Aber bitte mit Toilette

(Thurgauer Zeitung)


Die Pläne für einen behindertengerecht umgebauten Aadorfer Bahnhofplatz stossen auf Interesse – auch wenn sie für eine Direktbetroffeneziemlich hoch aufgehängt sind Bild: Olaf Kühne

 

Aadorf Bis Ende 2023 muss das Behindertengleichstellungsgesetz unter anderem im Öffentlichen Verkehr umgesetzt sein. Passiert ist lange Zeit kaum etwas. Nun nimmt sich die Gemeinde des Bahnhofplatzes an. Das Projekt kommt nächstes Jahr an die Urne.

Olaf Kühneolaf.kuehne @thurgauerzeitung.ch

Eigenlob tönt anders. «Die meisten haben gleich viel gemacht wie Aadorf: nichts! », sagte Matthias Küng. Der Aadorfer Gemeindepräsident verwies damit zum Auftakt der Informationsveranstaltung über die Umgestaltung des Bahnhofplatzes auf den Umstand, dass das Behindertengleichstellungsgesetz nunmehr über 15 Jahre auf dem Buckel hat. Zwar läuft die 20-jährige Frist zur Herstellung der sogenannten Barrierefreiheit unter anderem im Öffentlichen Verkehr noch bis Ende 2023. Allerdings will der Aadorfer Gemeinderat sein am Donnerstagabend vorgestelltes Projekt erst kommendes Jahr an der Urne vorlegen. Dies ist indes nicht primär einer vermeintlichen Trägheit der Behörde geschuldet. Vielmehr sanieren die SBB ihre Perrons in Aadorf auch erst 2020, ein behindertengerechter Umbau des Bahnhofplatzes würde vorher folglich wenig Sinn ergeben.

Neue Rampezur Unterführung

Die Pläne, die Gemeindepräsident Küng am Donnerstag präsentierte, sind schon sehr konkret- und zumindest unter den rund 80 Anwesenden schienen sie im Grundsatz völlig unbestritten zu sein. Küng betonte denn auch,dass man die Minimalvariante für rund zwei Millionen Franken von Gesetzes wegen so oder so realisieren müsse. Diese Variante beinhaltet vorwiegend bauliche Massnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit wie etwa ein Umbau der Rampe zur Unterführung oder höhere Einsteigekanten fürdie Postautos.

«Der Grundsatz, wer zahlt,befiehlt, gilt bei diesem Projekt nicht», sagte Küng und sprach damit die «Anforderungen» der SBB an die Gemeinde an. So verlange das Transportunternehmen unter anderem, dass Aadorf mindestens 180 überdachte Veloabstellplätze zur Verfügung stelle. Oder dass Überdachungen und Beleuchtungen SBB-Vorgaben zu erfüllen hätten.

Vor allem aber betonte Küng wiederholt, dass man die Gelegenheit nutzen wolle, den -nicht nur in den Augen des Gemeinderates – nicht sonderlich schmucken Aadorfer Bahnhofplatz endlich aufzuwerten. «Ein Bahnhof ist immer auch eine Visitenkarte einer Ortschaft»,sagte der Gemeindepräsident.Und weil auch die angrenzende Bahnhofstrasse – gelinde gesagt- kein Schmuckstück ist, zog der Gemeinderat diese Kantonsstrasse auch gleich in seine Überlegungen mit ein. So war denn nicht Behindertengerechtigkeit Hauptthema des Abends, sondern unter anderem die Parkplätze des vor Kurzem neu eröffnetem Restaurants Barone in der ehemaligen «Linde» vis-ä-vis des Aadorfer Bahnhofes. Diese Parkplätze liegen an der Bahnhofstrasse oberhalb der bestehenden Veloabstellplätze. Zwei Variantender Platzumgestaltung sehen nun vor, die künftige Überdachungder Veloplätze gleichzeitig als Restaurant-Parkplatz zu nutzen.Ein gleichzeitiger Landabtausch mit dem «Barone» -Besitzer würde die Errichtung eines Pärkchens bei der Bahnhofplatz-Einfahrt ermöglichen.

Eine Idee, die im Publikum,wenn auch nicht auf grundlegende Ablehnung, so doch auchnicht auf grosse Begeisterung zu stossen schien. «Ich hätte lieber mehr Parkplätze», sagte beispielsweise ein Votant, «Grünfläche gibt es in Aadorf genügend.»

SBB halten WC-Häuschen geschlossen

Moniert wurde vielmehr etwas,das der Gemeinderat in seinen Plänen gar nicht vorgesehen hatte. Eine Rollstuhlfahrerin, die einzige im Publikum, sagte: «Einbehindertengerechtes WC liegt mir sehr am Herzen.» Tatsächlich verfügt der Aadorfer Bahnhof, seit die SBB das WC-Häuschen wegen angeblichem Vandalismus‘ geschlossen halten, über gar keine öffentlichen Toiletten mehr. Zwar sagte Gemeindepräsident Küng, die SBB Immobilien AG plane für einen noch nicht bestimmten Zeitpunkt einen Neubau des Kioskes mit künftigem WC. Dies genügte indes zahlreichen Anwesendennicht. «Ein Bahnhof braucht einöffentliches WC, das dürfen wir nicht den SBB überlassen», war zu hören.

Weil Küng das Anliegen «gerne aufnahm», ist davon auszugehen, dass das Projekt, welches der Aadorfer Gemeinderat 2020 an die Urne bringen will,wohl auch eine Toilette enthaltendürfte. Fest stehen hingegen die ungefähren Kosten des Vorhabens. Sie bewegen sich je nach Ausbau bis hin zu vollständig überdachten Postautohaltestellen zwischen zwei und zweieinhalb Millionen Franken. Brutto,wie Küng betonte. Denn welche Anteile SBB und allenfalls weitere Beteiligte beisteuern werden, sei noch nicht abschliessen dausgehandelt.

Guntershausen bleibt – vorerst

Das Behindertengleichstellungs-gesetz (BehiG) verlangt bis Ende 2023 ein behindertengerechtes öffentliches Verkehrsnetz, enthält aber als Hintertürchen den Passus der Unverhältnismässigkeit.Auf diesen berufen sich die SBB und verzichten auf eine Sanierung der Bahnhaltestelle Guntershausen. An der Informationsveranstaltung über den Umbau des Aadorfer Bahnhofplatzes hin zur Barrierefreiheit orientierte Gemeindepräsident Matthias Küng auch über seinen Kenntnisstand betreffend Guntershausen.«Die dortige Haltestelle bleibt, wie sie ist», sagte er, «- vorläufig!» Damit sagte Küng auch, dass die einst angekündigte Schliessung der Einrichtung weiterhin nicht vom Tisch ist. «Ich lasse mich jetzt weit auf die Äste hinaus:Zehn bis fünfzehn Jahre wird Guntershausen sicher noch in Betrieb bleiben.» (kuo)