Acht Jahre nach Beschluss: So setzt der Kanton die UNO-Behindertenrechte um

(Tages-Anzeiger)

Massnahmen Jede Prüfung und jedes Lehrmittel wird zugänglich,überhaupt sollen Behinderte gleiche Rechte haben.

Vanessa Hann

Der Regierungsrat hat einen Plan ausgearbeitet,wie er die Behindertenrechtskonvention-kurz BRK-der Vereinten Nationen (UNO)umsetzen will.Gestern Morgen hat er die Massnahmen vorgestellt.Das grosse Ziel:Menschen mit Behinderung sollen die gleichen Rechte haben wie Nichtbehinderte.

So sollen etwa bis im Jahr 2025 Menschen mit Behinderung an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen können.Wer beispielsweise sehbehindert ist,kann heute nicht allein seinen Stimmzettel ausfüllen.Im Bereich Bildung will der Kanton sämtliche Lehrmittel,Eignungstests und Prüfungen für Menschen mit Behinderung zugänglich machen. Insgesamt 26 Massnahmen in den Bereichen Politik,Justiz, Mobilität, Bildung, Arbeit oder im Gesundheitswesen sieht der Aktionsplan vor.

Bildungsdirektorin Silvia Steiner betonte,dass man besonders in der Bildung integrativer werden wolle:Beeinträchtigte Kinder sollen früh gefördert und unterstützt werden,damit sie bestenfalls in Regelklassen gehen könnten.Das will Steiner erreichen,in dem Lehrpersonen speziell ausgebildet,unterstützt oder entlastet werden.Dass es derzeit an besagtem Personal mangelt,liess die Bildungsdirektorin aus,sagte aber:«In erster Linie wollen wir Schulen unterstützen,die am Anschlag sind.»Ausserdem sieht sie spezielle Lehrgänge an der pädagogischen Hochschule vor, damit «kein ganzes Studium nötig ist».

Ob die 26 Massnahmen umgesetzt werden,will der Kanton jährlich überprüfen.Regierungsrat Mario Fehr strich heraus,dass die Ziele nicht statisch seien.«Wir werden sie stetig weiterentwickeln.» Dabei sollen Behindertenorganisationen mit einbezogen werden.

Das Thema steht nun seit acht Jahren auf der Pendenzenliste des Kantons:Am 15.April 2014 hat die Schweiz die BRK ratifiziert.Einen Monat später trat sie in Kraft.Bund,Kantoneund Gemeinden müssen sie umsetzen. Marianne Rybi,Geschäftsleiterin der Behindertenkonferenz Kanton Zürich,freut sich:«Es ist höchste Zeit,dass die BRK umgesetzt wird.»

Behinderung nicht definiert

Zürich wird schweizweit als erster Kanton tätig.Im Ausland sei man viel weiter,sagt Rybi.So hat Deutschland bereits vor zehn Jahren damit begonnen,die BRK umzusetzen.Einen Grund dafür sieht Rybi in der fehlenden Sensibilisierung hierzulande.«Wer in den USA ein Konzert organisiert, an dem es keine Toiletten für Menschen im Rollstuhl hat, wird scharf kritisiert.In der Schweiz quittiert mand as mit
einem Schulterzucken.»

Ein weiteres Problem seien die fehlenden Daten.Die Behörden gehen davon aus,dass im Kanton Zürich 280’000 Menschen mit Behinderung leben.Genauere Zahlen gebe es nicht,kritisiert Rybi.Ganz im Gegensatz zu anderen Bereichen.«Wir wissen genau,wie viele Kühe oder Apfelbäume der Kanton Zürich hat, aber nicht,wie viele Menschen mit Behinderung hier leben.»Das liege hauptsächlich ander Definition:Ab wann man eine Behinderung hat,ist nicht offiziell festgelegt.Eine schwierige Frage,an die sich momentan keiner herangetraue,kritisiert Rybi.«Die Schweiz geht sehr konservativ mit dem Thema Behinderung um.»

Erst im März dieses Jahres hatte der UNO-Ausschuss bemängelt, dass öffentliche Gebäude oder der Verkehr nicht barrierefrei zugänglich seien.Ähnlich sehe es in der Bildung oder bei der Teilnahme am politischen Leben aus.Das soll sich nun ändern:Zwischen dem 27.August und dem 10.September sind unterschiedliche Events geplant,bei spielsweise blindes Kochen oder ein Gottesdienst im Grossmünster,mitgestaltet von Menschen mit Hörbehinderung.