Hier sind Beeinträchtigte voll dabei

(Luzerner Zeitung)

Trainerinnen und Trainer lernten an einem Kurs in Luzern, wie Menschen mit Handicap integriert und gefördert werden können.

Peter Birre


Fussball ist offen für alle Menschen: Auf der Luzerner Allmend fand der praktische Teil des Jugend+Sport-Kurses statt. Bild: Manuela Jans-Koch (29. Oktober 2021)

 

Die einen trainieren Torschüsse, andere feilen mit Geschicklichkeitsübungen an ihrer Technik, und in einer Hälfte des Kunstrasens läuft ein Mätschli. Reger Betrieb herrscht auf der Luzerner Allmend, die Fussballer, die bei prächtigem Herbstwetter trainieren, sind mit Eifer bei der Sache. Und mit Emotionen. Sie reissen die Arme hoch, wenn ein Treffer fällt; sie klatschen mit ihren Kollegen ab; sie strahlen, weil ihnen das abwechslungsreiche Programm Spass macht.

Jugendliche, die kicken, Trainer, die Anweisungen geben – ein gewohntes Bild, eigentlich. Und doch ist in diesem Fall etwas anders. Die Zusammensetzung der Gruppen ist nicht alltäglich. Junge Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Beeinträchtigung spielen zusammen
mit Leuten ohne Einschränkung. Das Zauberwort der Veranstaltung: Inklusion (Integration).

Ein Schwerpunkt im sportpolitischen Konzept

«Fussball funktioniert immer», sagt Markus Kälin am Spielfeldrand und stellt erfreut fest, dass vermeintliche Hürden nicht existieren. Und wenn es doch welche gibt, werden sie mit Leichtigkeit überwunden. Kälin, ehemaliger NLA-Goalie beim SC Kriens, ist seit 13 Jahren Leiter der Sportförderung des Kantons Luzern – und an diesem Freitag aufmerksamer Beobachter eines besonderen Kurses, der in Luzern durchgeführt wird. An zwei Tagen wird 25 Trainerinnen und Trainern vermittelt, was Inklusion im Teamsport heisst, was es auch für sie in leitender Funktion bedeutet, wie eine Einheit so gestaltet wird, dass sie auf die Fähigkeiten beeinträchtigter Menschen zugeschnitten ist. «Football is more», eine Stiftung aus Liechtenstein, wurde mit der Idee, einen Pilotkurs durchzuführen, bei Kälin vorstellig. Er nahm den Steilpass auf. « Inklusion hat für uns einen hohen Stellenwert», sagt er und verweist auf das sportpolitische Konzept, das 2017 verabschiedet worden ist: «Darin ist das Thema Inklusion ein Schwerpunkt.» Überzeugungsarbeit brauchte die Stiftung darum keine zu leisten: Die Verantwortlichen der Sportförderung waren auf Anhieb begeistert von der Initiative und engagierten sich bei der Organisation
des Events auf der Allmend.

Kälin ist es ein tiefes Bedürfnis, in einem ersten Schritt kantonal Strukturen zu schaffen, um Benachteiligten die Möglichkeit zu bieten, Teil des «normalen» Sportbetriebs zu sein. Der Anfang besteht darin, Trainerinnen und Trainer auszubilden, sie zu sensibilisieren, wie sie die Herausforderung meistern können. In einem nächsten Schritt folgt die praktische Umsetzung. Kälin stellt die Frage: «Warum soll nicht ein Zwölfjähriger mit Downsyndrom Teil einer Mannschaft werden, die am normalen Spielbetrieb teilnimmt?» Eines betont er: «Wir reden nur vom Breitensport, nicht vom Spitzenfussball bei den Juniorinnen und Junioren.» Er ist überzeugt, dass die anderen Kantone der Zentralschweiz nachziehen und sich mit Fragen rund um die Inklu-sion im Sport ebenfalls auseinandersetzen. Inklusion, glaubt Kälin, sei in vielen Vereinen ein Thema und die Bereitschaft vorhanden, Menschen aufzunehmen, die ein Handicap haben. Dem Leiter der Sportförderung ist es darum ein Bedürfnis, Hilfestellung zu leisten. Mit eben solchen Trainerausbildungen wie am Freitag und Samstag. Mit Informationsanlässen, um aufzuklären und darzulegen, dass in «gemischten Mannschaften» eben auch Menschen ohne Beeinträchtigung Dinge
lernen, die das Verständnis fördern und ihnen in ihrem Alltag behilflich sind.

Bekannte Gesichter als Trainingsbeobachter

Kälin unterlässt es, von einem Projekt zu sprechen. Lieberspricht er von einem «Auftrag», dem keine zeitlichen Limite gesetzt sind. Um das, was in Luzern nun erstmals stattgefunden hat, fortzuführen und auszubauen, werden mehr Mittel benötigt. Vereine unterstützen, Trainerinnen und Trainer schulen, personelle Ressourcen der Sportförderung zur Verfügung stellen – all das kostet. «Und es ist nicht etwas, das wir einfach aus einer Laune heraus lancieren, sondern weil der Bedarf da ist», sagt er. Zurück auf der Allmend, zurück im praktischen Teil des Jugend+Sport-Kurses, dem bekannte Gesichter beiwohnen. Laurent Prince schaut zu, als Direktor der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung begleitet ihn das Thema Inklusion in seinem beruflichen Alltag. Urs Dickerhof ist da, der Präsident des Innerschweizerischen Fussballverbandes, Patrick Bruggmann ebenfalls, der Technische Direktor des Schweizerischen Fussballverbandes und Nachfolger von Prince. Und auch FCL-Präsident Stefan Wolf lässt es sich nicht nehmen, sich selber einen Eindruck zu verschaffen. «Der
FC Luzern ist offen für alle Menschen», sagt er, «mit der Thematik Inklusion werden wir uns ganz bestimmt beschäftigen.»

«Es ist nicht etwas, das wir einfach aus einer Laune heraus lancieren, sondern weil der Bedarf da ist.»


Markus Kälin Leiter Sportförderung des Kantons Luzer