„Ich wünsche mir Fest, dass wir umdenken“

(Das Magazin für die WirtschaftsFrau)

Interview mit Frau Barbara Bräm, Mitgründering von mitschaffe.ch

Guten Tag Frau Bräm. Sie sind zusammen mit Thomas Bräm Mitinhaberin von mitschaffe.ch. Was genau macht Ihr Unternehmen?

Im Grunde genommen, sind wir eine normale Personalvermittlungsfirma, mit dem Unterschied,dass wir Menschen mit Handicap – also einer körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigung -in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln. Wir bieten ein Coaching als Unterstützung an. Der Aufbau einer Anstellung ist ganz normal: bewerben, vorstellen, schnuppern, begleiten, Vertrag abschliessen und danach die Probezeit. Wir haben regelmässigen Kontakt zu den Unternehmen und den Menschen mit Handicap. Einmal im Jahr haben wir ein Mitarbeitergespräch, in dem geschaut wird, ob noch alles in Ordnung ist.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, mitschaffe.ch zu gründen?

Mein Mann hat eine Institution für Menschen mit Handicap geleitet und festgestellt, dass es nur schwer möglich ist, Menschen mit Handicap in denersten Arbeitsmarkt zu integrieren.Erhat dann über mögliche Gründe nach gedacht und in verschiedenen Gewerbeverbänden nach den Ursachen gefragt.

Was war für Sie persönlich der bedeutendste Moment,seites mitschaffe.ch gibt?

Einige Stiftungen habenuns finanziell unterstützt. So konnten wir die Startphase gut bewältigen und professionell und wirtschaftlich arbeiten. Es fasziniert mich, wie sich Kunden und Mitarbeiter für diese Sache begeistern lassen.

War es schwierig, bis Sie das erste Unternehmen an Bord hatten oder ging dies relativ schnell?

Wir hatten Beziehungen zueiner Präsidentin eines Gewerbeverbandes. An einer Generalversammlung durften wir mitschaffe.ch vorstellen und konnten dieerstenStellen bei interessierten Handwerkern vermitteln. Zusätzlich nutzten wir das private Netzwerk.

Hatten Sie auch schon negative Erlebnisse? Wenn ja, welche?

Ja natürlichhatten wir auch schon negative Erlebnisse. Es gibt Situationen, welche mich persönlich betroffen machen. Zum Beispiel, wenn eine Firma eine Person mit Handicap ausnutzt, indem sie wenig Lohn für möglichst normale Leistung bezahlt.

Im Umgang mitLeuten mit Handicap ist noch viel Aufklärung nötig. Was sollten Firmen, welche gernesolcheMitarbeiter:innen einstellen unbedingt wissen?

Viele Menschen denken, sie müssen unseren Leuten viel und abwechslungsreiche Arbeiten bieten. Wir beobachten aber, dass unsere Leute repetitive Arbeiten mögen. Das gibt Sicherheit.

Was hindert Firmen hauptsächlich daran, Menschen mit Handicap einzustellen?

Es gibt viele Jobs, die wegrationalisiert wurden. Gerne eruieren wir mit den Kunden, welche Arbeiten für die jeweiligen Menschen mit Handicap geeignet wären. Weitere Gründe sind, dassdie Firmen oftmals nicht wissen, wie sie mit unseren Mitarbeitern umgehen sollen. Ausserdem scheuen sie den administrativen Aufwand. Aus diesen Gründen heraus haben wir unser Geschäftsmodell entwickelt.

Die Schweiz hat die UNO -Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung im Jahr 2014 ratifiziert. Was ist die Kernbotschaft dieser Konvention?

Die Kernbotschaft ist, dass Menschen mit Handicap am normalen Leben teilnehmen können. Mit allen Rechten und Pflichten.

Wir sind also verpflichtet, Menschen mit Beeinträchtigung gleich zu behandeln.Ist das der Fall oder gibt es noch Verbesserungspotenzial?

Es gibt noch sehr viel Verbesserungspotenzial. Die Schweiz steht da leider nicht an vorderster Front. Glücklicherweise beobachten wir
aber ein Umdenken.

Wieso werden Menschenmit einem Handicap oftmals doch nicht gleich behandelt?

Ich weiss es nicht aber unsere Erfahrungist,dass viele Leute Ängste im Umgang haben. Der zweite Punkt ist, viele Schweizerinnen und Schweizer wissen noch nicht, dass eine solche Konvention existiert.Zudem ist das Wort Inklusion zu wenig bekannt. Pro Infirmis hat dazu einen tollen Flyer gestaltet. Uns ist es wichtig, dass Menschen mit Handicap eine Stimme bekommen.

Gibt es etwas, was jede und jeder anders machen könnte, um solche Menschen mehr in die Gesellschaft aufzunehmen?

Ich wünsche mir ein umdenken der Gesellschaft. Diese Menschen wollen nicht separiert werden. Wir alle haben irgendwo ein Handicap. Ich wünsche mir mehr Mut zum Thema Inklusion und noch mehr Engagement. Es wäre schön, wenn jede und jeder seinen Beitrag dazu leistet.

Ihr Netzwerk ist vor allem im Kanton Schaffhausen. Sie haben jedoch auch Kontakte in Bern, Thurgau, Basel, Olten, Solothurn und im Wallis. Was sind ihre nächsten Ziele?

Das Ziel unserer Firma ist, noch mehr Partner in anderen Kantonen zu finden. Unser Wunsch ist, dass in der ganzen Schweiz möglichst viele Menschen mit Handicap im ersten Arbeitsmarkt arbeiten können. Ausserdem wäre es schön, wenn Inklusion zur Normalität wird.


Barbara Bram, Mitgrünclering von mitschaffe ch

 


Herr B. arbeitet in Smilestones Neuhausen

 


Herr S.in einer Restaurantküche