«Sozialversicherungen sind kein Selbstbedienungsladen»

(Walliser Bote)

Präsident der Ausgleichskassen verteidigt Sozialdetektive-Gesetz
«Sozialversicherungen sind kein Selbstbedienungsladen»


Mit Augenmass. Andreas Dummermuth, Präsident der kantonalen Ausgleichskassen hält den Einsatz von Sozialdetektiven für verhältnismässig FOTO KEYSTONE

Andreas Dummermuth, Präsident der kantonalen Ausgleichskassen, verteidigt das neue Gesetz zur Überwachung von Sozialversicherten. Jeder mögliche Fall von Missbrauch werde konkret angeschaut, versicherter. Für einen Abstimmungskampf rüstet sich bereits die SP.

«Sozialversicherungen sind kein Selbstbedienungsladen», erklärte Dummermuth in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. Das System sei die teuerste Infrastruktur hierzulande. Jeder vierte Franken, der geschaffen werde, fliesse da hin. Dummermuth stellte klar, dass die allermeisten Menschen Anrecht auf die Leistungen aus den Sozialversicherungen hätten. In wenigen Fällen würden die Gelder aber zu Unrecht bezogen. Dafür brauche es das Instrument der Überwachung.

Der Leiter der AHV/IV- Ausgleichskasse des Kantons Schwyz wehrt sich gegen den Vorwurf, dass mit Kanonen a Spatzen geschossen werde. Das neue Gesetz sehe klare Regeln vor. Jeder Fall werde konkret angeschaut und dies müsse man mit Augenmass machen, sagte Dummermuth weiter.

Als Beleg zog er die Zahlen der IV aus dem Jahr 2016 heran, als die Überwachung noch erlaubt war. Nach Angaben von Dummermuth haben damals 434 000 Menschen eine IV bezogen. In 2000 Fällen gab es Hinweise auf Missbrauch. In der Folge liefen 270 Observationen an, davon wurden in 180 Fälle zu Unrecht Leistungen der IV bezogen.

Referendum einer Bürgergruppierung

Letzte Woche hat die Unterschriftensammlung für das Referendum gegen das Gesetz zur Überwachung von Sozialversicherten begonnen.Lanciert wurde es von einer Bürgerinnen- und Bürgergruppierung um die Autorin Sibylle Berg. Die Gruppe hat bis zum 5. Juli Zeit, die für das Zustandekommen nötigen 50000 Unterschriften zusammenzubringen.

Das von den eidgenössischen Räten im beschleunigten Verfahren bewilligte Gesetz stelle die Bevölkerung unter Generalverdacht und die Privat-sphäre der Menschen werde aufs Gröbste verletzt, argumentiert die Gruppierung. Zahlen von 2016 zeigten, dass jede dritte Überwachung von W-Bezügern unbegründet gewesen sei.

Im Parlament stellten sich SP und Grüne gegen das Gesetz. Ein Referendum war vor der Aktion der Bürgergruppierung aber nicht angekündigt worden. Positiv überrascht über den Widerstand zeigte sich SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann Seine Partei habe wie die Grünen entschieden, das Referendum nicht zu ergreifen. Dass sich nun eine starke Bewegung formiert habe, sei erfreulich, sagte er auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.

Nordmann geht davon aus, dass das Referendum zustande kommt. Gegenüber der «Tagesschau» von Fernsehen SRF kündigte er bereits an, dass die SP im Abstimmungskampf stark kämpfen werde. Das sei die Auffassung der Parteileitung, präzisierte Nordmann.

Das letzte Wort haben die SP- Delegierten am 25. Juni.

Regeln gelten für alle Sozialversicherungen Die Räte verabschiedeten das Gesetz in der Frühjahrssession. Es ermöglicht Sozialversicherungen, Versicherte bei Verdacht auf Missbrauch durch Detektive observieren zu lassen. Die Regeln gelten nicht nur für die Invalidenversicherung (IV), sondern auch für die Unfall die Kranken- und die Arbeitslosenversicherung.

Neben Bild- und Tonaufnahmen sind auch technische Instrumente zur Standort bestimmung erlaubt.Gemeint sind vor allem GPS-Tracker, die an Autos angebracht werden. Anders als bei den Bild- und Tonaufnahmen braucht es dafür eine richterliche Genehmigung. sda

Jede Dritte macht Gentest

(SonntagsZeitung)

Werdende Mütter wollen wissen, ob ihr Ungeborenes behindert ist. Häufiger abgetrieben wird laut Schätzungen aber nicht.


Ein gesundes Baby: Geburtsfehler sind selten. Foto: Plainpicture

Risiko ist altersabhängig

Die meisten Frauen sind hierzulande beim ersten Kind zwischen 30 und 39 Jahre alt. Je älter die Mutter, desto grösser das Risiko einer Chromosomenstörung. Invasive Untersuchungen – etwa eine Fruchtwasserpunktion – können eine solche feststellen. Aborte sind aber möglich. 65 Prozent der 8000 Frauen mit auffälligen Befunden machen daher den nicht invasiven Gentest NIPT. Im Schnitt sind sie 35-jährig, wie Zahlen der Helsana zeigen.

Guter Hoffnung. So hiess es früher, wenn eine Frau ein Kind erwartete. In der Redewendung steckt ein Grundoptimismus, der Müttern vermehrt abhandenkommt. «Stattdessen hat das Bedürfnis nach Bestätigung, dass alles gut wird, zugenommen», sagt Ute Wiedemann, Genetikerin bei Medica und Co-Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgruppe für Ersttrimesterscreening.

Diese Entwicklung zeigt sich auch anhand der Zunahme von vorgeburtlichen Tests. So ist insbesondere das Interesse am nicht invasiven Gentest NIPT stark gestiegen. Seit fünf Jahren ist dieser auf dem Markt und erkennt mit einer Treffsicherheit von 99 Prozent die Chromosomenstörung Trisomie 21 (Downsyndrom), 18 und 13. Ein paar Milliliter Blut der Mutter reichen dafür aus.

Mittlerweile lässt fast jede dritte Schwangere hierzulande einen NIPT machen. Nach neusten Zahlen des Bundesamts für Gesundheit sind es pro Jahr über 25’000 von insgesamt rund 87’000 Frauen in Erwartung. Genetikerin Wiedemann geht davon aus, dass die Nachfrage weiter steigen wird. Besonders in den Städten und bei gut ausgebildeten Frauen bestünde der Wunsch zu wissen, ob das werdende Baby eine Behinderung hat oder nicht. Wie bei Patricia, 32, aus Zürich. «Je mehr ich über mein Kleines weiss, desto ruhiger bin ich», sagt die Anwältin.

Um Informationen über das Ungeborene zu erhalten, scheuen die Schwangeren keine Kosten. Auf 800 Franken beläuft sich der Bluttest. Die Mehrheit der Frauen zahlt ihn aus eigener Tasche. Nur gerade in einem Drittel der Fälle übernimmt die Grundversicherung die Kosten. Voraussetzung dafür: ein Ersttrimester-Test, der ein erhöhtes Risiko für Trisomie anzeigt. Als auffälliges Resultat gilt in der Schweiz ein Wert von 1:1000. Also wenn eine Wahrscheinlichkeit von 0,1 Prozent besteht, dass das Ungeborene Trisomie hat.

Arzt Tilo Burkhardt: «Es gibt auch ein Recht auf Nichtwissen»

Bei einem auffälligen Befund stehen Paare vor einer schwierigen Entscheidung: wie umgehen mit dem Wissen? Tilo Burkhardt, Leitender Gynäkologe am Universitätsspital Zürich, rät werdenden Eltern, sich schon vor der Pränataldiagnostik damit zu beschäftigen. Und er sagt: «Es gibt auch ein Recht auf Nichtwissen.»

Über 80 Prozent der Schwangeren führen heute einen Ersttrimester-Test durch – eine Kombination aus Nackentransparenzmessung, Bluttest und Alter der Mutter. Bei Dagmar, 35, aus Luzern verlief bis zu jener Ultraschalluntersuchung im vergangenen Frühling alles normal. Anders als bei ihrem ersten Kind war diesmal aber die Nackenfalte des Fötus vergrössert. Der Arzt riet zum Gentest. Dieser brachte Gewissheit. Das kleine Mädchen hat Trisomie 21. «Ein Schock», sagt Dagmar. «In Gedanken hatte ich bereits ein Bild von meinem Kind gemalt.» Ein Schwangerschaftsabbruch kam für die Pflegefachfrau und ihren Mann aber nicht infrage. Nicht aus religiösen Gründen. «Ist ein Kind lebensfähig, soll es leben», ist Dagmar überzeugt. Familie und Freunde unterstützten sie. Heute ist die kleine Lorena sieben Monate alt und Dagmar glücklich.

Gegner der Pränataldiagnostik fürchteten wegen des NIPT mehr Abtreibungen. Nun zeigt sich: Die Angst war unbegründet. 700 Mädchen und Buben mit Downsyndrom kamen 2016 in der Schweiz zur Welt. Das sind 0,8 Prozent aller Neugeborenen, gleich viele, wie in den Jahren davor. Wie viele Frauen die Möglichkeit eines Abbruchs wahrnehmen, ist nicht ­bekannt. Schätzungen gehen von 200 pro Jahr aus. Ist ein Ungeborenes körperlich beeinträchtigt, kann die Schwangerschaft auch noch nach der 12. Woche abgebrochen werden.

Barbara Camenzind, Geschäftsleiterin von Insieme Cerebral Zug, weiss, was Eltern bei einem auf­fälligen Befund durchmachen. Ihr Sohn hat Trisomie 21. «Es ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle», sagtsie. Denn ein Entscheid, egal wie er ausfällt, hat weitreichende Folgen. Sie rät daher, Unterstützung zu holen. Auch deshalb, weil es noch immer viele Vorurteile gebe. «Ein Mensch mit Downsyndrom kann weitgehend ein selbstbestimmtes Leben führen», sagt Camenzind. Aber er braucht mehr Betreuung. An den vorgeburtlichen Tests stört Camenzind: «Sie vermitteln eine falsche Sicherheit.» Viele Behinderungen würden erst nach der Geburt entstehen. Nur 5 Prozent sind Geburtsgebrechen, und sogar nur 0,5 Prozent davon können durch die Pränataldiagnostik erkannt werden. Zwar ist Trisomie 21 die häufigste genetische ­Beeinträchtigung, weit zahlreicher sind aber Frühgeburten oder Schwangerschaftsvergiftungen.

Franziska Wirz von der Beratungsstelle Appella nimmt daher die Ärzte in die Pflicht. Sie sollen besser informieren. «Wenn werdende Eltern das Kind so oder so behalten, müssen die Tests nicht zwingend gemacht werden.» Bei ihr häufen sich derzeit Anfragen von verunsicherten werdenden Müttern. «Dabei sollten die Frauen guter Hoffnung sein.»

Die Bundesrichter sind sich nicht einig

(Der Landbote)


Der Eingang des Bundesgerichts in Luzern: Kürzlich hatten die Richter dort einen Fall zu beurteilen, bei dem sich die IV und das kantonale Gericht über das Resultat der medizinischen Abklärung hinwegsetzten. Foto: Gaëtan Bally (keystone)

Der Umgang der IV mit Schmerzpatienten gibt erneut zu reden. Diesmal kommt die Kritik aus dem Innern des Bundesgerichts.

Der Juni 2015 brachte für Patienten mit chronischen Schmerzen eine gewichtige Änderung. In einem Leiturteil definierte das Bundesgericht damals eine neue IV-Praxis: Schmerzpatienten dürfen nicht mehr von vornherein von einer Rente ausgeschlossen werden. Die Betroffenen haben ein Anrecht, von der IV gründlich abgeklärt zu werden. Zudemmuss sich die IV auf das Resultat der Begutachtung stützen, wenn sie über eine Rente entscheidet.

Fast drei Jahre sind seit dem Grundsatzurteil vergangen. Bisher liess sich nicht feststellen, welche Wirkung es gehabt hat. Denn noch sind kaum strittige Fälle ans Bundesgericht gelangt, bei denen die neuen Regeln angewandt wurden. Kürzlich hatte das oberste Gericht nun aber einen Fall zubeurteilen, bei dem sich die IV und das kantonale Gericht über das Resultat der medizinischen Abklärung hinwegsetzten – und der Person die Rente verweigerten. Man war gespannt, wie das Bundesgericht urteilen würde.

Kein Anspruch auf eine Rente
Die Verhandlung fand am Bundesgericht in Luzern statt. Zu beurteilen war die Beschwerde eines Bauarbeiters aus dem Kanton Aargau, der an chronischen Schmerzen leidet. Um den Anspruch auf eine Rente zu prüfen, liess ihn die IV von zwei Ärzten begutachten. Beide attestierten dem Bauarbeiter eine 50 -prozentige Arbeitsunfähigkeit. Er habe auch nicht die nötigen körperlichen und psychischen Ressourcen, um in einer anderen, weniger belastenden Tätigkeit ein höheres Pensum zu leisten.

Die IV sah es anders. Ein invalidisierender Gesundheitsschaden sei nicht eindeutig belegt. Zudem gebe es mehrere Indizien im Gutachten, wonach der Bauarbeiter sozial gut integriert sei. Somit sei es ihm auch zuzumuten, 100 Prozent zu arbeiten. Ergo bestehe kein Anspruch auf eine Rente. Das kantonale Gericht stützte die IV, weshalb der Bauarbeiter ans Bundesgericht gelangte. Dort stiess er bei zwei Richtern auf offene Ohen. Beide kritisierten das Vorgehen der IV mit deutlichen Worten. Sie warfen der Versicherung vor, sie habe einzelne Elemente aus dem Gutachten herausgepickt und diese kurzerhand in ihrem Sinn uminterpretiert. Damit habe sich die IV selbst zur Gutachterin erhoben und ihre Kompetenzen überschritten. Und weiter: Wenn die IV der Ansicht sei, ein von ihr bestelltes Gutachten beantworte nicht alle Fragen, müsse sie bei den Ärzten nachfragen und die fehlenden Antworten einfordern. Sie dürfe nicht auf dem Buckel der

SCHMERZRECHTSPRECHUN

Die Antwort auf die Frage, ob Patienten mit chronischen Schmerzen invalid sind, fiel in den letzten rund 15 Jahren sehr kontrovers aus. Bis 2004 hatten Schmerzpatienten Anspruch auf eine IV-Rente. Oft genügte es schon, wenn der behandelnde Hausarzt sie arbeitsunfähig schrieb.

Weil dadurch die Zahl der Renten in die Höhe schnellte, schob das Bundesgericht dieser Rentenpraxis im Mai zoo4 einen Riegel vor. Nun hiess es: Chronische Schmerzen, die sich medizinisch nicht hinreichend erklären liessen, begründeten keine Invalidität. Vielmehr seien sie mit entsprechender Willensanstrengung überwindbar.

Die Überwindbarkeitsvermutung stiess von Anfang an bei einzelnen Fachärzten auf hefti- ge Ablehnung. Doch erst im Juni 2015 rückte das Bundesgericht davon ab. Seither gelten chronische Schmerzen nicht mehr von vornherein als überwindbar. Die IV muss auch Schmerzpatienten «ergebnisoffen» abklären lassen, bevor sie über eine Rente entscheidet. Die Gutachter ihrerseits sind verpflichtet, die medizinische Abklärung nach verbindlichen Regeln vorzunehmen. Die Regeln hat das Bundesgericht gleich selber in Form eines Indikatorenkatalogs vorgegeben.

Das Grundsatzurteil vom Juni 2015 hat die Rolle der medizinischen Gutachter im IV-Verfahren gestärkt. Damit habe das Bundesgericht auch signalisiert, dass die IV nicht einfach vom Resultat einer Begutachtung abweichen dürfe, wenn die Gutachter sich an die Vorgaben halten würden, sagt Thomas Gächter, Professor für Staats und Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich. Gächter so wie andere Fachleute gingen damals davon aus, dass künftig zumindest vermehrt.

Teilrenten gesprochen würden. Dies hat sich bislang nicht bestätigt. Nach Ansicht von Thomas Gächter ist es aber noch zufrüh, bereits heute Schlüsse daraus zu ziehen, wie sich die geänderte Schmerzrechtsprechung auswirke. afi

Werwird hier behindert?

(St. Galler Nachrichten)


Die Integration von Menschen mit Handicap soll möglichst natürlich passieren. Ist eine Quote das Richtige ?

Die Frauenquote ist in aller Munde und wird von linken Kreisen oft befürwortet. Die Behindertenquote ist ebenfalls immer wieder ein Thema, doch sie hat auch einen vehementen Gegner unter den Betroffenen: Den Inldusionsagenten Cem Kirmizitoprak. Während er die Frauenquote befürwortet, sieht er bei der Behindertenquote Diskriminierungspotenzial.

Behindertenquote Cern Kirmizitoprak ist Inklusionsagent bei der Beratungsstelle für Inklusion und Mitglied der JUSO St.Gallen. Ihn kennt man mittlerweile, bei der letzten Wahl ins Stadtparlament machte er 665 Stimmen und kam von 30 Kandidaten auf den guten 12. Platz. Wo sitzt er in zehn Jahren? «Im Stadtparlament natürlich», lacht er. Im Moment beschäftigen ihn die neuen Züge der SBB. «Leider sind diese Züge nicht behindertengeCem Kirmizitoprak setzt sich recht, unter anderem sind die Rampen von Türe zu Perron für Rollstühle zu steil und die Türöffner sind aus dem Rollstuhl unmöglich zu erreichen.»


Cem Kirmizitoprak setzt sich für Gleichtellung auf allen Ebenen ein

Das Schweizer Behindertengleichstellungsgesetz wurde im Jahr 2004 verabschiedet und die UN-Men schenrechtskonvention 2014 ratifiziert. Problem dabei: Die SBB bauen nach den EU-Richtlinien, das Behindertengleichstellungsgesetz wird nach Meinung des Inklusionsagenten nicht beachtet. Er übt scharfe Kritik am Bund und Bundesrätin Doris Leuthard. «Macht es euch Spass zuzusehen, wie Menschen mit Behinderungen bei Zugfahrten immer noch auf Drittpersonen angewiesen sind? Ich weiss, was ihr braucht, um das alles endlich zu verstehen: Einen Rollstuhl oder einen Blindenstock». Klarer Fall also: «Habt ihr euch mal vorgestellt, wie ihr reagieren würdet, wenn ihr auch jeweils eine Stunde vor Zugabfahrt anrufen müsstet, um in den Zug ein und aussteigen zu können trotz gültigem Ticket? Das, was hier passiert, hat nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun. Ich wünsche euch gute Besserung!»

Auch andere Probleme 2010 wollte die Sozialkommission des Nationalrats, dass Betriebe mit mehr als 250 Angestellten ein Prozent ihrer Arbeitsplätze für Menschen mit Handicap reservieren müssen. Diese Quote soll als Teil der Wie dereinglie derungs-M assnahmen möglichst viele IV-Rentner wieder in den Arbeitsmarkt zurück bringen. Der Schweizerische Arbeitgeberverband lehnte die Einführung einer Quote dezidiert ab. Zwang und Quoten würden schlechte Voraussetzungen schaffen, um Handicapierte in eine für sie angenehme Arbeitsumgebung zu integrieren. Betroffene würden in Betrieben als «Quoten-Integrierte» geduldet und ausgegrenzt. Sie würden nicht als vollwertige Mitarbeitende in die Belegschaft aufgenommen. Die Bürgerlichen versenkten die Quote – auch mit der Argumentation, dass alle Erfahrungen aus dem Ausland negative Resultate gebracht hätten. Cern Kirmizitoprak steht nicht im Verdacht, bürgerlich zu sein. Doch für ihn ist klar: «Ich möchte nicht aufgrund meiner Behinderung, sondern aufgrund meiner Fähigkeiten eingestellt werden.» Er sieht auch Konfliktpotenzial aufgrund möglicher Doppelquoten. «Was passiert bei einer behinderten Frau? Sind das dann gleich zwei Quoten, die man beachten muss?» Für ihn ist das Ganze nicht durchdacht. Kirmizitoprak findet die Quote als «Anschub» für die Arbeitgeber zwar gut, bei Nominationen für Parteiämter hingegen findet er es daneben. Eine Etikettierung? «Ich habe das Gefühl, dass Menschen mit Behinderung etikettiert würden», meinte der lebensfrohe St.Galler. «Wenn die Fähigkeiten nicht vorhanden sind, soll man einen Behinderten auch nicht einstellen. So einen Bonus braucht niemand und ist auch nicht zielführend.» Menschen mit Behinderung hätten Rechte, aber auch Pflichten. «Man muss aufpassen, dass man die Menschen nicht behinderter macht, als sie sind», zeigt sich der umtriebige Jungpolitiker überzeugt. Und er sieht auch grundsätzliche Probleme. «Warum heisst die IV eigentlich so? Invalid heisst bekanntlich ungültig. Das ist sprachliche Diskriminierung.» Also ist für ihn eines klar: «Eine Quote ist keine Inklusion.» Denn er sei auch ohne Quote auf die Liste bei den Stadtratswahlen gekommen. Eines ist klar: Cem Kirmizitoprak geht seinen Weg weiter. Seine Vision einer barrierefreien Welt verfolgt er konsequent weiter. Dass am liebsten ohne Quote, denn die Fähigkeiten von behinderten Menschen sollen für ihn für sich sprechen. Und da würde eine Quote nur behindern, ist er sich sicher.

Andrea Scheck, Parteikollegin von Kirmizitoprak, würde eine allfällige Quote aber unterstützen. «Quoten können ein gutes Mittel sein, um die Förderung und Sichtbarkeit gewisser Gruppen sicherzustellen. Besonders bei Gruppen, die in der Politik untervertreten sind und diskriminiert werden, sind solche Massnahmen auch heute noch notwendig. Darum vertritt die JUSO etwa die Frauenquote.» Selbstbestimmung ist allerdings auch für sie ein entscheidender Faktor. «Allerdings müssen die Direktbetroffenen immer selber bestimmen können. Menschen mit einer Behinderung wissen am besten, welche Mass nahmen ihnen helfen, darum dürfen diese nicht über ihre Köpfe hinweg beschlossen werden. Falls eine Quote gefordert wird, werde ich diese Forderung solidarisch unterstützen.» Bei der JUSO St.Gallen sind derzeit zwei Menschen mit Behinderung aktiv. «Da sind wir wohl auch schlicht zu wenig Betroffene», meint der engagierte Inklusionsagent. «Und leider ist es schwierig, Menschen mit Handicap für Politik zu begeistern.»

Ein ressourcenorientiertes Profil, um die Eingliederungsrate zu erhöhen

(SüdostschweizamWochenende/Graubünden)

Arbeitgeber, Ärzte und Bund lancieren erstmals ein gemeinsames Instrument zur beruflichen Eingliederung. Auch auf kantonaler Ebene setzen sich die Arbeitgeberverbände, der Bündner Ärzteverein, der Bündner Heim- und Spitalverband sowie die Suva und die IV-Stelle für die Etablierung des ressourcenorientierten Eingliederungsprofils (REP) ein. von Thomas Pfiffner.

Die missglückte berufliche Eingliederung von erkrankten verunfallten oder handicapierten Mitarbeitenden hat schwerwiegende Folgen für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber. Der Verein Compasso hat unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sozialversicherungen BSV, dem Schweizerischen Arbeitgeberverband SAV, Ärztevereinigungen und Inclusion Handicap ein neues Instrument entwickelt und validiert, um die Eingliederungsrate weiter zu erhöhen. Entstanden ist das webbasierte ressourcenorientierte Eingliederungsprofil REP, das sich am spezifischen Arbeitsumfeld orientiert und erstmals auch psychosoziale Aspekte berücksichtigt. Wie funktioniert REP?

In 8o Prozent der Fälle wird im heutigen Arztzeugnis eine Arbeitsunfähigkeit von o oder ioo Prozent bescheinigt. Eine Teilarbeitsunfähigkeit wird oft gar nicht in Erwägung gezogen. Mit dem erwähnten Eingliederungsprofil steht erstmals ein Instrument zur Verfügung, welches aufzeigen kann, wie und in welchem Ausmass Betroffene möglichst rasch wieder im Betrieb arbeiten können. Als Basis des REP halten die Arbeitgeber online die Arbeitsplatzanforderungen fest. So entsteht eine detaillierte Arbeitsplatzbeschreibung in Form eines Eingliederungsprofils, das sowohl durch den Arbeitgeber als auch durch den Arbeitnehmenden unterzeichnet wird. Dieses Eingliederungsprofil nimmt der Betroffene zum nächsten Arztbesuch mit. Mit den vorliegenden Detailkenntnissen zum Arbeitsplatz beurteilt die behandelnde Ärztin beziehungsweise der behandelnde Arzt, inwieweit es einem Patienten möglich ist, die Anforderungen zu erfüllen oder unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmass eine Tätigkeit im Betrieb möglich ist.

Informationen für Integration
Durch diesen neuartigen Austausch zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Ärzteschaft kann die Leistungsfähigkeit des Mitarbeitenden sehr präzise eruiert werden. Damit entstehen zusätzliche Möglichkeiten für eine berufliche Eingliederung, ohne dass die Regeln der ärztlichen Schweigepflicht verletzt werden. Vielmehr erhält ein Arzt die Möglichkeit, wichtige Hinweise anzubringen, die für eine erfolgreiche Eingliederung im Betrieb hilfreich sind. Der Arbeitnehmer profitiert von diesen Angaben, weil er so möglichst rasch wieder ins Berufsleben integriert wird

Das REP und weitere Informationen finen Sie unter www.compasso.ch

Thomas Pfiffner ist Leiter der IV-Stelle und Mitglied der Direktion der SVA Graubünden. Verein Compasso Der Verein betreibt ein Portal für Arbeitgeber zu Fragen der beruflichen Eingliederung an der Schnittstelle von Arbeitgebern, Betroffenen, IV, Suva, Privatversicherern, Pensionskassen und weiteren involvierten Stellen und Beteiligten. Compasso ist breit abgestützt, zählt bereits über 70 Mitglieder und steht unter dem Patronat des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Compasso sorgt für eine verbesserte Zusammenarbeit aller an der beruflichen Eingliederung beteiligten Interessengruppen und investiert in die Vereinfachung von Abläufen und Prozessen. Mit praxistauglichen Instrumenten und Informationen wird insbesondere auch der KMU-Wirtschaft die berufliche Eingliederung erleichtert.

Nationalrat Egger wehrt sich gegen Vorwürfe der SP Oberwallis

(Rhone Zeitung)

Region Nach der Abstimmung über die Kürzung der Ergänzungsleistungen (EL) sieht sich Nationalrat Thomas Egger mit Kritik seitens der Linken und Behinderten organisationen konfrontiert. Der CSP-Nationalrat wehrt sich. Am 10. März postete CSP-Nationalrat Thomas Egger auf Facebook ein Foto von der GV der Behindertenorganisation Procap Oberwallis. Dazu schrieb Egger: «Nächste Woche kann der Nationalrat bei zwei Dossiers wichtige Unterstützung leisten: die Ergänzungsleistungen müssen verbessert werden. Und die Diskussionen um den Postauto-Skandal dürfen nicht dazu führen, dass das bestehende und funktionierende System des Service public zerschlagen wird.»

Von einer Verbesserung der Ergänzungsleistungen kann heute jedoch vorerst keine Rede mehr sein. Denn der Nationalrat sprach sich für Kürzungen von bis zu 770 Millionen Franken aus. Dabei hatte der christlich-soziale Egger innerhalb weniger Tage offenbar seine Meinung geändert.

Denn Thomas Egger sagte in der Schlussabstimmung zur Vorlagen zur Kürzungen der Ergänzungsleistungen Ja.

Kritik an Kehrtwende
Eggers Kehrtwende blieb derweil nicht unbemerkt und auch nicht unkritisiert. Das Forum Handicap Wallis, die Dachorganisation der Walliser Behindertenorganisationen im Wallis, schrieb in einem Leserbrief im «Walliser Boten»: «Enttäuscht sind wir auch über die Abstimmung der meisten Vertreter des Kantons Wallis in der grossen Kammer.» Denn, so das Forum Handicap Wallis, man habe während der letzten Nationalratskampagne einen Fragebogen an die Kandidatinnen und Kandidaten verschickt, um herauszufinden, ob sie im Falle einer Wahl Menschen mit Behinderungen unterstützen würden. Alle hatten dies bestätigt. «Heute müssen wir jedoch feststellen, dass nur zwei der damaligen Kandidaten die Kürzungen der Ergänzungsleistungen abgelehnt haben», heisst es weiter. Wobei festgehalten werden muss, dass nur SP-Nationalrat Mathias Reynard mit Nein stimmte, Viola Amherd enthielt sich lediglich ihrer Stimme. Kritik an Nationalrat Thomas Egger kommt auch von der SP Oberwallis. «Es ist für mich vollkommen unverständlich, warum der CSP-Mann Egger, obwohl er an der Procap-GV noch das komplette Gegenteil versprochen hat, nun für einen solchen Abbau gestimmt hat», sagt SPO-Co-Präsident Gilbert Truffer

«Strategischer Entscheid»
Den Vorwurf, er sei bezüglich der Unterstützung der Behinderten in der Debatte um Ergänzungsleistungen wortbrüchig geworden, weist Thomas Egger derweil vehement zurück. «Wer die Debatte im Detail verfolgt hat, weiss, dass ich mich in der Detailberatung für eine Stärkung der Behinderten bei den Ergänzungsleistungen eingesetzt habe und allen Punkten auf der Linie der Empfehlungen von Procap Schweiz zugestimmt habe», hält der Nationalrat fest. «Diese Anliegen wurden jedoch von der FDP/SVP-dominierten Ratsmehrheit abgelehnt.» Sein Ja zur Vorlage in der Schlussabstimmung sei daher strategischer Natur gewesen. «Grundsätzlich bedürfen die Ergänzungsleistungen einer Revision», sagt Egger. «Mit dem Ja ist die Reform nicht blockiert, sondern kann vom Ständerat weiter bearbeitet werden.» Dieser hatte sich zuvor für deutliche Verbesserungen zugunsten der EL-Bezüger ausgesprochen. «Ich hoffe nun, dass die weitere Differenzbereinigung die von mir erhofften Verbesserungen bringt», so Egger, der zum Schluss festhält: «Sollte das Geschäft auch nach der Differenzbereinigung nicht besser rauskommen, müssten wir es in der Schlussabstimmung ganz ablehnen oder gar ein Referendum unterstützen.» Martin Meul


Thomas Egger: «Mein Ja im Nationalrat war ein strategischer Entscheid.»

Überwachung soll doch vors Volk

(St. Galler Tagblatt)

Versicherungen Nun wird doch ein Referendum gegen die Überwachung von Versicherten vorbereitet. Eine Gruppe um die Autorin Sibylle Berg, den Zürcher Anwalt Philip Stolkin und das Berner Oberländer SP-Mitglied Dimitri Rougy sucht auf der Onlineplattform Wecollect.ch 5000 Unterstützer. Den Aufruf lancierten sie gestern via soziale Medien.

Mit 5000 Sympathisanten im Rücken wäre es gemäss der Gruppe realistisch, bis am 5. Juli die nötigen 50 000 Unterschriften für ein Referendum gegen das neue Versicherungsgesetz zusammeln. In den ersten Stunden nach der Aufschaltung trugen sich auf der Webseite schon deutlich mehr als 1000 Personen ein. Gleichwohl ist es noch weit zum fertigen Referendum: Bisher steckten hinter solchen Vorhaben stets schlagkräftige Organisationen oder Komitees, diesmal soll zuerst eine Bewegung in den sozialen Medien entstehen.

Streit um Rechte von Versicherten Das Parlament hat das neue Versicherungsgesetz in der Frühlingssession im Schnelldurchlauf genehmigt. Es schaffte dabei eine Rechtsgrundlage, damit Versicherungen die Bezüger von Leistungen überwachen können, weitgehend auch ohne richterlichen Beschluss. Die Referendumsgruppe kritisiert, das Parlament sei dabei weit über das Ziel hinausgeschossen. Private Firmen erhielten bei der Überwachung mehr Rechte als die Polizei bei der Jagd auf Terroristen.

In der parlamentarischen Beratung hatten sich vor allem die Ratslinke und die Gewerkschaften für strenge Auflagen eingesetzt, indes weitgehend vergeblich. Nachdem die Schlussabstimmung mit fast drei Viertel Ja-Stimmen sehr klar ausgefallen war, zeigten Verbände und Parteien jedoch keine Lust mehr auf ein Referendum. Der Gewerkschaftsverband Travail Suisse etwa begründete seinen Verzicht noch in der vergangenen Woche damit, es bleibe zuwenig Zeit zur Mobilisierung der Mitglieder. Nun werden SP und Grüne entscheiden müssen, ob sie das Referendum trotzdem mittragen wollen. (ffe)

Virtuelle Realität, die einfährt und auffällt

(HR Today)
Artikel von Sandra von Ballmoos

Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) baut aus und sucht in den nächsten 
zwei Jahren 100 medizinische Fachkräfte. Um im hart umkämpften Arbeitsmarkt aufzufallen, hat sich das HR etwas Besonderes ausgedacht: ein Virtual-Reality-
Erlebnis in einem Rollstuhl. Präsentiert wird die sogenannte «Rollstuhl-Challenge» 
vor Ort in Nottwil oder – unterwegs als Kinobus.


Mit de «VIP Rollstuhl-Challenge» lud das Paraplegiker-Zentrum bekannte Persönlichkeiten wie Marc Sway zum Perspektiventwechsel ein. (Bilds:zVg)

Der grosse Spital-Neubau ist ausgesteckt, der zusätzliche Personalbedarf erkannt, die Rekrutierungsstrategie steht. Da trifft der SPZ-HR-Leiter Andreas Korner an der letztjährigen Personalmesse HR Swiss auf ein Hightechgerät, das ihn fasziniert: «Die kühle Installation mit dem roten Rennautositz, der VR-Brille, mit TV und Computer schreckte eher ab. Die Neugier war aber stärker und ich nahm Platz.» Das erste Virtual-Reality-Erlebnis katapultiert Korner in eine neue Welt, die ihn fesselt. «Überwältigendes 360°-Kinogefühl, dazu der bewegte Stuhl – die Demo-version mit der Achterbahnfahrt ist richtig eingefahren.» Ihm ist klar: Das hat Potenzial!

Grosse Visionen, aber keine Ahnung

Im Gespräch vor Ort mit dem Anbieter Samuel Meerstetter von Tata Interactive Communications entsteht die Idee einer visionären Recruiting-Kampagne. Als Basis soll ein emotionaler Film dienen, der eine Geschichte vom Unfall mit Bergung durch die Rega über die Operation und Rehabilitation im SPZ bis zum Weg zurück ins Leben erzählen soll. All dies mit einer 360°-Kamera aus der Perspektive eines Betroffenen gefilmt, hautnah, ergreifend. Eine Schicksalsgeschichte, in einen dreiminütigen Film verpackt. Und als bewegter Stuhl für den Zuschauer soll natürlich ein echter Rollstuhl dienen.

«Ist das machbar? Was kostet das etwa? Ich hatte keine Ahnung von Virtual Reality», erinnert sich Andreas Korner. Die Offerte bringt Gewissheit: Ein Budgettransfer von ein paar Inseraten zum Projekt «Rollstuhl-Challenge» würde nicht ausreichen. Geld musste her. Korner erinnert sich an den Umweltpionier Louis Palmer: «Ohne grosse Eigenmittel hat Palmer seinen millionenschweren Traum vom Solartaxi realisiert und ist damit um die Welt gefahren. Nebenbei hat er mit Kreativität 70 000 Dollar für eine Schule in Afghanistan aufgetrieben. Das hat mich inspiriert und wir haben uns entschieden, Sponsoren für unsere Rollstuhl-Challenge zu suchen», erklärt Korner. In wenigen Wochen sind die fehlenden 30 000 Franken beisammen.

Internes Casting

Unfall, OP, Reha – die Eckpfeiler des Drehbuchs sind rasch bestimmt. Fehlt der passende Autor, der daraus eine filmreife Geschichte erzählt. Im Luzerner Regisseur Till Gmür findet das Projektteam die ideale Besetzung. Die Ideen und die Erfahrungen des Profis sind unverzichtbar, insbesondere beim Dreh selber. Um den Film möglichst authentisch zu gestalten, braucht es Betroffene und Mitarbeitende. Die interne Suche verläuft einfacher als erwartet. Die Hauptrolle spielt der querschnittgelähmte Nicolas Hausammann, Verantwortlicher Sportvermarktung Rollstuhlsport Schweiz. Aber auch für die Szenen im Operationssaal, in der Intensivstation, der Pflege und den Therapien stehen interne Fachkräfte vor die Kamera. Den Soundtrack spielt die hauseigene Para-Friends-Band, als Sprecherin agiert eine Reittherapeutin.

Insgesamt wirken gegen fünfzig Personen mit.

Gedreht wird in der 360°-Perspektive, mit einer einzigen Kamera. Das ist zwar einfach und effizient, aber die Anforderungen steigen: Der ganze Raum muss stimmig eingerichtet sein, die Kamera sieht alles. Und die jeweilige Szene muss ohne Unterbruch durchgespielt werden; einen rettenden Wechsel auf Kamera zwei am Schnittpult gibt es nicht. Neugier, Improvisation und Lernbereitschaft sind gefragt. In drei Drehtagen ist der Film im Kasten.

Vom Firmentransporter zum Kinobus

Nach dem nicht unerheblichen Aufwand stellt sich die Frage der Verbreitung des Films: «Der Film war praktisch fertig, als mir bewusst wurde, dass zwei, drei Auftritte an Fachmessen nicht reichen», erinnert sich Korner. «Wir müssen mit unserer Rollstuhl-Challenge unters Volk, zu den Prospects. So wurde die Idee vom Kinobus geboren.» Dafür wird der Transportbus des SPZ zum mobilen Kino umgebaut.

Der Kinobus kommt rasch auf Touren: Bahnhofplatz Luzern, Heitere Open-Air, Sportevent Arbon. Pflege-Kongress Bern, Medifuture Bern. Medical-Kongress in Meyriez-Murten, Jubiläum in Echichens, Sport-event in Olten. Hauptsitz Ringier, Mercedes in Zürich, Luzerner Kantonalbank. Immer wieder kommt das SPZ mit möglichen künftigen Mitarbeitenden in Kontakt. Leonie Kuner, angehende Ergotherapeutin, hat an der Messe Swiss Handicap die Challenge angenommen. «Nach der Ausbildung ist das SPZ sicher eine Überlegung wert», meint die umworbene Fachfrau, die dank der VR-Aktion überhaupt erst auf die Spezialklinik aufmerksam wurde.

Um der Bewegung zusätzlich Kraft zu verleihen, lud das Projektteam mit der «VIP Rollstuhl-Challenge» bekannte Persönlichkeiten zum Perspektivenwechsel ein. Marc Sway, Mimi Jäger, Marco Kunz, Stefan Küng, Linda Züblin, Elias Ambühl und weitere haben bereits mitgemacht.

Multimediale Verbreitung

Dabei produziert das Team jeweils ein kurzes Handy-Video mit einem persönlichen VIP-Statement und postet es auf Facebook. Mit schönem Echo: Die beiden erfolgreichsten Posts haben die gängige Reichweite um das 50-Fache übertroffen. Die Botschaft von Profi-Radrennfahrer Stefan Küng etwa haben sich besonders viele angeschaut: «Ich bin beeindruckt und finde super, dass Querschnittgelähmte so unterstützt werden.» Neben Social Media berichten auch klassische Medien über die Challenge – darunter die Luzerner Zeitung, 24heures, Blick Online und auch Tele1.
Erfolgreiche Resonanz.

Seit bald einem Jahr ist das HR des SPZ mit der Rollstuhl-Challenge unterwegs. Mehrere tausend Personen – Mitarbeitende, Prospects und Interessierte – haben sich bereits auf den dreiminütigen Perspektivenwechsel eingelassen, viele mehr haben über die Medien davon erfahren. Wie hoch der Return on Invest tatsächlich ist, kann Korner nicht beziffern: «Die Rückmeldungen sind ausgesprochen positiv, vereinzelt wollen Personen gleich bei uns starten. Berührend, innovativ, einzigartig – ich denke, wir haben dieses Bild nachhaltig nach aussen tragen können.»

Kantone können betreutes Wohnen selber unterstützen

(Das Schweizer Parlament)
Medienmitteilung 23. März 2018

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-SR) will die Kantone im Rahmen der aktuellen Reform der Ergänzungsleistungen (EL-Reform) nicht verpflichten, das betreute Wohnen finanziell zu unterstützen.

Nachdem der Nationalrat in der Frühjahrssession 2018 die EL-Reform (16.065 s) als Zweitrat behandelt und gewichtige Differenzen zu den Beschlüssen des Ständerates geschaffen hatte, hat die Kommission mit der Differenzbereinigung begonnen. Zunächst hörte sie eine Vertretung der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und –direktoren (SODK) an, da die Kantone die EL zu 70 Prozent finanzieren. Die Kommission blieb im Wesentlichen auf der Linie des Ständerates und unterbreitet ihrem Rat insbesondere folgende Anträge:

Mit Blick auf die finanzielle Belastung der Kantone lehnt es die Kommission ab, neue Zuschläge für das betreute Wohnen in der EL einzuführen (Art. 14; 8 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Die Lösung, die der Nationalrat ohne Vernehmlassungs-verfahren beschlossen hatte, würde die Kantone im Jahr 2030 rund 190 Millionen Franken kosten. In der Kommission wurde darauf hingewiesen, dass die Kantone heute schon die Möglichkeit hätten, das betreute Wohnen zu fördern.

Es sollen nicht nur jene Personen EL erhalten, die zuvor mindestens zehn Jahre lang AHV-Beiträge geleistet haben. Die vom Nationalrat eingefügte Regelung würde Auslandschweizer benachteiligen. Weiter hätte sie zur Folge, dass die Kantone zwar bei den EL sparen, im Gegenzug aber wesentlich mehr Sozialhilfe leisten müssten, wurde in der Kommission argumentiert. Die geltenden Karenzfristen reichten aus (Art. 4; einstimmig).

Familien mit Kindern sollen bei den EL nicht schlechter gestellt werden als heute. Einstimmig lehnt es die Kommission ab, die Zuschläge für Kinder nach Alter abzustufen und mehrheitlich zu senken, da dies den Bemühungen zur Bekämpfung der Armut widerspreche (Art. 10 Abs. 1 Bst. a).

Die Kommission wird die Differenzbereinigung an ihrer nächsten Sitzung fortsetzen und dann auch über den Kapitalbezug diskutieren. Zu mehreren Themen beauftragte sie die Verwaltung mit weiteren Abklärungen (Mietzinsmaxima, Krankenkassenprämien, Berücksichtigung des Vermögens).

Die Kommission hat die Beratung der Revision des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; 18.029 s) aufgenommen. Mit der Revision sollen unter anderem die Abläufe bei der Bekämpfung des Versicherungsmissbrauchs optimiert und die Systeme der sozialen Sicherheit der Schweiz und der EU besser koordiniert werden. Zudem wird die Kostenpflicht der Verfahren vor den kantonalen Versicherungsgerichten neu geregelt. Die Kommission ist mit 11 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen auf die Vorlage eingetreten. Sie anerkennt damit grundsätzlich den Bedarf, nach 15 Jahren erstmals eine Revision des Gesetzes durchzuführen. Die Kommission hat mit der Detailberatung begonnen, welche sie an ihrer nächsten Sitzung im April weiterführen wird.

Pionier im Kampf gegen Gummiparagrafen

(Paracontact / deutsche Ausgabe)

Gabi Bucher
Joe A. Manser gründete 1981 im UNO-Jahr der Behinderten zusammen mit zwei Architektenkollegen die «Schweizer Fachstelle für behindertengerechtes Bauen» (neuer Name seit 2017 «Hindernisfreie Architektur- Die Schweizer Fachstelle»). Als Trägerin errichteten sie die «Stiftung zur Förderung einer behindertengerechten baulichen Umwelt», die unter Aufsicht des Bundes steht. Der Stiftungsrat setzt sich zu mindestens einem Drittel aus Betroffenen sowie weiteren Persönlichkeiten aus den Bereichen Architektur, Rehabilitation, Sozialwissenschaften und Behörden zusammen.

«Die Fachstelle fördert eine konsequent behindertengerechte Bauweise in der Schweiz. Als nationales Kompetenzzentrum für hindernisfreie Architektur befasst sie sich mit sämtlichen Belangen in diesem Fachbereich. Dazu zählen neben Zielsetzungen für die räumliche Gestaltung auch visuelle und akustische Anliegen. Ergänzend zum Engagement auf nationaler Ebene unterstützt die Schweizer Fachstelle ein Netz von kantonalen Beratungsstellen, um die Interessenvertretung für das Bauen vor Ort sicherzustellen.»(www.Hindernisfreie-Architekturch)

Herr Manser, was hat Sie dazu bewogen, die Schweizer Fachstelle für behindertengerechtes Bauen zu gründen? Als junger Rollstuhlfahrer infolge Polio mit zwei Jahren hatte ich das Gefühl, die vielen baulichen Hindernisse und Barrieren seien gottgegeben und wir müssten diese als ärgerliches Schicksal akzeptieren. Mit der Ausbildung zum Architekten habe ich dann gemerkt, dass durchaus anders gebaut werden könnte – wenn man wollte – und dass es sogar oft nur wenig dazu brauchen würde. 1979, an einem Hausfest, wo natürlich nichts rollstuhlgängig war, habe ich mit Susanne Kreis und Matthias Hürlimann, zwei nichtbehinderten Architekten, über die Thematik diskutiert. Hürlimann erzählte, dass er an der ETH an einem Forschungsprojekt über behindertengerechtes Bauen gearbeitet hatte, welches nun in einer Schublade liege. Susanne Kreis wiederum hatte mit der Thematik ebenfalls Erfahrungen als Begleiterin in Ferienlagern für Menschen mit Behinderung. Wir waren uns einig, dass etwas Konkretes gemacht werden muss, und so haben wir uns für ein erstes Brainstorming getroffen und die Sache kam ins Rollen.

Und wie sind Sie vorgegangen?
Juristen im Rollstuhl wie Dr. Victor Schultes hatten sich 1980 ebenfalls mit dem Thema beschäftigt und die Kantone zu den einschlägigen Bauvorschriften befragt. Wir haben noch 120 Schweizer Städte miteinbezogen. Aus diesen Umfragen hat sich ergeben, dass es in den Kantonen unterschiedlichste Vorschriften gab, von guten über weniger gute bis hin zu «Gummiparagrafen». Jetzt musste aus den «toten Buchstaben» etwas Konkretes geschaffen werden. Wir haben festgestellt, dass es ein Kompetenzzentrum braucht, eine Stelle, die sich der Thematik professionell eine solche Stelle. Das war kein Zufall, denn der damalige annimmt. Mit einem Konzept auf nur gerade fünf Seiten Baudirektor Godi Bürkie war selber stark gehbehindert! gelangten wir an verschiedene Organisationen und stiessen auf viel Interesse und Unterstützung. Die Finanzierung für die Gründung war dann relativ schnell gefunden.

Und wer sollte diese Stelle führen?
Für uns stellte sich die Frage, ob wir nun lediglich den kleinen Finger geben wollten oder die ganze Hand. Wir waren uns einig, dass wir eine solche Fachstelle selber auf die Beine stellen möchten, und zwar so, dass sie professionell wird. Matthias Hürlimann hat beim Aufbau mitgeholfen und ist heute noch im Stiftungsrat. Susanne Kreis hatte 1982 bei einer Reise nach Kanada geforscht, was dort gemacht wird in Sachen hindernisfreies Bauen. Dabei hat sie einen Architekten im Rollstuhl kennengelernt, der in Kanada auch diesbezüglich engagiert war. Später hat sie unsere Fachstelle verlassen, mit dem sympathischen Paraplegiker in Kanada eine Familie gegründet und in einer ähnlichen Fachstelle am Abbau von kanadischen Hindernissen gearbeitet. So habe ich ab 1992 die Fachstelle alleine geleitet und mit neuen Mitarbeitenden weiter ausgebaut. Welches waren die Aufgaben der Fachstelle? Einerseits ging es darum, Normen und Merkblätter zu erstellen, andererseits mehr Lobbying zu betreiben. Als früheres Mitglied der JUSO hatte ich wertvolle Erfahrungen im Organisieren gesammelt (lacht). Wir haben Richtlinien erarbeitet, welche später in die Schweizer Normen eingeflossen sind. Das meiste, was sich heute in Sachen hindernisfreiem Bauen in den SIA-Normen (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein) und den VSS-Normen (Verein
Schweizer Strassenfachmänner) findet, ist in unserer Fachstelle erfunden worden, die «Software» kommt quasi von uns.

Papier allein bringt aber nichts und ein Schweizer Kompetenzzentrum allein reicht nicht. Bauen liegt in der Kompetenz der Kantone und jeder Kanton funktioniert anders. Es war uns bewusst, dass wir nicht von Zürich aus steuern und überwachen können, ob z. B. die Normen in Genf, Bern oder im Tessin eingehalten werden. Darum war unser Ziel, zur Ergänzung der Schweizer Fachstelle regionale Betungsstellen zu kreieren. Der Kanton Bern z. B. hatte bereits Im Jahr 1982 organisierten wir ein erstes Treffen mit den bestehenden Beratungsstellen und Interessierten, damals kamen zirka 10 Personen. Heute gibt es in jedem Kanton eine Beratungsstelle. Diese sind vor Ort verankert und organisiert. Oft sind sie bei Sektionen von Procap oder Pro Infirmis angegliedert. Diese Stellen kümmern sich um die Beratung und Umsetzung vor Ort, während das Erstellen von Planungsgrundlagen weiterhin ein Schwerpunkt unserer Schweizer Fachstelle bildet.

Welches sind die wichtigsten Anliegen heute?
Wir müssen immer wieder einzelne Details neu festlegen. Die Zeiten ändern sich, dem müssen wir Rechnung tragen. Unser Massstab war anfänglich der Handrollstuhl. Mit der steigenden Zahl von Elektrorollstühlen mussten wir einige Anforderungen neu überprüfen. Ein anderes Beispiel: Bis vor 20 Jahren war es wichtig, zu wissen, wie gross eine Telefonkabine sein muss, das hat sich durch die Mobiltelefone erledigt. Dann müssen in einigen Kantonen dringend die Bauvorschriften verbessert werden. Die Standards wären vorhanden, einige Kantone haben gute gesetzliche Vorgaben. Das grösste Problem ist und bleibt die Umsetzung. Die Gesetze und Vorschriften werden teilweise nich ernst genommen. Ein Informationsproblem kann es nicht sein, alle Architekten können sich diese heutzutage problemlos beschaffen. Aber die Planenden scheuen den Denk-und Planungsaufwand oder sträuben sich, weil sie finden, die Hindernisfreiheit beeinträchtige die Ästhetik. Unser Hauptproblem ist meist die Akzeptanz, daran müssen wir arbeiten. Da braucht es Lobbying. Das ist übrigens einer der Gründe, warum ich immer noch im Zürcher Parlament bin (Manser ist seit 28 Jahren im Gemeinderat Zürich).

Wo sehen Sie die wichtigsten Entwicklungen in den letzten Jahren?
Neben kontinuierlichen Verbesserungen bei den kantonalen Bauvorschriften über die Jahre hinweg war vor allem das Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) 2004 ein grosser Schritt. Weiter war es in Sachen Akzeptanz ein grosser Schritt, dass viele Planungsrichtlinien, welche wir im Laufe der Jahre entwickelt haben, im Jahr 2009 in die SIA-Norm 500 des Schweizerischen Ingenieur und Architekten-Verbands und 2015 in die VSS-Norm 640 075 des Vereins Schweizer Strassenfachmänner eingeflossen sind. Damit gehört hindernisfreies Bauen heutzutage zu einem anerkannten Baustandard. Die Architekten und Planer wissen, dass sie diese Normen einhalten müssen, es ist jetzt nicht mehr nur ein Wunschzettel der Behindertenorganisationen. Das BehiG selber beinhaltet zwar keine Bauvorschriften und das Bauen steht immer noch in der Hoheit der Kantone. Aber die Grundgebote des
BehiG dürfen in den kantonalen Regelungen nicht unterschritten werden. Das hat sich vor allem bei Bauten mit Publikumsverkehr positiv ausgewirkt. Beim Wohnungsbau gibts kantonal leider immer noch sehr grosse Unterschiede, weil dort auch das BehiG schwach ist.

Mit «Bauten mit Publikumsverkehr» meinen Sie öffentlich zugängliche Bauten?
Ich bevorzuge den Ausdruck «mit Publikumsverkehr», das bringt automatisch zum Ausdruck, dass ein Zugang für alle gemeint ist. Mich interessiert nicht, ob das öffentliche Steueramt zugänglich ist, sondern ob dies bei jedem Restaurant oder Einkaufsladen der Fall ist. Laut BehiG müssen alle
Bauten mit Publikumsverkehr zugänglich gemacht werden, nicht nur Neubauten, sondern auch alle Umbauten im Rahmen der Verhältnismässigkeit. Als es darum ging, was als verhältnismässig gilt, habe ich 2002 in National und Ständerat intensiv lobbyiert. Nach vielen Diskussionen darüber, ob man das BehiG nur bei grossen Umbauten anwenden muss, machten wir einen konkreten Vorschlag, um die Verhältnismässigkeit für sämtliche, d. h. auch für kleine Umbauten, festzulegen. Nach einigem Feilschen um die konkreten Werte, wo auch die damaligen Nationalräte Guido A. Zäch und Marc F. Suter mitgeholfen haben, hat sich das Parlament geeinigt, dass Kosten für bauliche Anpassungen bis zu 200/o der Bausumme oder 50/0 des Gebäudewertes als zumutbar gelten! Es hilft sehr, dass dies heute so im Gesetz verankert ist, so muss man nicht bei jedem Umbauprojekt neu diskutieren, was als verhältnismässig gilt. Das ist einer der erkämpften Meilensteine, auf den ich besonders stolz bin.

Worauf sind Sie sonst noch stolz?
Auf die Schweizer Fachstelle an sich und auf all das, was wir damit seit 35 Jahren bewirken konnten. Ganz wichtig war und ist nach wie vor das Lobbying. Als vor Jahren z. B. der Baudirektor des Kantons Zürich neu gewählt wurde, haben wir ihn zu einer Tagung eingeladen und um ein Grusswort gebeten. Er ist gekommen, hat auch mitdiskutiert, das wirkt sich für unser Thema bis heute positiv aus. Auch beim öffentlichen Verkehr, der als Thema eigentlich nicht zu unseren Hauptaufgaben gehört, haben wir einiges erreicht. Für einen brauchbaren Behindertentransport habe ich 1980 als Samichlaus im Rollstuhl den Zürcher Gemeinderat aufgesucht und dort klargemacht, dass die Stadt einen Behindertentransport bereitstellen muss, da 1981 das UNO-Jahr der Behinderten sein werde. 1982 erhielten wir die ersten finanziellen Unterstützungsbeiträge und 1991 wurde dann die Stiftung Behinderten-Transporte Zürich BTZ gegründet, wo ich heute noch im Stiftungsrat bin.

Sie werden bald pensioniert.
Was mach ein Joe Manser dann?
Ich höre nicht ganz auf mit meinem Engagement, habe aber bereits mit Abbauen angefangen. Ich verbleibe noch in der Geschäftsleitung unserer Fachstelle und reduziere mein Pensum von 90% auf 40%. Unsere langjährige Mitarbeiterin, die Architektin Eva Schmidt, übernimmt meine Nachfolge. Sie ist mit ihrer breiten Erfahrung hervorragend dafür quaifiziert. Stellvertreterin und zuständig für die französische

Und was machen Sie mit den restlichen 50%?
Ausschlafen (lacht). Nein, ich werde mich vor allem um Dinge kümmern, die liegen geblieben sind, weil wir keine Zeit hatten dafür. Ein Problem z. B. sind die EU-Normen. Die hebeln je länger, je mehr die Schweizer Normen aus. So hat die Post z. B. neu diese «My Post 24»-Automaten, von welchen man Pakete und eingeschriebene Briefe rund um die Uhr empfangen und versenden kann. Diese sind suboptimal für Rollstuhlfahrer und für Blinde nicht benutzbar. Ein Vorstoss wurde gemacht, um die Bedienung dieser Apparate auf Rollstuhlhöhe zu bringen. In der Zwischenzeit ist aber eine neue europäische Norm für Automaten in Kraft getreten. Darin wird eine Bedienungshöhe von 1,20m erlaubt. Bei uns in der Schweiz gelten aber 1,10 m als Maximum. Oder früher hatten wir eine Schweizer Norm für Lifte. Heute gilt auch in der Schweiz die europäische Lift-Norm, und dort wäre einiges zu verbessern. Die europäischen Normen werden mehr und mehr bestimmend, z. B. auch bei den Eisenbahnen. Bis jetzt hatten wir nicht genug Kapazität, um da einzuwirken. Vielleicht werde ich nun vermehrt an
Sitzungen zu diesen Themen in Brüssel, Madrid oder Wien teilnehmen und dies gleich mit ein paar Tagen Ferien verbinden. Aber auch in der Schweiz werde ich mich gewissermassen als Aussenminister der Fachstelle beim einen oder anderen Projekt noch engagieren. Ich werde aber zeitlich nicht mehr so gebunden sein und trage weniger Verantwortung. In den Sommermonaten werde ich sicher vermehrt
bei mir um die Ecke am See in meiner Lieblingsbadi «Tiefenbrunnen» anzutreffen sein!

Die SPV führt seit Ja hren als eigenen Bereich das Zen- trum für hindernisfreies Bauen in Muhen AG (ZHB), wel- ches eine vom Bundesamt für Sozialversicherungen an- erkannte, private Fachstelle ist. Diese arbeitet mit Joe Manser bzw. der im Interview beschriebenen Fachstelle zusammen. Die acht Mitarbeitenden kümmern sich vor allem um Beratung, Planung, Projektmanagement sowie um die Dokumentation und Information externer Partner zu behindertenspezifischen Aspekten beim Bauen.Sie beraten Kunden in allen Regionen der Schweiz.