: DerKanton möchte sicherstellen,dass er nur jene Leistungen zahlt,die er auch bestellt.

Entwickelt wurde der IBB von den Ost schweizer Kantonen und Zürich, verwendet wird er auch inanderen Deutschschweizer Kantonen. Wegen der erwähnten Mängel sind in einigen Kantonen allerdings Bestrebungen in Gange, das System bereits wieder zu wechseln. Im Rahmen der Vernehmlassung zur Gesetzesteilrevision sind beim Luzerner Gesundheits- und Sozialdepartement über 100 Stellungnahmen eingegangen, wie Departementssekretär Guido Roos auf Anfrage sagt. Inwiefern diese berücksichtigt werden, wird sich noch vorden Sommerferien zeigen: Dann wird der Regierungsrat die definitive Botschaft verabschieden. Der Kantonsrat berät das Gesetz voraussichtlich im September.

Ganz einfach

(derbund.ch)

Der Kanton Bern will prüfen, ob er künftig in einfacherer Sprache informieren will.


Das Gesagte muss nicht nur laut und deutlich ausgesprochen werden, sondern es soll auch verständlich sein.(Bild: Keystone)

 

Der Kanton Bern will Behördeninformationen vermehrt in leichter Sprache publizieren. Damit soll die Barrierefreiheit auch beim Zugang zu schriftlichen Informationen garantiert werden.

Die Regierung ist bereit, eine entsprechende Motion von Hasim Sancar (Grüne/Bern) entgegenzunehmen. Sancar, beruflich Leiter der Beratungsstelle Pro Infirmis Stadt Bern, will erreichen, dass zumindest Teile des Internetauftritts und des kantonalen Informationsmaterials in leichter Sprache angeboten wird.

Der Regierungsrat zeigt sich offen gegenüber dem Anliegen, wie aus der am Dienstag publizierten Antwort hervorgeht. Die leichte Sprache sei ein hilfreiches Instrument für Menschen, die nicht gut lesen könnten, eine Sprache nicht gut beherrschten, eine Lernschwierigkeit oder eine Beeinträchtigung hätten.

Bisher wurden nur vereinzelt Texte übersetzt, so beispielsweise eine Broschüre der Kesb zum Thema Kindesschutz. Ein Ausbau sei berechtigt, hält die Regierung fest. Doch sei es weder sinnvoll noch möglich, alle Informationen des Kantons in leichter Sprache anzubieten.

Wichtig seien zielgruppenspezifische Informationen, insbesondere über die Rechte von Menschen mit einer Behinderung, über Sozialversicherungen, den Kindes- und Erwachsenenschutz sowie wichtige Alltagsinformationen beispielsweise zu Notfällen, Schulen, Strassenverkehr.

Keine zusätzlichen Gelder

Die Direktionen sollen selber entscheiden, welche Informationen in leichte Sprache übersetzt werden. Mehr Geld will die Regierung dafür aber nicht ausgeben. Die Arbeiten sollen im Rahmen des ordentlichen Budgets ausgeführt werden.

Die leichte Sprache ist eine vereinfachte Variante der Landessprachen. Sie basiert auf einem eigenen, von der Standardsprache abweichenden Regelwerk. Ihre wissenschaftliche Erforschung bekomme einen immer grösseren Stellenwert, schreibt der Regierungsrat.

Das Behindertengleichstellungsgesetz verpflichtet die Behörden nicht dazu, die leichte Sprache zu verwenden. Entsprechend ist sie in der Schweiz noch wenig verbreitet. Mit Ausnahme des Kantons St. Gallen, der seit 2015 situationsbezogen Text in diese Sprachvariante übersetzt, stehen die meisten Kantone erst am Anfang.

Quelle:db/SDA

Im Wallis besteht Verbesserungsbedarf

(Walliser Bote)

Die dritte Ausgabe des Forums emera/ HES-SO stellte gestern in Siders Anregungen an, wie Menschen mit Behinderung im Wallis besseren Zugang zur Kultur erhalten könnten.

Als gute Beispiele wurden das Konzept «La Chaise Rouge», ein vom Roten Kreuz und Pro Infirmis im Kanton Waadt initiierter individueller Freiwilligendienst,oder das Label «Kultur inklusiv» von Pro Infirmis genannt. In unserem Kanton sind wegweisende Projekte wie das Pro-jekt «Toucher voir» (Berühren sehen)des Kunstmuseums nennenswert, das eine Interpretation von Gemälden in Form von Modellen anbietet, die von Menschen mit Sehbehinderung berührt werden können. Auch wenn Lösungen aus der Praxis hervorgehen, haben sie immer noch Schwierigkeiten, sich auf politischer Ebene durchzusetzen.

So hat die neue Kulturstrategie 2018 des Kantons nicht ausdrücklich auf die Rechte von Menschen mit Behinderung Bezuggenommen. Der Dachverband Forum Handicap Valais-Wallis wünscht sich eine spezifische kantonale Strategie für die Zugänglichkeit jeder Behinderung und schlägt dem Kanton konkrete Massnahmen vor. Unter anderem die Anpassungder Infrastrukturen von kulturellen Institutionen, den Ausbau von Unterstützungsdiensten, eine Senkung der Tarife für IV-Begünstigte oder die Gleichbehandlung bei der Unterstützung vonKunstschaffenden.
wb

Kanton will kulturelle Teilhabe fördern

(1815.ch)

Zum dritten Mal haben die Stiftung Emera und die Hochschule für Soziale Arbeit (HES-SO Wallis) verschiedene Fachleute eingeladen, um sich mit einem Thema der UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu befassen.


Haben Menschen mit Behinderungen im Wallis Zugang zur Kultur? Diese Frage wurde am Donnerstag im Rahmen des Forums EMERA-HES-SO in Siders erörtert. Foto: David Zeder

 

Am Donnerstag sprachen in Siders gemäss Mitteilung zahlreiche Forscher und Experten über Kultur. Artikel 30 der UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichte die Unterzeichnerländer, Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu kulturellen Veranstaltungen und Orten haben und ihr künstlerisches Potenzial entfalten können.

Fachleute aus institutionellen und kulturellen Kreisen sowie die betroffenen Personen seien sich einig, dass es im Wallis in diesem Bereich noch einiger Verbesserungen bedarf: «Menschen mit Behinderungen nehmen wenig am kulturellen Leben des Wallis teil. Nicht barrierefrei ausgestattete kulturelle Orte sind für die betroffenen Personen auch heute noch eine echte Herausforderung. Die Kosten des Kulturangebots, die Verkehrsmittel, architektonische Barrieren, das Fehlen geeigneter technischer Mittel und das Gewicht sozialer Erwägungen gehören zu den wesentlichen Hindernissen. Was die einzelnen künstlerischen Projekte betrifft, so werden sie hauptsächlich von spezialisierten Institutionen durchgeführt.»

Wegweisende Projekte

Im Mittelpunkt des Forums standen mehrere bestehende Angebote, «welche einen besseren Zugang zur Kultur zum Ziel haben». Genannt werden in der Pressemeldung das Konzept „La Chaise Rouge“, ein vom Roten Kreuz und Pro Infirmis im Kanton Waadt initiierter individueller Freiwilligendienst, oder das Label „Kultur inklusiv“ von Pro Infirmis, das an kulturelle Institutionen zur Förderung der Inklusion vergeben wird. Die Umsetzung dieser beiden Ansätze werde aktuell auch im Wallis diskutiert.

Im Wallis seien wegweisende Projekte wie das „Toucher voir“ (Berühren Sehen) des Kunstmuseums nennenswert, das eine Interpretation von Gemälden in Form von Modellen anbietet, die von Menschen mit Sehbehinderungen berührt werden können. Ein weiteres Beispiel aus dem Wallis: Im Museum auf dem Grossen Sankt Bernhard gibt es Videoterminals, die es Gehörlosen ermöglichen, Erklärungen in Gebärdensprache zu erhalten.

Verbesserungsvorschläge an den Kanton

«Auch wenn Lösungen aus der Praxis hervorgehen, haben sie immer noch Schwierigkeiten, sich auf politischer Ebene durchzusetzen», heisst es weiter. So hätte die neue Kulturstrategie 2018 des Kantons nicht ausdrücklich auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen Bezug genommen. Der Chef der Dienststelle für Kultur, Jacques Cordonier, habe in seinem Referat jedoch darauf hingewiesen, dass diese Fragen berücksichtigt werden, um architektonische Lösungen und Unterstützungsstrukturen zur Förderung der kulturellen Teilhabe zu finden.

Die Verantwortlichen des Dachverbands Forum Handicap Valais-Wallis wünschten sich eine spezifische kantonale Strategie für die Zugänglichkeit jeder Behinderung und schlugen dem Kanton konkrete Massnahmen vor: Belohnung der kulturellen Institutionen, die sich verpflichten, ihre Infrastrukturen anzupassen, Ausbau von Unterstützungsdiensten, Senkung der Tarife für IV-Begünstigte, Gleichbehandlung bei der Unterstützung von Kunstschaffen.

Künstlerische Einlagen

«Das Forum ermöglichte es auch mehreren Künstlern mit Behinderungen, ihr Talent auszudrücken»: Der Interpret und Songwriter Stéphane Wenger, die Musikgruppe Castafiore und der Tänzer Gaëtan Daves führten ihre künstlerischen Einlagen zwischen den Präsentationen auf. Die Besucher hätten zudem eine Bilderausstellung entdecken können, die im Rahmen des Ateliers für künstlerische Gestaltung der FOVAHM entstanden ist.

pd/tma

Siders: Rechte von Menschen mit Behinderung unter der Lupe

(rro.ch)

Am Donnerstag geht in Siders das dritte Emera-Hes-so-Forum über die Bühne. Dabei geht es um die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Bereich des kulturellen Lebens.


Das dritte Forum Emera-Hes-so in Siders widmet sich am Donnerstag der Zugänglichkeit der Kultur für Menschen mit Handicap. Quelle: rro

 

Haben Menschen mit Behinderungen im Wallis wirklich Zugang zur Kultur? Genau dieser Frage geht am Donnerstag das dritte Emera-Hes-so-Forum nach. Über Mittag informierten die Verantwortlichen die Medien. So hat die Hochschule für soziale Arbeit und die Stiftung Emera auch heuer Fachleute zum Thema eingeladen. Der 30. Artikel der Uno-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dient bei den Diskussionen als Grundlage. Dieser fordert die unterzeichnenden Länder auf, Massnahmen zu ergreifen um den Menschen mit Handicap Zugang zu kulturellen Aktivitäten sicherzustellen. Im Wallis gäbe es gemäss den Fachleuten noch viel Luft nach oben. Personen mit Einschränkung nähmen demnach wenig an kulturellen Aktivitäten im Wallis teil. Gründe hierfür gibt es laut den Experten viele. So seien viele Veranstaltungsorte noch nicht barrierefrei zugänglich. Auch die Kosten, die Verkehrsmittel und das Fehlen geeigneter technischer Mittel werden als Hindernis für die Gäste mit Handicap genannt.

Im Zentrum der Diskussionen stehen dabei bestehende Angebote, welche zur Verbesserung der Situation beitragen wollen. Beispiel ist das Konzept „La Chaise Rouge“. Dieses ist ein im Kanton Waadt initiierter Freiwilligendienst. Oder auch das Label „Kultur inklusiv“ von Pro Infirmis haben die Verantwortlichen des Forums als Beispiel genannt. Die Umsetzung dieser beiden Ansätze im Wallis wird am Forum diskutiert. Bereits besteht im Wallis das Projekt „Toucher voir“ des Kunstmuseums. Dieses bietet Sehbehinderten Modelle von Gemälden an, die Menschen mit Einschränkungen durch Berührungen erkunden können./hm