Neue Dosto-Züge der SBB: Nachbesserungen nötig

Bis Ende November 2018 werden die neuen Züge der SBB zu Testzwecken in Betrieb genommen. Erst danach soll die definitive Betriebsbewilligung für den Dosto erteilt werden. Wie anlässlich einer Begehung eines Fahrzeuges durch Vertreter aus den Behindertenorganisationen festgestellt werden konnte, beinhaltet der Dosto jedoch noch einige Mängel hinsichtlich der selbstständigen Nutzung von Menschen mit Behinderungen. Inclusion Handicap hat deshalb beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die befristete Betriebsbewilligung eingereicht.

Der Dosto ist eine bedeutende Investition der SBB: Sie geben 1.9 Mrd. Franken aus für 62 Doppelstockzüge, die unter anderem auf den Strecken Genf – St. Gallen und Bern – Zürich zum Einsatz kommen sollen. Umso wichtiger ist, dass eine derart wichtige Anschaffung die Anforderungen des Behindertengleichstellungsrechts erfüllt.

Das Bundesamt für Verkehr hat im November des letzten Jahres den SBB eine befristete Betriebsbewilligung für ein Jahr erteilt. Diese soll dazu dienen, bestehende Mängel beim Rollmaterial zu eruieren und beheben. Inclusion Handicap hat nun bereits gegen diese befristete Betriebsbewilligung Beschwerde erhoben. Dies ist im Sinne der Verhältnismässigkeit und somit auch im Interesse der SBB: Da die überwiegende Mehrheit der Züge noch nicht gebaut worden ist, können die Anforderungen punkto Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen erfüllt werden, ohne dass unnötige Kosten entstehen.

Inclusion Handicap hatte zusammen mit Vertreterinnen und Vertreter der Fachkommissionen kurz vor Weihnachten den Dosto besichtigt. Die Besichtigung und Begehung ergab diverse Mängel. Inclusion Handicap stellt in der Beschwerde insgesamt 15 Rechtsbegehren. Im Fokus stehen folgende Punkte:

  • Reisende im Rollstuhl können den Zug nicht selbstständig verlassen, da die Neigung nach oben zum Perron zu hoch ist. Inclusion Handicap fordert, den Boden im Ein- und Ausstiegsbereich zu erhöhen.
  • Die Handläufe bei den Treppen zum Ein- und Ausstiegsbereich sind zu wenig lang. Inclusion Handicap verlangt, dass sie bis zur Tür verbunden wird. Ansonsten ist dies z.B. für Passagierinnen und Passagiere mit einer Sehbehinderung ein Sicherheitsproblem.
  • Die Türöffnungstasten im Zug können von Rollstuhlfahrer aufgrund ihrer Positionierung gar nicht erreicht werden. Diejenigen ausserhalb sollen einerseits mit einem Kontrastfeld gekennzeichnet werden und andererseits mit einem akustischen Signal versehen werden, damit sie für Menschen mit Sehbehinderung zu bedienen sind.
  • Die Fortbewegung im Zug ist erschwert, da das Oberdeck nicht eben ist. Entsprechende Markierungen sind anzubringen, damit die Stolpergefahr reduziert werden kann.
  • An diversen Orten führen die Lichtverhältnisse zu extremen Blendungen. Inclusion Handicap beantragt, dass Massnahmen getroffen werden, damit die Passagiere weniger geblendet werden bzw. die Spiegelung reduziert werden kann. Dies betrifft beispielsweise Monitore mit Fahrplaninformationen, die für Reisende mit Hörbehinderung essentiell sind.

Ziel der Beschwerde von Inclusion Handicap ist nicht, den Testbetrieb zu verhindern. Aus Gründen der Verhältnismässigkeit ist aber sicherzustellen, dass die nötigen Anpassungen sofort vorgenommen werden, noch bevor alle Fahrzeuge fertiggebaut sind.

Emission «10 vor 10» sur SRF: «Die Rollstuhlfalle der SBB»

Source Inclusion Handicap

Observation von Versicherten nur mit richterlicher Genehmigung

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) will die Überwachung von Versicherten klarer regeln. Wie der Ständerat will sie den Einsatz von GPS-Trackern bei Observationen zulassen. Hingegen beantragt sie, dass Observationen in jedem Fall richterlich genehmigt werden müssen.

Die Kommission hat die Beratung der Vorlage Pa. Iv. «Gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten» (SGK-SR; 16.479 s) aufgenommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in einem Urteil vom Herbst 2016 bemängelt, dass in der Schweiz eine präzise und detaillierte gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten fehle. In der Folge stellten die Unfallversicherer und die Invalidenversicherung die Observationen ein. Um diese rasch wieder zu ermöglichen, trat die Kommission mit 18 zu 7 Stimmen auf die Vorlage ein, die der Ständerat in der Wintersession 2017 angenommen hatte. Die Minderheit lehnt den vorliegenden Observationsartikel im Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ab mit dem Argument, derart heikle Eingriffe in die Privatsphäre von verletzlichen Personen müssten in der Strafprozessordnung geregelt werden.

Die Kommission führte Anhörungen zu Fragen aus der Praxis und der Grundrechte durch. In der Detailberatung stellt sie ihrem Rat insbesondere folgende Anträge:

  • Bei der Observation sollen nicht nur Bild- und Tonaufnahmen gemacht, sondern auch technische Instrumente zur Standortbestimmung (GPS-Tracker) eingesetzt werden können. Die Kommission folgte mit 16 zu 9 Stimmen dem Ständerat, da GPS-Tracker einen effizienten Einsatz der Observierenden ermöglichten.
  • Eine Observation soll unabhängig von den eingesetzten Instrumenten in jedem Fall von einer Richterin oder einem Richter des kantonalen Versicherungsgerichts genehmigt werden (12 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen). Der Ständerat sah nur für den Einsatz von GPS-Trackern das Erfordernis einer richterlichen Genehmigung vor.
  • Mit 17 zu 7 Stimmen lehnt sie es ab, Observationen auf allgemein zugängliche Orte wie Strassen und Parks zu beschränken. Wie der Ständerat will sie Observationen auch an Orten wie offenen Balkonen zulassen, die von einem allgemein zugänglichen Ort aus frei einsehbar sind.

Die Kommission will die Detailberatung an ihrer nächsten Sitzung abschliessen, damit der Nationalrat die Vorlage in der Frühjahrssession behandeln kann.

Die Kommission führte die Beratung über die EL-Reform (16.065 s) weiter. Eingehend diskutierte sie noch einmal über die Unterstützung des betreuten Wohnens. Am Ende bestätigte sie mit 13 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen, dass sie das Modell beantragen will, für das sie sich schon früher ausgesprochen hatte. Konkret sollen Altersrentnerinnen und -rentner, die Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung leichten Grades haben, bei der Berechnung der EL für das betreute Wohnen einen Mietzinszuschlag von bis zu 15‘000 Franken im Jahr beanspruchen können. Für Ehepaare soll der Zuschlag bis zu 22‘500 Franken betragen (Art. 10 Abs. 1 Bst. b). Die Kommission kam auch auf die Frage des Vermögensverzehrs (Art. 11a Abs. 3) zurück, fasste aber noch keinen Beschluss. Sie wird die Beratung an ihrer nächsten Sitzung im Februar 2018 fortführen.

Source: Das Schweizer Parlament Medienmitteilung Freitag, 26. Januar 2018

«Selbstbestimmtes Handeln durch verständliche Informationen»

(OberseeNachrichten)

Kurze Sätze, keine Fremdwörter. «Leichte Sprache» ist wichtiger, als man denkt. Denn: Ungefähr ein Zehntel der Schweizer Bevölkerung kann keinen Zeitungsartikel lesen. Die ON sprachen mit Corina Bichsel, Leiterin Büro für «Leichte Sprache» von Pro Infirmis Zürich. Sie antwortet in einfacher Sprache (siehe Kasten)

Bitte erklären Sie zunächst das Konzept.Die «Leichte Sprache» ist einfach und gut verständlich. Sie eignet sich für alle Menschen, die Mühe mit dem Lesen haben. Zum Beispiel: Menschen mitkognitiver Beeinträchtigung, Migrationshinter grund, einer Demenz Erkrankung oder Gehörlose.

Ein paar Grundregeln?
Kurze, einfache Hauptsätze. Keine Nebensätze. Keine Silbentrennung.
Genügend grosse Schriftgrösse, ausreichend grosser Zeilenabstand.
Fremdwörter vermeiden oder sonst erklären.

Wie viele Menschen sind in der Schweiz auf «Leichte Sprache» angewiesen?
Gemäss Studien sind es 800000 Menschen. Sie können zum Beispiel einen Artikel in einer Tageszeitung nicht lesen.

Richtet sich das Konzept in erster Linie an «Lernschwache» und Behinderte?
Grundsätzlich profitieren alle voneiner leicht verständlichen Sprache.Beim Schreiben in «Leichter» oder einfacher Sprache muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren. Auch die Zusammenhänge
müssen klar sein. Das hilft in jedem Text für das Verständnis.

«Alle profitieren von Leichter Sprache.»

Sie bemühen sich, auch offizielle Stellen und Behörden zu motivieren, ihre Unterlagen und Dokumente in «Leichte Sprache» übersetzen zu lassen. Sind Sie erfolgreich?
Wir haben verschiedene Kunden in der Verwaltung von der Stadt Zürich, vom Kanton Zürich und anderen Kantonen. Es gibt aber noch viele Ämter und Behörden, die von «Leichter Sprache» profitieren könnten.

Wurde bei Ämtern und staatlichen Einrichtungen die Notwendigkeit einer Vereinfachung der Unterlagen und Dokumente erkannt?
Das Thema «Leichte Sprache» ist für viele noch neu. Wenn wir sie erklären, sind die meisten sehr interessiert. Sie finden dasKonzept sinnvoll. Oft fehlt aber das Geld für die Übersetzung.

Ihr Motto lautet «Alle sollen alles verstehen können». Sollte das nicht eigentlich selbstverständlich sein?
Natürlich. Genauso wie alle Menschen in alle öffentlichen Gebäude gelangen sollten, ob sie nun im Rollstuhl sitzen oder nicht. Verständliche Informationen sind der Grundstein für selbstbestimmtes Handeln.

Warum, denken Sie, ist in unserer Gesellschaft eine schwierige Sprache Standard?
Mit schwieriger Sprache kann manviel sagen, ohne viel Platz zu brauchen.Verdichtetes Schreiben spart Platz. Es spart aber beim Lesen keineswegs Zeit. Schwierige Sprache ist aber auch wichtig. Wortspiele und Metaphern haben genauso ihren Platz wie juristische
Formulierungen. Es kommt immer darauf an, für wen ein Text bestimmt ist und wo er eingesetzt wird.

Ist es wirklich möglich, sehr schwierige Texte – zum Beispiel Gesetze – vollständig in «Leichte Sprache» zu übersetzen, ohne dass Präzision und juristischer Gehalt verloren gehen?
Bei juristischen Texten ist die «Leichte Sprache» eine wertvolle Ergänzung – sie ersetzt aber den juristisch gültigen Text nicht. Juristische Feinheiten sind in «Leichter Sprache» nur sehr schwer abzubilden. Es ist aber wichtig, dass juristische Dokumente in «Leichter» oder einfacher Sprache erklärt werden. Man will doch verstehen, was man unterschreibt!

Welche Erlebnisse haben Sie mit Menschen gemacht, die dank der «Leichten Sprache» vielleicht sogar zum ersten Mal einen Text verstehen?
Sie freuen sich natürlich sehr. Und sie fühlen sich endlich ernst genommen und verstanden.

«Sie fühlen sich ernst genommen und verstanden.»

Sind eher «untere» soziale Schichten auf die «Leichte Sprache» angewiesen, oder gibt es den Bedarf über die gesamte Gesellschaft verteilt?
Wir stellen fest: Der Bedarf ist völlig unabhängig von der sozialen
Schicht, in der wir leben.

Zu den Regeln: Bleiben Satzzeichen wie bei der normalen Sprache?
In der «Leichten Sprache» verwendenwir Punkt, Komma, Fragezeichen und zum Teil Ausrufezeichen. Es gibt keine Anführungsund Schlusszeichen, keine Klammern, keinen Strichpunkt oder Gedank enstrich. In der einfachen Sprache sind einige dieser Zeichen er laubt, so lange der Text verständlich bleibt.

Wie viel «Wert» wird auf Rechtschreibung gelegt?
Grundsätzlich gelten die Rechtschreibregeln. Bei längeren Wörtern setzt man aber zum Beispiel mehr Bindestriche, damit ein Wort leichter lesbar ist.

Was kann man machen, wenn es schlicht kein kurzes oder einfaches Wort für etwas oder einen Sachverhalt gibt?
Dann kann man versuchen, das schwierige Wort einfach zu erklären.

«Jeder soll doch verstehen, was er unterschreibt.»

Wie kann man nach der Übersetzung wissen, ob ein Text «leicht genug» geworden ist?
Wir lassen den Text von einer Gruppe von Menschen mit Leseschwäche prüfen. Nur sie können beurteilen, ob der Text verständlich ist.

Für Interessierte: Brauchen Sie noch Übersetzer?
Im Moment haben wir ein gutes Team von Übersetzerinnen, die für uns arbeiten. Wir suchen aber immer Prüfende!

Michel Wassner

Einfach und leicht
Pro Infirmis erklärt «Leichte Sprache» wie folgt: So schreiben und sprechen, dass es alle gut verstehen. Es handelt sich dabei um ein klares Konzept mit definierten Regeln. Das Interview ist allerdings in einfacher Sprache abgefasst, die ein wenig schwieriger ist. Dies zugunsten der Lesbarkeit.

Fernand Melgars « À l’école des Philosophes » eröffnet die 53. Solothurner Filmtage 2018

Fernand Melgar eröffnet mit dem Dokumentarfilm «À l’école des Philosophes» am 25. Januar 2018 die 53. Solothurner Filmtage. Der Regisseur («L’abri», «Vol spécial», «La forteresse») blickt in seinem neuen Film wiederum mitten ins Herz einer Institution für die «Anderen». Fünf Kinder – alle mit einer Behinderung – erleben ihr erstes Schuljahr in der «École de la Rue des Philosophes» in Yverdon. Melgar begleitet Albiana, Chloé, Kenza, Léon und Louis und ihre Lehrerinnen, Therapeutinnen und Angehörigen durch gute und schlechte Tage und zeigt humorvoll und zärtlich, wie eine kleine Gruppe von Kindern, die nicht so sind wie die anderen, das Leben und die Welt entdeckt.

Sponsored Barrierefreies Reisen : Das Thema gewinnt an Wichtigkeit

(Travelnews)

Das Fespo-Sonderthema ist wichtig – auch in der schulischen Ausbildung. Dafür setzt sich seit etwas mehr als einem Jahr der neue Verein «Barrierefreies Reisen» ein.

Das Sonderthema der diesjährigen Fespo Zürich ist «Barrierefreies Reisen». Also die Möglichkeit, auch mit einer Behinderung nahe und ferne Ferienziele erkunden zu können. Die Vielf alt der Behinderungen (Bewegung,Wahrnehmung etc.) erfordern ein grosses Mass an Vorbereitung und prophylaktischer Information zu dengeplanten Reisen. Unterstützt wird dies durch spezialisierte Anbieter, doch haben auch diverse touristische Unternehmen oder regionale Vertretungen inzwischen Informationen für Personen mit Mobilitätseinschränkungen zusammengetragen.Einige Informationen dazu werden an der Fespo im Rahmen diverser Vorträge geben.

Informationen liefert auch der seit Dezember 2016 existierende Förderverein « Barrierefreie Schweiz », in welchem zahlreiche touristische Verbände der Schweiz wie etwa Hotelleriesuisse, Schweiz Tourismus, Schweizer Jugendherbergen, Reka, SBB, Pro Infirmis und mehr Mitglieder sind. Ziel des Vereins ist, die verschiedenen Projekte für barrierefreies Reisen in der Schweiz zu koordinieren, die einheitliche Erfassung und Kommunikation der spezifischen Angebote zu gewährleisten und weitere Organisationen dazu zu motivieren, in diesem Bereich aktiv zu werden. Anhand einer Datenbank sollen aktuelle Reiseinformationen für Menschen mit Behinderungen imSchweizer Tourismus strukturiert sichtbar und auf breiter Basis zugänglich gemacht werden

Seit März 2017 ist die Geschäftsstelle von «Barrierefreie Schweiz» in den Händen von Mobility International Schweiz(MIS) in Olten. Fabian Süess (Bild links) ist stv. Geschäftsführer von MIS. Er wird an der Fespo zugegen sein, doch MIS sei nicht mit einem Messestand präsent: «Es geht uns viel mehr darum, die Anbieter selber in den Fokus zu stellen, damit diese ihre Angebote präsentieren können.» Darüber hinaus habe man den Messeauftritt vonMitgliedern und Partnern von Barrierefreie Schweiz vor Ort koordiniert.

Zentrales Element von MIS ist die Datenbank «MIS Plus», in welcher Angebote für barrierefreies Reisen zusammengetragen werden. Das er streckt sich von infrastrukturellen Angaben über spezifische Kategorien (Restaurants, Ferien wohnungen etc.) bis hin zu Städteführern und Reisebroschüren weltweit, welche speziell auf Menschen mit Behinderung zugeschnitten sind. Gepflegt wir die Datenbank durch die Mitarbeitenden von MIS.

Laut Süess gibt es bislang nur wenige spezialisierte Reiseanbieter für behinderte Personen : «Die Grösseren sind Procap Reisen, Serei Voyages und die Abteilung Kultur und Freizeit vom SPV in Nottwil.» Diese und weitere Anbieter mit zum Teil nur wenigen Angeboten sind in einer Datenbank zusammengefasst. «Neben der Datenbank bieten wir auch PDF-Listen mit spezifischen Angeboten an», ergänzt Süess. Der Zugriff auf die Daten oder die telefonische oder schriftliche Nachfrage variieren je nach Saison. Aber es gebe täglich einige Anfragen auf die Informationen,was sehr erfreulich sei.

Süess ist überzeugt, dass im Bereich des barrierefreien Reisens noch viel Potenzial brachliegt. Obwohl die in der Schweiz wichtigen Tourismus- und Freizeitorganisationen sich zusammengesetzt und dafür entschieden haben, mehr für den barrierefreien Tourismus zu unternehmen, sei man noch weit entfernt von einem barrierefreien Reiseland, schliesst Süess.

Wobei anzufügen ist: Immerhin ist in der Schweiz ein Verein daran, die Angebotslücken auf breiter Ebene zu schliessen. Das ist in vielen anderen Ländern, also Reisezielen, nicht der Fall, weshalb die Auswahl an Reisezielenfür behinderte Menschen ziemlich eingeschränkt ist. Immerhin gibt es im direkt angrenzenden Ausland ebenfalls recht viele Angebote. Darauf angesprochen, nennt Süess spezifisch das Kaunertal in Österreich, das Tirol, Sachsen, Thüringen oder Brandenburg als Reiseziele, welche viel Kompetenz und ein breites Angebot im Bereich barrierefreies Reisen haben.

Kompetenzpartner: IST

An der IST, Höhere Fachschule für Tourismus in Zürich und Lausanne sind Themen wie Nachhaltigkeit oder Mobilität nicht nur touristische Randthemen, sondern wesentliche Bestandteile des Lehrplans. «Die Studierendensehen Informationen zu solchen Themen als willkommene und auch wichtige Bereicherung des Lehrplans», erklärt IST-Schulleiter Thomas Jenzer (Bild rechts). Beispielsweise gebe es seit über zehn Jahren einen Unterrichtsblock namens «Mobilität im Tourismus». Im Dezember hat Fabian Süess, stv. Geschäftsführer von Mobility International Schweiz (MIS), dabei zwei Schulungen zum Thema «Barrierefreies Reisen» an der IST durchgeführt.

Zusammen mit einer blinden Person versuchte er, die Studierenden für das Thema zu sensibilisieren und aktuelleProjekte in der Schweiz zu präsentieren. «Das Interesse der Studierenden war sehr gross und sie nahmen sehr engagiert am Unterricht teil, was mich sehr er freute», bilanziert Süess, «und dank diesen Schulungen gibt es oft Diplomarbeiten, die zum Thema ‚ Barrierefreies Reisen‘ verfasst werden.»

Das Dozieren gemeinsam mit einer blinden Person bei diesem sensitiven Thema liegt ganz in der Philosophie der IST: Wissensvermittlung aus erster Hand, mit Praxisbezug, mit Aha-Effekt. So bleibt das Erlernte haften und so wird möglicherweise auch ein besonderes Interesse bei Studierenden geweckt, welche sich künftig vertieft mit solchen Themen auseinandersetzen wollen.

Im Übrigen machen die IST-Studierenden schon seit 24 Jahren Umfragen an der Zürcher Ferienmesse «Fespo». Diesim Rahmen des Fachs «Tourismus-Statistik», also als fixer Ausbildungsbestandteil, wobei die Resultate natürlich auch der Fespo und der Tourismusbranche im Allgemeinen zugute kommen. Diese Jahr sind an der Fespo jaMobilitätsthemen besonders im Fokus. Man darf gespannt sein, welche Erkenntnisse im Rahmen der IST-Umfragen gewonnen werden.

Behindertenichtbehindern

(Der Bund)

Ergänzungsleistungen Die neue Regelung für Beiträge an die Miete trifft IV-Rentner zum Teil hart.

Andrea Fischer

Behinderte nicht behindern

Jeder darf seine Lebensform frei wählen. Das gilt auch für Menschen mit einer Behinderung. So verlangt es die UNO Behindertenrechtskonvention, welche auch die Schweiz ratifiziert hat. Doch mit der Umsetzung dieses Grundrechts tut sich die Politik oft schwer. Das zeigt sich gerade jetzt wieder. IV-Rentnerinnen und rentnern drohen drastische Kürzungen bei den Beiträgen für die Miete. Betroffen wären all jene, die auf Ergänzungsleistungen (EL) angewiesen sind und in Wohngemeinschaften leben.

Zwei alleinstehende EL-Bezüger, die sich eine Wohnung teilen, sollen künftig höchstens noch 1620 Franken statt wie bisher 2200 Franken für die Miete bekommen. Sie würden damit gleich behandelt wie Ehepaare, obwohl diese weniger Wohnraum benötigen. Noch schlechter sieht es für grössere Wohngemeinschaften aus. Vier IV-Rentner, die heute für eine gemeinsame Woh-nung maximal 4400 Franken ausgeben können, müssen sich künftig mit 1960 Franken begnügen. Dass sich damit in grossen Städten kaum eine passende
Wohnung finden lässt, ist jedem klar, der die Mietpreisentwicklung der letzten Jahre auch nur am Rande verfolgt hat.

Die Kürzungen sind Teil der EL-Reform. Der Bundesrat erhofft sich davon Einsparungen von fünf Millionen Franken, der Ständerat hat dies abgesegnet. Erklärtes Ziel der Reform ist es aber auch, die Wohnbeiträge für bedürftige Rentnerinnen und Rentner so anzupassen, dass damit die gestiegenen Kosten auf dem Wohnungsmarkt ausgeglichen werden. Diese Absichtdroht sich nun für einzelne Gruppen von EL-Bezügern ins Gegenteil zu drehen.

Zugegeben, die heutige Regelung ist recht grosszügig. Eine angemessene Kürzung wäre verkraftbar. Die vorgesehenen Reduktionen gehen aber zu weit und sind nicht gerechtfertigt. Werden sie umgesetzt, wird das Leben in Wohngemeinschaften unerschwinglich. Diese sind aber für immer mehr Behinderte eine ideale Alternative zum Heim oder zum Leben allein: Sie können sich im Alltag gegenseitig unterstützen.

Der Nationalrat hat es nun in der Hand, die Kürzungen zu reduzieren. Einsparungen wären trotzdem möglich, wenn auch geringer. Aber das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit einer Behinderung darf nicht eingeschränkt werden

Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

(P.S.Zeitung)

Am 11. Januar lud die SP9 zu einem Anlass ein, der sich dem Thema Wohnen und Arbeiten mit einer Behinderung in der Stadt Zürich widmete. Stadtpräsidentin Corine Mauch stellte die Aktivitäten und Pläne der Stadt vor und setzte ihren Bericht unter den Leitgedanken «Zürich, Stadt für alle». P.S. druckt eine gekürzte Version ihrer Rede ab.

Für Menschen mit Behinderungen sind Verbesserungen nach wie vor notwendig. Oft sind es die Umgebung, die Gegebenheiten, die eine Behinderung für die betroffenen Personen darstellen. Der Grundsatz muss darum heissen: Menschen darf infolge, ihrer Einschränkung kein Nachteil entstehen.

Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ist nicht nur ein Wunsch von Gesellschaft und Politik. Sie ist im Gesetz festgeschrieben. Bundes- und Kantonsverfassung sowie das Behindertengleichstellungsgesetz und die UNO Behindertenrechtskonventan sind die rechtlichen Grundlagen. Sie verpflichten auch den Zürcher Stadtrat, die entsprechenden
Massnahmen zu ergreifen, um dieBenachteiligungen zu beseitigen und Diskriminierung entgegenzuwirken. Menschen mit Behinderung sind gleichberechtigt und müssen am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können.

Eine Anlaufstelle für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung.

Der Stadtrat von Zürich hat in der Perode von 2010 bis 2014 die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung zu einem Schwer punkt gemacht. Drei Mitarbeitende aus drei Departementen waren für die Förderung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung zuständig. Dieses Modell wurde weiterentwickelt und heute darf ich Ihnen mitteile dassseit dem 1. November 2017 zwei Beauftragte für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung beim Stab der Stadtpräsidentin eine zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle bilden. Sie sind einerseits Kontaktstelle für die Abteilungen der Stadtverwaltung und andererseits für die Bevölkerung der Stadt Zürich, für Verbände und Institutionen.

Welche Bereiche stehen im Fokus?

Grundsätzlich besteht der Auftrag der Stelle darin, die Sicherstellung des barrierefreien Zugangs zu öffentlichen Gebäuden, Einrichtungen, öffentlichem Verkehr, Dienstleistungen und zur politischen Partizipation weiter voranzutreiben. Im baulichen Bereich geht es dabei nicht nur um Neubauten. Die Stadt ist verpflichtet, auch bei bestehenden Bauen und Anlagen Hindernisse zu beseitigen. Verhältnismässigkeit und Wirtschaft lichkeit sind dabei zu beachten. Die städtische Fachstelle Hindernisfreies Bauen berät Bauwillige und stellt sicher, dass Neubauten und Umbauten so realisiert werden, dass die verschiedensten Bedürfnisse abgedeckt sind Dabei geht es nicht nur um den stufenlosen Zugang, sondern auch um die Zugänglichkeit für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung. Pro Jahr begleitet die Fachstelle über 2000 Bauvorhaben im Stadtgebiet. Auch neue Wohnungen müssen hindernisfrei sein, auf jeden Fall bei Bauten ab acht Wohnungen.

Die Barrierefreiheit von öffentlichen Anlagen steht ebenfalls auf dem Programm. Wir beginnen mit den Friedhöfen und über prüfen sie auf ihre Zugänglichkeit, um allfällige Verbesserungen vorzunehmen. Da die Stadt Herrin über viele Gebäude und Anlagen ist, sind wir froh um Hinweise, wenn Ihnen irgendwo auffällt, dass Verbesserungen nötig sind.

Arbeit ist für alle Menschen wichtig,ob sie nun mit einer Behinderung leben oder nicht. Beschäftigung trägt zum Wohlbefinden bei. Die Stiftung RgZ, bei der wir heute zu Gast sind, geht mit gutem Beispiel voran. Für Erwachsene mit geistiger oder mehrfacher Behinderung bietet sie einen Ausbildungsplatz oder einen geschützten Arbeitsplatz und damit eine sinnvolle Beschäftigung ohne Leistungsdruck an.

Auch die Stadt als Arbeitgeberin muss und will ihren Beitrag leisten. Bei der letzten Erhebung, 2014, waren in der ganzen Verwaltung 2,6 Prozent der Lernenden Jugendliche mit Behinderung. Bei den Festangestellten lag die Quote unter einem Prozent. Die Zahl der Angestellten mit Behinderung soll also generell erhöht werden. Auch hier wartet eine wichtige Aufgabe auf die Beauftragten. Sie werden mit den städtischen Personalabteilungen den Austausch suchen, um einerseits Ziele zu definieren, aber auch um zu beraten und zu unterstützen, damit das Arbeiten bei der Stadt Zürich auch mit einer Behinderung vermehrt möglich ist.

Beim öffentlichen Verkehr konnten wir im Vergleich zu anderen Regionen sehr gute Fortschritte erzielen. Dies gilt sowohl für den ZVV wie auch für die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich. Hier setzt sich eine Fachkommission für die hindernisfreie Mobilität ein. Selbstverständlich werden neu auch die zwei städtischen Beauftragten von der Kommission einbezogen.

Zürich, Stadt für alle.
Nicht zuletzt ist die Sensibilisierung der städtischen Angestellten und der Bevölkerung von Bedeutung. Es soll selbstverständlich
werden, dass sich alle Personen am öffentlichen Leben beteiligen, ungeachtet ihrer individuellen Situation. Menschen mit Behinderung sollen sich in der Öffentlichkeit unbehindert bewegen können. Wer sichtbar ist, trägt zur Sensibilisierung bei. Ein gutes Beispiel auch hier für ist die Stiftung RgZ, die viel für die Integration ihrer Klientinnen und Klienten in die Gesellschaft tut. Mit ihren vielfältigen Dienstleistungen wie ihrem öffentlich zugänglichen Restaurant und vor allem mit ihrem Standort mitten im Quartier Altstetten ermöglicht die Stiftung RgZ schliesslich Begegnungen. Wir werden darauf aufmerksam, dass nicht alle Menschen gleich sind und schärfen unser Bewusstsein für Menschen mit anderen Fähigkeiten und Bedürfnissen.

Ich freue mich, dass die Stadt Zürich die Förderung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung mit dieser Anlauf und Koordinationsstelle vorantreibt. Wir werden zeitnah über ihr konkretes Arbeitsprogramm informieren. Unser Ziel ist, dass die Stadt Zürich auch für Bewohnerinnen und Bewohner mit Behinderung zu einer der attraktivsten Städte wird. Informationen und Kontakt: www.stadt-zuerich.ch/barrierefrei

STIFTUNG RGZ

Die Stiftung RgZ unterstützt die Entwicklung, Lebensgestaltung und soziale Integration von Menschen mit Bewegungsauffälligkeiten, Entwicklungsbeeinträchtigungen, geistiger oder mehrfacher Behinderung, ungeachtet des Schweregrades. Sie führt neun Frühberatungs- und Therapiestellen für Kinder, zwei Heilpädagogische Schulen, zwei Tagesstätten, eine geschützte Werkstätte, ein Restaurant, sechs sozialpädagogisch betreuteWohnungen und ein Wohnheim für Erwachsene.
www.stiftung-rgz.ch

Diskriminierung von Gehörlosen bleibt

Gehörlose Menschen in der Schweiz werden weiterhin diskriminiert: Insgesamt wurden 2017 dem Schweizerischen Gehörlosenbund 52 Fälle von Diskriminierungen am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum gemeldet.

Beim rechtlichen Schutz von Menschen mit Behinderungen wäre die Schweiz eigentlich gut aufgestellt, teilte der Gehörlosenbund (SGB-FSS) am Mittwoch mit. Denn sie verfüge über ein Behindertengleichstellungsgesetz, sie verbiete Diskriminierung in der Verfassung und sie habe die Uno-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterzeichnet.

Trotzdem habe der SGB-Rechtsdienst im letzten Jahr 52 Fälle von Diskriminierungen behandeln müssen. Betroffen waren zum Beispiel gehörlose Personen, die wegen ihrer Behinderung nicht angestellt wurden, am Arbeitsplatz gemobbt oder von bestimmten Krankenkassen-Modellen wie Tele-Medizin-Modell ausgeschlossen waren.

Auch bei Problemen im öffentlichen Verkehr seien gehörlose Menschen benachteiligt: Denn bei Pannen werde oft nur über Lautsprecher informiert. Am meisten Fälle betrafen jedoch die Finanzierung von Hilfsmitteln: So weigerte sich zum Beispiel ein kantonales Steueramt, die Kosten für einen Gebärdendolmetscher zu übernehmen, obwohl es dazu verpflichtet gewesen wäre.

Der Diskriminierungsbericht wurden in diesem Jahr zum ersten Mal veröffentlicht. Vergleichszahlen zu anderen Jahren gibt es deshalb nicht. Eine Abnahme der Fälle sei jedoch nicht festzustellen, teilte der SGB-FSS auf Anfrage mit. Im Gegenteil: Weil die Meldungen der Betroffenen und ihr Bewusstsein über das erlittene Unrecht zunähmen, komme es zu mehr juristisch erfassten Fällen.

Source: sda

Hindernisfreier Winter

(suedostschweizimmo.ch)

Eine frisch verschneite Landschaft ist eigentlich wunderschön anzusehen. Wir alle kennen diese speziellenMomente, wenn die Welt scheinbar von einem Zuckerguss überzogen wurde. Was jedoch vorerst so schön aussieht,ist für viele Mitmenschen im täglichen Leben ein veritables Problem. Menschen mit Behinderungen können dem Winter meist nur wenig Positives abgewinnen, da er oft mit Einschränkungen und Gefahren verbunden ist.

von Urs Mugwyler

Für Rollstuhlfahrende ist der Winter die schwierigste Jahreszeit. Vor allem in schneereichen Wintern ist das Verlassen des Hauses sowie das Vorankommen auf der Strasse, wenn überhaupt, nur sehr mühsam möglich.

Schneeräumung ist unerlässlich

Schlecht oder zu spät geräumte Strassen, Gehwege und Hauseingänge sind ja bereits für nichtbehinderte Menschen oft nur mühsam zu über winden. Vereiste und von gefrorenem Schnee bedeckte Gehwege und Strassen bergen ein nicht zu unterschätzendes Unfallrisiko mit teilweise gravierenden Folgen.

Umso mehr wird der Rollstuhlfahrer in seiner Mobilität eingeschränkt und dies bereits bei ganz einfachen Tätigkeiten, wie das Fahren auf dem Trottoir. Das Überqueren von Strassen im Winter ist dabei noch viel anspruchsvoller und kann zu einer schier unmöglichen Aufgabe werden. Schneeberge zwischen Trottoir und Fussgängerstreifen resp. Strassen, die bei der Schneeräumung der Strassen entstehen, nicht geräumte Ausfahrtenund nicht erkennbare abgesenkte Bordsteine stellen für gehbehinderte Personen kaum über windbare Hindernisse dar. Der Weg zum Auto oder Bus wird somit bereits zur einer Herausforderung. Rampen und steile Strassen mit Schnee und Eis verwandeln sich in Rutschbahnen, wenn sie nicht konsequent geräumt werden.

Behindertenparkplätze sind wichtig und notwendig, nützen im Winter aber nur wenig, wenn man diese nur an der unberührten Schneedecke erkennt. Werden sie nicht geräumt, können sie nur schwer benutzt werden, denn der Rollstuhl rutscht beim Ein- und Aussteigen einfach weg. Kaum besser ist es an Bushaltestellen, wenn das Ein- und Aussteigen wegen der Schneeberge kaum möglich wird.

Hinzu kommen ältere Menschen und Mütter mit Kinderwagen, für die die Schneeberge schier unbezwingbar sind. Auch trifft es sehbehinderte Menschen, wenn notwendige Markierungen und Leitlinien am Boden wegen desSchnees über längere Zeit nicht mehr erkenn- und ertastbar sind. Eine sichere Orientierung, auch in einer gewohnten Umgebung wird in solchen Situationen sehr schwierig bis unmöglich. Bei viel Neuschnee kommt es vor,dass viele Behinderte und Senioren zu Hause bleiben müssen. Ein «Stubenarrest» droht.

Man wird behindert

Die Verantwortung liegt einerseits bei den Hausbesitzern, aber insbesondere auch bei den Gemeinden, die ein Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen in dieser speziellen Situation entwickeln und schnell für geräumte Gehwege und Zugänge sorgen müssen. Nicht der Schnee ist das Problem, sondern dass man ihn nicht wegräumt,denn man ist nicht behindert, man wird behindert.

Über den Autor: Urs Mugwyler ist Fachberater Hindernisfreies Bauen bei der Pro Infirmis in Chur. www.bauberatungsstelle.ch

Die Verantwortung liegt einerseits bei den Hausbesitzern, aber insbesondere auch bei den Gemeinden, die ein Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen in dieser speziellen Situation entwickeln und schnell für geräumte Gehwege und Zugänge sorgen müssen.

Mit eingebauten Raupen Stägeli uuf und Stägeli aab

(Tages-Anzeiger)

Studierende der ETH und der ZHDK haben einen Rollstuhl entwickelt, der Treppen überwinden kann. Am Sonntag konnte das Gefährt getestet werden.

Carmen Roshard

Alex Oberholzer, Filmkritiker und Rollstuhlfahrer, steht mit dem neuen Treppen steigenden Rollstuhl Scewo zuoberst auf einer Treppe im Erweiterungsbau des Landesmuseums Zürich. Er war gestern Sonntag einer der Testfahrer dieses Gefährts, das Studierende der ETH Zürich und der Zürcher Hochschule der Künste in mehrjähriger Arbeit entwickelt haben.

Zuvor überwand Oberholzer die Treppe bei seiner Testfahrt mit den eingebauten Raupen souverän, angeleitet vom 24-jährigen Beni Winter, dem Initiator des Rollstuhl-Projektes. Beim Abstieg gab es für Oberholzer aber einen kurzen «Schockmoment» wegen einer ruckartigen Bewegung des elektrischen Stuhls mitten auf der Treppe, wie ersagte. Wieder auf ebenem Terrain, meinte er: «Das Fahren mit dem Scewo ist ungewohnt und braucht schon ein bisschen Übung.» Im Vorfeld habe er aber mehr Angst davor gehabt, denn bei seinem letzten Fahrversuch mit einem Segway-Rollstuhl sei er gescheitert. Der Scewo habe ihm mehr Sicherheit vermit- telt, sei aber auf flachem Terrain mit seinen vier bis fünf Kilometern pro Stunde eindeutig zu langsam.

Erfinder Winter weiss, dass er und sein Team beim Scewo noch einige Probleme lösen müssen. Ein stärkerer Motor soll eingebaut werden, der Sitz anpassbar sein, die Raupen und die Bedienung übers Handy mit einer App optimiert werden. An zwei Test-Sonntagen im Januar erhoffen sich die jungen Entwickler weitere Feedbacks. Im Sommer soll dann ein Vorserientyp im Landes- museum Zürich für gehbehinderte Menschen zur Verfügung stehen.

Vor einem halben Jahr hat Beni Winter eine Start-up-Firma gegründet mit dem Ziel, den Scewo zu vermarkten. Er schätzt, dass das wie ein Segway auf zwei Rädern balancierende Gefährt mit einem Gewicht von 90 Kilogramm – ein normaler Elektrorollstuhl wiegt 170 Kilogramm – schliesslich rund 30 000 Franken kosten wird.

Hohes Ziel gesteckt

Dabei war der Scewo im Herbst vor drei Jahren nur ein Studienprojekt, an dem zehn Bachelor-Studenten gemeinsam tüftelten. Damals begann alles mit dem Fokusprojekt «Scalevo». Zehn Studierende arbeiteten gemeinsam an einem Treppen steigenden Rollstuhl. Doch anstatt das Projekt Scalevo , wie es damals noch hiess, wie geplant im Sommer 2015 zu beenden, machten vier der Forscher weiter. Sie setzten sich ein hohes Ziel, nämlich im Herbst 2016 beim Wettbewerb des Cybathlons anzutreten. Dieser ist der erste von der ETH Zürich organisierte internationale Wettkampf für Menschen mit körperlichen Behinderungen, die mithilfe von bionisch konstruierten Apparaturen, roboterunterstützten Prothesen oder Gehirn-Computer-Schnittstellen vorgegebene Aufgaben zu bewältigen haben.

Maximal zwei Monate hatten die drei Mechanikstudenten und der Designstudent der ZHDK eingeplant, um das Gefährt für den Cybathlon fit zu machen. Bald aber wurde klar, dass sie den Rollstuhl komplett umbauen mussten, um im Wettstreit mit den Technologien an derer Hochschulen und internationaler Hersteller mitzuhalten. Bisher war der elektrisch betriebene Rollstuhl nur auf Treppen ausgelegt. Beim Cybathlon musste er auch unebenes Terrain mit Holzstämmen und schrägen Flächen überwinden. Der Auftritt des Teams ging dann zwar wegen einer Panne in die Hose, doch das tat dem Tatendrang der Studenten keinen Abbruch. Allen Beteiligten wurde immer klarer, dass vielen Menschen gar nicht bewusst ist, wie viele Hindernisse Rollstuhlfahrer im Alltag überwinden müssen. Um die notwendigen Arbeiten zu bewältigen, suchten die drei Studenten weitere Interessierte. Inzwischen zählt das Team neun Studierende, darunter auch eine Frau.

Zu einem Start-up geworden

Am kommenden Sonntag stellen gehbehinderte Menschen den Scewo ein weiteres Mal auf die Probe. Die jungen Erfinder erhoffen sich dadurch Rückmeldungen, die in die Erarbeitung des Vorserientyps, der diesen Sommer fertiggestellt werden soll, einfliessen werden.

Für Felicitas Huggenberger, Direktorin von Pro Infirmis, ist der Scewo eine wunderbare Erfindung, Speziallösungen seien aber immer nur zweite Wahl. In erster Linie müsse man so bauen, dass das Gebäude auch für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer zugänglich sei. Es freue sie jedoch, dass der Scewo in dem Gebäude eingesetzt werde, das bei der Eröffnung 2016 viel Kritik wegen der fehlenden Rollstuhlrampe einstecken musste.

«Was 2014 als Studienobjekt begonnen hat, ist nach unzähligen Tüfteleien,Testfahrten und Überarbeitungen zu einem Start-up Unternehmen mit einer klaren Vision geworden», sagt Alexander Rechsteiner, Pressesprecher beim Schweizerischen Nationalmuseum. «Für uns ist die Zusammenarbeit mit Scewo eine Gelegenheit, uns für die Barrierefreiheit des Museums zu engagieren.» Als Schweizer Institution liege dem Nationalmuseum die Schweizer Innovation besonders am Herzen.

Beni Winter und sein Team sind überzeugt: «Für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, kann sich das Leben durch den Scewo positiv verän- dern». Finanziert wird das Projekt durch Investoren.